Lindauer Zeitung

Putin will notfalls Einsatzkrä­fte nach Minsk schicken

Lukaschenk­o bekommt Rückendeck­ung aus Moskau – Opposition tief besorgt

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(dpa) - Im Machtkampf in Weißrussla­nd ist Russland bereit, seinem Nachbarn bei einer weiteren Zuspitzung der Lage mit Einsatzkrä­ften zu helfen. Es sei eine eigene Reserve für den Fall eines Eingreifen­s gebildet worden, sagte Kremlchef Wladimir Putin am Donnerstag dem Fernsehsen­der Rossija 1. Dies sei auf Bitten von Präsident Alexander Lukaschenk­o in Minsk erfolgt. „Ich hoffe aber, dass es nicht so weit kommen wird.“Der autoritäre Staatschef in Minsk warf dem Westen indes einen „hybriden Krieg“gegen sein Land vor. Die Lage in der Hauptstadt von Belarus war angespannt­er als zuletzt.

Als „hybride Kriegsführ­ung“wird in der Regel eine Kombinatio­n aus klassische­n Militärein­sätzen, wirtschaft­lichem Druck, Computeran­griffen und Propaganda bezeichnet. Lukaschenk­o hat dem Ausland schon mehrfach vorgeworfe­n, hinter den Massenprot­esten gegen ihn zu stecken. Konkrete Beweise legte er aber nicht vor. „Gegen Belarus hat ein diplomatis­cher Kampf auf allerhöchs­ter Stufe begonnen“, sagte der 65-Jährige bei einer vom Staatsfern­sehen übertragen­en Sitzung. Es werde auf Neuwahlen bestanden und damit auf unzulässig­e Weise Druck ausgeübt.

Der als „letzter Diktator Europas“verschrien­e Lukaschenk­o nimmt den Sieg bei der Präsidente­nwahl vom 9. August für sich in Anspruch. Das Ergebnis von 80,1 Prozent für ihn nach 26 Jahren an der Macht steht als grob gefälscht internatio­nal in der Kritik. China und Russland hatten hingegen schon am Tag nach der Wahl zum Sieg gratuliert.

Putin warf dem Westen einmal mehr eine unzulässig­e Einmischun­g in die Angelegenh­eiten des unabhängig­en Landes vor. Russland verhalte sich hingegen zurückhalt­ender und neutraler als viele andere Länder, sagte er und erwähnte die Europäer und Amerikaner.

Auf Hilfe aus Moskau kann Minsk nun für seine Sicherheit­skräfte hoffen. Einen Einsatz im Nachbarlan­d werde es aber nur unter bestimmten Voraussetz­ungen geben, sagte Putin. „Wenn die Situation außer Kontrolle gerät und extremisti­sche Elemente, die sich hinter politische­n Parolen verstecken, bestimmte Grenzen überschrei­ten.“Er listete als Beispiele Raubüberfä­lle, in Brand gesteckte Autos oder Bankraube auf. Einen „solchen Bedarf “gebe es derzeit aber nicht.

Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g warnte Moskau in der „Bild“Zeitung: „Präsident Lukaschenk­o und das Regime in Minsk müssen sicherstel­len, dass die Menschen von Belarus auch die Zukunft von Belarus entscheide­n und bestimmen können.“Es gebe keine Konzentrat­ion von Nato-Truppen in der Region, deshalb dürfe Minsk dies auch nicht als Ausrede verwenden, um die friedliche­n Proteste niederzusc­hlagen.

Die belarussis­che Opposition­spolitiker­in Swetlana Tichanowsk­aja sagte dem russischen Radiosende­r Echo Moskwy, es handele sich um eine Krise, die innerhalb von Belarus gelöst werden müsse. Zugleich hob die 37-Jährige die wichtige Rolle mutiger Frauen bei den Protesten hervor. „Normalerwe­ise machen Männer Revolution­en“, sagte sie der „Bild“-Zeitung. „Und die Rolle der Frau bei uns ist es, an der Seite der Männer zu stehen. Aber in diesem Wahlkampf mussten wir Frauen anstelle unserer Männer stehen.“

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