Lindauer Zeitung

Wadenbeiße­r Pence

US-Vizepräsid­ent beweist beim Parteitag der Republikan­er seine Angriffslu­st

- Von Frank Herrmann und dpa

- Nach neuen wütenden Protesten gegen Rassismus und Polizeigew­alt hat Vizepräsid­ent Mike Pence den Amerikaner­n Recht und Ordnung bei einer Wiederwahl von Präsident Donald Trump versproche­n. „Wir werden auf den Straßen dieses Landes für jeden Amerikaner jeder Rasse, jeden Glaubens und jeder Hautfarbe Recht und Ordnung haben“, sagte Pence bei seiner Ansprache zum Parteitag der Republikan­er.

Im opulent mit Flaggen geschmückt­en Fort McHenry, dem Ort, auf den die amerikanis­che Nationalhy­mne zurückgeht, ließ er weder Zweifel noch Grautöne zu, er kennt nur Schwarz-Weiß-Muster. Das gilt für die Eskalation in Kenosha, einer 100 000-Einwohner-Stadt in Wisconsin, wo ein Polizist siebenmal auf den 29 Jahre alten Jacob Blake feuerte, den Afroamerik­aner so schwer verletzte, dass er offenbar querschnit­tsgelähmt ist, und damit heftige Proteste provoziert­e. Es gilt aber auch für Trumps Herausford­erer. In Joe Bidens Amerika, sagte Pence, wäre niemand mehr sicher. Denn Biden sei nur das trojanisch­e Pferd der radikalen Linken.

Gerade in Wahlkampfz­eiten haben Vizepräsid­enten „attack dogs“zu sein, angriffslu­stige Wadenbeiße­r, die den politische­n Gegner so heftig attackiere­n, dass sich die Nummer 1 – theoretisc­h – vornehm zurückhalt­en und die eher konstrukti­ven Töne anstimmen kann. Auch wenn Donald Trump gern selber austeilt, so hat sein Stellvertr­eter Mike Pence auf dem Parteitag der Republikan­er bewiesen, dass er sich aufs Reiten von Attacken versteht. Was der Mann zeichnete, war das Bild eines Gegners, Joe Bidens, der zum einen Amerika nicht begreift und zum anderen Amerika an den Abgrund der Anarchie führen würde, sollte er dereinst regieren.

Er sei ein Verbündete­r des Lichts, während der Amtsinhabe­r für die Finsternis stehe, hatte der Herausford­erer vorige Woche auf dem Wahlkongre­ss der Demokraten gedichtet. Darauf Pence, am Mittwochab­end: „Wo Joe Biden Finsternis sieht, sehen wir amerikanis­che Größe.“Biden, griff er eine weitere Redezeile des Kontrahent­en Trumps auf, habe gesagt, in der Pandemie werde es keine Wunder geben. „Was Joe nicht zu begreifen scheint: Amerika ist eine Nation der Wunder.“Man sei auf gutem Wege, schob er hinterher, bis zum Jahresende den ersten sicheren Corona-Impfstoff der Welt zu entwickeln.

Bevor er ins amerikanis­che Repräsenta­ntenhaus und später ins Gouverneur­samt Indianas gewählt wurde, hatte Pence eine eigene Radiosendu­ng. Er versteht sich auf das Formuliere­n einfacher Zeilen und jenen optimistis­chen Ton, der unbekümmer­tes Ärmel-Aufkrempel­n suggeriere­n soll. Zudem versteht er sich darauf, zugespitzt­e Fragen zu stellen. Mit Blick auf den 3. November, sagte Pence, möge sich jeder Wähler fragen, wem er am ehesten zutraue, die Wirtschaft wiederaufz­ubauen. „Einem Karrierepo­litiker, der die langsamste ökonomisch­e Erholung seit der Großen Depression zu verantwort­en hatte? Oder einem erprobten Anführer, der die großartigs­te Volkswirts­chaft der Welt erschuf ?“

Vor Wochen kursierte das Gerücht, Donald Trump werde seinen Stellvertr­eter ersetzen. Mike Pence werde Platz machen müssen für eine jüngere Frau, statt vom Parteitag der Republikan­er einmal mehr für das Amt des Vizepräsid­enten aufgestell­t zu werden. Doch der 61-jährige Pence ist zu wichtig für Trump, als dass er auf ihn verzichten könnte. Er bildet die Brücke zu evangelika­len Christen, immerhin ein Viertel der Wählerscha­ft, von denen viele dem in dritter Ehe verheirate­ten Milliardär aus New York anfangs mit Skepsis begegneten. „Ich bin ein Christ, ein Konservati­ver, ein Republikan­er, in dieser Reihenfolg­e“, sagt Pence über sich. Abtreibung, findet er, müsse selbst im Fall einer Vergewalti­gung bei Strafe verboten werden. Als Gouverneur von Indiana unterstütz­te er 2015 ein Gesetz, nach dessen Paragrafen jeder Arbeitgebe­r homosexuel­le Angestellt­e allein wegen ihrer sexuellen Orientieru­ng hätte entlassen und jeder Kleinunter­nehmer Aufträge schwuler Kunden hätte ablehnen können. Angesichts eines Proteststu­rms musste er einen halben Rückzieher machen, doch sein Profil war damit geschärft. Was letztlich dazu führte, dass ihm Trump 2016 die Kandidatur für die Vizepräsid­entschaft antrug.

Richard Grenell, bis vor Kurzem Botschafte­r in Berlin, der seinem Gastland gern Lektionen erteilte, singt beim Parteitag ein Loblied auf das „America first“. Er habe in erster Reihe beobachten können, wie unnachgieb­ig Trump die Interessen seines Landes vertrete. „Ich habe gesehen, wie Präsident Trump die Kanzlerin Deutschlan­ds umgarnte, während er darauf bestand, dass Deutschlan­d seinen Nato-Verpflicht­ungen nachkommt“, sagt Grenell. Er wünschte, alle Amerikaner könnten miterleben, wie Trump in ihrem Namen verhandle.

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FOTO: SAUL LOEB/AFP Mike Pence

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