Zwischen Schnitzel und Schoßhund
Schau „Zum Fressen gern?“im Museum Oberschönenfeld zeigt Beziehungen von Mensch und Tier
(KNA) - Das Schlachterbeil in der einen Vitrine und das kronförmige Sitzkissen in der anderen trennen nur wenige Schritte – und doch Welten. Welten im Umgang des Menschen mit Tieren. Die einen macht er zum Schnitzel, die anderen zum Schoßhund. Mit dieser Spannweite befasst sich die aktuelle Sonderausstellung des Museums Oberschönenfeld in Gessertshausen bei Augsburg.
Aufgeteilt ist die Schau in drei Bereiche: Arbeitstiere, Lieblingstiere, Grenzgänger. Jede Etappe umfasst historische wie zeitgenössische Exponate – vom Kuschelbären über Hirschgemälde bis zur ausgestopften Schildkröte. Zudem gibt’s Fotos, Videos und Stationen zum Hören und Mitmachen. So können die Besucher auf einer Wand „tierische“Sprachausdrücke notieren. Schon Dutzende sind zusammengekommen – von Sauwetter bis pudelwohl. Diese Bandbreite der Tierzuschreibungen spiegelt sich auch in der Leitfrage der Präsentation: „Wir lieben und wir töten Tiere. Wie passt das zusammen?“
Seit Jahrhunderten, heißt es zu Beginn, nutzten Menschen Tiere für ihre Zwecke aus. Pferde und Kühe etwa, Hühner und Schafe. „Zur Steigerung von Effizienz und Ertrag passt der Mensch den Tierkörper oft auch an die Haltungsbedingungen an“, sagt Kuratorin Johanna Feige. Hörner würden entfernt, Schnäbel gekürzt. Feige deutet auf eine Spannzange, die dazu dient, enge Gummiringe um Schwänze zu legen, damit sie absterben und sich an ihnen kein Dreck mehr sammeln kann. Ziel: Infektionsvorbeugung.
Einen anderen Sinn hat die Viehblende einige Meter weiter. Das Lederobjekt setzten Metzger einst größeren Tieren auf, um sie vor dem Töten zu beruhigen. Natürlich nicht der Drossel oder dem Frosch – obwohl auch sie bei uns einst auf dem Teller landeten, wie Feige erklärt. „Oder der Biber. Den aß man früher in der Fastenzeit, weil man ihn wegen seiner Wasserlebensweise als Fisch gelten ließ.“Feige ergänzt: „Der Wandel in der Küche zeigt: Was wir essen, ist erlernt – und nicht naturgegeben.“
Geändert hat sich auch die Haltung von Tieren. Während Nutzvieh im 20. Jahrhundert aus der öffentlichen Wahrnehmung vom Bauernhof im Dorfkern in anonyme Großställe in der Peripherie verschwand, entwickelten sich fellige Mitbewohner zum Massenphänomen. Besonders Hunde und Katzen dienen heute als
Kind-Ersatz und Mode-Accessoire. Als Beleg zeigt die Ausstellung Strass-Halsbänder, einen rosa Plüschpullover für Kaum-HaarZüchtungen und einen Spazierwagen für Vierbeiner, in dem genauso gut ein Baby liegen könnte.
Wer sein Haustier wie ein Familienmitglied behandelt, will es natürlich auch würdevoll bestatten. Die Schau bietet dazu Urnen und Medaillons für die Asche von Bello und Konsorten auf, etwa mit PfötchenMotiv. Eine etwas andere Erinnerung an den tierischen Lebendzustand stellen Schulterpelze aus Marderfell dar, inklusive Gesicht und Gliedmaßen.
Aber halt: Was machen solche Pelze in der Abteilung Lieblingstier? Das ist doch Nutzvieh! Nun – schließt das eine das andere aus? Wird nicht auch ein strassverziertes Hündchen benutzt?
Insofern ist wohl die MenschTier-Beziehung nie ganz eindeutig zu benennen, das macht auch die letzte Abteilung zu den Grenzgängern klar. Dort geht es um Tiere, die des Menschen Linien zwischen Wild-, Nutz- und Haustier überschreiten. Ratten zum Beispiel, oft als Schädlinge verhasst. Die Besucher bekommen Giftspritzen und Wasserfallen gezeigt – und, wie sich selbst Ungeziefer noch gebrauchen lässt: zur Propaganda.
„Besonders seit dem Ersten Weltkrieg dienen Vergleiche mit ,schädlichen’ Tieren als Strategie politischer Kriegsführung sowie der Rechtfertigung von Unterdrückung und Gewalt“, erläutert Kuratorin Feige. Die Nazis hätten so ganze Bevölkerungsgruppen entmenschlicht.
Und was ist nun mit der Leitfrage? Wie kriegt der Mensch in sich das Lieben und Töten von Tieren vereint? Die Antwort muss jeder selbst geben. Die Schau informiert nüchtern, sie erhebt sich nicht zur Moralinstanz. Klar ist nur: Ob Schnitzel oder Schoßhund – beides ist Ausdruck menschlicher Macht über Tiere.
„Zum Fressen gern? Tiere und ihre Menschen“läuft bis 31. Januar 2021 im Museum Oberschönenfeld in Gessertshausen bei Augsburg. Öffnungszeiten: Di.-So. 10-17 Uhr. Weitere Infos unter mos.bezirk-schwaben.de