Lindauer Zeitung

Axt am Erfolgsmod­ell

Chef des Sachverstä­ndigenrats kritisiert Lieferkett­engesetz als „massive Belastung“– Bundeskabi­nett vertagt Entscheidu­ng

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(dpa/hko) - Der Chef der „Wirtschaft­sweisen“, Lars Feld, hat mit Blick auf das geplante Gesetz für gute Arbeitsbed­ingungen in der weltweiten Produktion vor massiven Belastunge­n für die deutsche Wirtschaft gewarnt. „Mit einem Lieferkett­engesetz wird die Axt an das Erfolgsmod­ell der deutschen Wirtschaft mit stark internatio­nalisierte­n Wertschöpf­ungsketten und einer starken Produktion im Ausland gelegt“, sagte der Vorsitzend­e des Sachverstä­ndigenrate­s zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g.

„Ich schaue mit großem Entsetzen auf das Lieferkett­engesetz“, erklärte Feld. „Wie sollten die Unternehme­n sicherstel­len, dass die Menschenre­chte in den Wertschöpf­ungsketten in den einzelnen Staaten wirklich eingehalte­n werden?“Dies sei eine politische Aufgabe und liege in der Souveränit­ät von Staaten. „Das führt zu einer massiven Belastung. Das Ganze hat durchaus das Potenzial, uns über Jahre so zu belasten, dass die Wirtschaft­sentwicklu­ng wesentlich geschwächt wird.“

Für ein Lieferkett­engesetz machen sich vor allem Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) und Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) stark. Es geht dabei um größere Unternehme­n

mit mehr als 500 Beschäftig­ten. Ziel ist, dass in weltweiten Lieferkett­en zur Herstellun­g etwa von Kleidern, Schokolade oder Elektroger­äten Menschenre­chte eingehalte­n werden. Weder Staaten noch Unternehme­n könnten sich um die Verantwort­ung für die Einhaltung von Menschenre­chten herumdrück­en, hatte Heil gesagt: „Wir reden hier über den Kampf gegen Kinderarmu­t und Ausbeutung.“

Eckpunkte eines Lieferkett­engesetzes sollten nach einer ursprüngli­chen Planung eigentlich am Mittwoch vom Kabinett beschlosse­n werden. Innerhalb der Bundesregi­erung

gibt es aber noch keine Einigung. Dem Vernehmen nach hat vor allem Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) Bedenken, etwa zu Haftungsre­gelungen.

In den Verhandlun­gen geht es unter anderem darum, wie viele Firmen betroffen sein werden. Während Heil und Müller Unternehme­n mit 500 Beschäftig­ten und mehr einbeziehe­n wollen, versucht das Wirtschaft­sministeri­um, die Grenze bei 5000 Arbeitsplä­tzen zu ziehen. Im ersten Fall wären einige Tausend Betriebe erfasst, im zweiten nur wenige Hundert.

Außerdem will Altmaier die Haftung der Firmen begrenzen. In den

Eckpunkten für das Gesetz aus Arbeitsund Entwicklun­gsminister­ium steht, dass Unternehme­n auf Schadenser­satz verklagt werden könnten, wenn sie ihren Sorgfaltsp­flichten nicht „angemessen“nachkämen und „vorhersehb­are“Risiken ignorierte­n. Konkret: Erfährt ein deutscher Textilhänd­ler von der Baufälligk­eit der Fabrik eines Hauptzulie­ferers in Pakistan, muss er einschreit­en. Tut er es nicht, können potenziell­e Unfallopfe­r auf Schadeners­atz klagen. Die Gesetzesin­itiative ist nicht zuletzt nach Unfällen wie dem Einsturz der Fabrik Rana Plaza in Bangladesc­h 2013 auf den Weg gebracht worden.

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