Aufgebrauchte Gemeinsamkeiten
Reiner Haseloff steht gemeinhin selten im nationalen Rampenlicht. Auch sein SachsenAnhalt, boshaft auch schon mal als das Bundesland zwischen den beiden Autobahnen nach Berlin charakterisiert, gilt als eher unauffällig.
Dass nun ausgerechnet Haseloff im Bemühen um ein Mindestbußgeld bei Verstößen gegen die Maskenpflicht aus der Phalanx der 16 Länder ausschert, zeigt darum umso deutlicher die wachsenden Risse in der deutschen Corona-Politik. Sachsen-Anhalt hat zwar keinen Fußball-Bundesligisten, der über leere Stadien klagen kann. Und auch in Sachen Karneval oder Weihnachtsmarkt ist das Land eher unauffällig. Doch nächstes Jahr sind Landtagswahlen. Und da will der CDUMinisterpräsident angesichts niedriger Corona-Fallzahlen lieber nicht den strengen Zuchtmeister geben, sondern insbesondere bei den offen AfD-freundlichen Teilen seiner Landespartei punkten.
Doch nicht nur in Sachsen-Anhalt wird 2021 gewählt. Auch in BadenWürttemberg, in Rheinland-Pfalz und im Bund. In Verbindung mit der anhaltenden Ungewissheit über den Verlauf der Corona-Pandemie, der bröckelnden Akzeptanz für Einschränkungen und den immer schrilleren Tönen der Verschwörungsmythiker sorgen die näher rückenden Urnengänge für eine wachsende Unruhe im Land. Und so brechen nun alte Konflikte und Animositäten auf, die zu Beginn der Pandemie von politischer Disziplin überdeckt wurden.
Damit ist es vorbei: Zwar konnten sich Angela Merkel und die Länderchefs nach stundenlangem Gezerre zumindest mehrheitlich auf einige Corona-Regeln einigen. Doch der föderale Flickenteppich bleibt, und der Unwille der Länder, sich auf verbindliche Regeln zu einigen, wächst.
Noch können sich die Ministerpräsidenten in vielen Bereichen auf gemeinsame Strategien und harte Vorgaben wie bei den Reiserückkehrern aus Risikogebieten verständigen. Doch bei zentralen Themen wie der Größe privater Familienfeiern sind die Gemeinsamkeiten der Länder vorerst aufgebraucht. Und da ist Haseloff kein Einzelfall mehr.