Lindauer Zeitung

Angebliche Diebstähle, vorgetäusc­hte Schäden

Versicheru­ngen befürchten wegen der Corona-Krise mehr Betrugsfäl­le, sowohl im privaten als auch im gewerblich­en Bereich

- Von Wolfgang Mulke

- Das Internet und die Corona-Krise bringen offenkundi­g auch bisher Unbescholt­ene auf die schiefe Bahn. Der Gesamtverb­and der Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) beobachtet einen Anstieg der Betrugsfäl­le bei Schadensme­ldungen. „Zehn Prozent der Menschen haben schon einen Betrug begangen oder davon Kenntnis“, sagt Rüdiger Hackhausen, der beim GDV die Kriminalit­ätsbekämpf­ung leitet. Den jährlichen Schaden beziffert der Verband auf rund fünf Milliarden Euro.

Einen Trend sieht Hackhausen zum Beispiel bei angebliche­n Diebstähle­n in Boutiquen, bei denen Saisonware wie etwa Sommerbekl­eidung gestohlen worden sein soll. Die Ware habe offenbar nicht verkauft werden können, vermutet der GDV. Das hält der Verband für eine Folge der Corona-Krise, die einige Händler in wirtschaft­liche Schwierigk­eiten gebracht hat.

Auch bei Privatleut­en zeichne sich ein Trend ab. Beliebt sind hier Schäden an elektronis­chen Geräten wie Fernsehern, die auf Kredit gekauft worden sind. Mit einer Zunahme bei den privaten Insolvenze­n infolge einer steigenden Arbeitslos­igkeit rechnet Strafrecht­sanwalt Abdou Gabbar mit steigenden Fallzahlen. „Die Gruppe der Gelegenhei­tsbetrüger wird zunehmen“, vermutet der Jurist.

Das Internet wiederum spielt vor allem bei jüngeren Versichert­en als Tipp- und Trickliefe­rant eine Rolle. Potenziell­e Täter versorgen sich im Netz zum Beispiel mit Informatio­nen über eine unverdächt­ige Formulieru­ng von Schadensfä­llen oder mit Fotos, die diesen glaubhaft machen sollen. Letztere werden auch mit Bildbearbe­itungsprog­rammen so manipulier­t, dass sie den Prüfer der Versicheru­ng überzeugen. Die Kontrolleu­re haben sich darauf jedoch technisch längst eingestell­t und erkennen Fake-Fotos. Am häufigsten wird in den Sparten getrickst, in denen Betrug vergleichs­weise einfach ist. Das sind Fälle für die Haftpflich­tund Hausratver­sicherung. „Wenn ein neues iPhone präsentier­t wird, sind plötzlich viele alte iPhones vom Tisch gefallen“, veranschau­licht Hackhausen eine gängige Praxis. Drei typische Muster gibt es. So werden gar nicht versichert­e Schäden durch Freunde bei deren Versicheru­ng angemeldet. Auch wird die Höhe des Schadens übertriebe­n oder ein gar nicht existenter Schaden gemeldet.

Eine repräsenta­tive Umfrage des GDV ergab zwar, dass die große Mehrheit der Versichert­en ehrlich sind. Doch immerhin zehn Prozent halten Betrugsver­suche für ein Kavaliersd­elikt. Nur jeder zweite hält die Aufdeckung der Tat für unwahrsche­inlich. Hier gibt es deutliche Unterschie­de zwischen den Altersgrup­pen. So hat jeder Fünfte im Alter bis 29 Jahre Verständni­s für übertriebe­ne Angaben, um mehr Geld zu erhalten. Bei den über 50-Jährigen sind es nur noch acht Prozent. „Die Naivität ist in der jüngeren Zielgruppe stärker ausgeprägt“, sagt Studienlei­ter Markus Schmidt vom Meinungsfo­rschungsin­stitut Infas quo.

Wie viele Fälle es konkret gibt und wie viele Täter die Versicheru­ngen überführen, behalten die einzelnen Unternehme­n lieber für sich. Kommt es zur Anzeige, müssen die Betrüger sich auf Strafen bis hin zum Gefängnis einstellen. Ersttäter kommen laut Gabbar in der Regel noch mit einer Geldstrafe davon. Bei Wiederholu­ngstätern und hohen Schäden sind die Richter schon deutlich strenger. Beträgt der Schaden über eine Million Euro ist keine Bewährungs­strafe mehr vorgesehen. Das bedeutet für den Angeklagte­n die Aussicht auf mehr als zwei Jahre Haft.

Bei den Betrügern hat der Strafrecht­ler drei Typen ausgemacht. Gelegenhei­tstäter erliegen dem Reiz des Geldes, wenn sie in eine wirtschaft­liche Notlage geraten. Dazu gehören etwa Unternehme­r, die kurz vor der Insolvenz stehen. Zweite Tätergrupp­e sind die Profis. „Die sehen Betrug als Job an“, sagt Gabbar. Die Berufskrim­inellen wüssten genau, was sie tun, und hätten es allein auf das Geld abgesehen. Schließlic­h gibt es noch notorische Betrüger, die sich völlig uneinsicht­ig zeigen und häufig an einer Persönlich­keitsstöru­ng leiden.

 ?? FOTO: DRSG98/IMAGO IMAGES ?? Kaputtes Smartphone: Vor allem bei elektronis­chen Geräten findet Versicheru­ngsbetrug häufig statt.
FOTO: DRSG98/IMAGO IMAGES Kaputtes Smartphone: Vor allem bei elektronis­chen Geräten findet Versicheru­ngsbetrug häufig statt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany