Wadenbeißer Pence
US-Vizepräsident beweist beim Parteitag der Republikaner seine Angriffslust
- Nach neuen wütenden Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt hat Vizepräsident Mike Pence den Amerikanern Recht und Ordnung bei einer Wiederwahl von Präsident Donald Trump versprochen. „Wir werden auf den Straßen dieses Landes für jeden Amerikaner jeder Rasse, jeden Glaubens und jeder Hautfarbe Recht und Ordnung haben“, sagte Pence bei seiner Ansprache zum Parteitag der Republikaner.
Im opulent mit Flaggen geschmückten Fort McHenry, dem Ort, auf den die amerikanische Nationalhymne zurückgeht, ließ er weder Zweifel noch Grautöne zu, er kennt nur Schwarz-Weiß-Muster. Das gilt für die Eskalation in Kenosha, einer 100 000-Einwohner-Stadt in Wisconsin, wo ein Polizist siebenmal auf den 29 Jahre alten Jacob Blake feuerte, den Afroamerikaner so schwer verletzte, dass er offenbar querschnittsgelähmt ist, und damit heftige Proteste provozierte. Es gilt aber auch für Trumps Herausforderer. In Joe Bidens Amerika, sagte Pence, wäre niemand mehr sicher. Denn Biden sei nur das trojanische Pferd der radikalen Linken.
Gerade in Wahlkampfzeiten haben Vizepräsidenten „attack dogs“zu sein, angriffslustige Wadenbeißer, die den politischen Gegner so heftig attackieren, dass sich die Nummer 1 – theoretisch – vornehm zurückhalten und die eher konstruktiven Töne anstimmen kann. Auch wenn Donald Trump gern selber austeilt, so hat sein Stellvertreter Mike Pence auf dem Parteitag der Republikaner bewiesen, dass er sich aufs Reiten von Attacken versteht. Was der Mann zeichnete, war das Bild eines Gegners, Joe Bidens, der zum einen Amerika nicht begreift und zum anderen Amerika an den Abgrund der Anarchie führen würde, sollte er dereinst regieren.
Er sei ein Verbündeter des Lichts, während der Amtsinhaber für die Finsternis stehe, hatte der Herausforderer vorige Woche auf dem Wahlkongress der Demokraten gedichtet. Darauf Pence, am Mittwochabend: „Wo Joe Biden Finsternis sieht, sehen wir amerikanische Größe.“Biden, griff er eine weitere Redezeile des Kontrahenten Trumps auf, habe gesagt, in der Pandemie werde es keine Wunder geben. „Was Joe nicht zu begreifen scheint: Amerika ist eine Nation der Wunder.“Man sei auf gutem Wege, schob er hinterher, bis zum Jahresende den ersten sicheren Corona-Impfstoff der Welt zu entwickeln.
Bevor er ins amerikanische Repräsentantenhaus und später ins Gouverneursamt Indianas gewählt wurde, hatte Pence eine eigene Radiosendung. Er versteht sich auf das Formulieren einfacher Zeilen und jenen optimistischen Ton, der unbekümmertes Ärmel-Aufkrempeln suggerieren soll. Zudem versteht er sich darauf, zugespitzte Fragen zu stellen. Mit Blick auf den 3. November, sagte Pence, möge sich jeder Wähler fragen, wem er am ehesten zutraue, die Wirtschaft wiederaufzubauen. „Einem Karrierepolitiker, der die langsamste ökonomische Erholung seit der Großen Depression zu verantworten hatte? Oder einem erprobten Anführer, der die großartigste Volkswirtschaft der Welt erschuf ?“
Vor Wochen kursierte das Gerücht, Donald Trump werde seinen Stellvertreter ersetzen. Mike Pence werde Platz machen müssen für eine jüngere Frau, statt vom Parteitag der Republikaner einmal mehr für das Amt des Vizepräsidenten aufgestellt zu werden. Doch der 61-jährige Pence ist zu wichtig für Trump, als dass er auf ihn verzichten könnte. Er bildet die Brücke zu evangelikalen Christen, immerhin ein Viertel der Wählerschaft, von denen viele dem in dritter Ehe verheirateten Milliardär aus New York anfangs mit Skepsis begegneten. „Ich bin ein Christ, ein Konservativer, ein Republikaner, in dieser Reihenfolge“, sagt Pence über sich. Abtreibung, findet er, müsse selbst im Fall einer Vergewaltigung bei Strafe verboten werden. Als Gouverneur von Indiana unterstützte er 2015 ein Gesetz, nach dessen Paragrafen jeder Arbeitgeber homosexuelle Angestellte allein wegen ihrer sexuellen Orientierung hätte entlassen und jeder Kleinunternehmer Aufträge schwuler Kunden hätte ablehnen können. Angesichts eines Proteststurms musste er einen halben Rückzieher machen, doch sein Profil war damit geschärft. Was letztlich dazu führte, dass ihm Trump 2016 die Kandidatur für die Vizepräsidentschaft antrug.
Richard Grenell, bis vor Kurzem Botschafter in Berlin, der seinem Gastland gern Lektionen erteilte, singt beim Parteitag ein Loblied auf das „America first“. Er habe in erster Reihe beobachten können, wie unnachgiebig Trump die Interessen seines Landes vertrete. „Ich habe gesehen, wie Präsident Trump die Kanzlerin Deutschlands umgarnte, während er darauf bestand, dass Deutschland seinen Nato-Verpflichtungen nachkommt“, sagt Grenell. Er wünschte, alle Amerikaner könnten miterleben, wie Trump in ihrem Namen verhandle.