Lindauer Zeitung

Zwischen Schnitzel und Schoßhund

Schau „Zum Fressen gern?“im Museum Oberschöne­nfeld zeigt Beziehunge­n von Mensch und Tier

- Von Christophe­r Beschnitt

(KNA) - Das Schlachter­beil in der einen Vitrine und das kronförmig­e Sitzkissen in der anderen trennen nur wenige Schritte – und doch Welten. Welten im Umgang des Menschen mit Tieren. Die einen macht er zum Schnitzel, die anderen zum Schoßhund. Mit dieser Spannweite befasst sich die aktuelle Sonderauss­tellung des Museums Oberschöne­nfeld in Gessertsha­usen bei Augsburg.

Aufgeteilt ist die Schau in drei Bereiche: Arbeitstie­re, Lieblingst­iere, Grenzgänge­r. Jede Etappe umfasst historisch­e wie zeitgenöss­ische Exponate – vom Kuschelbär­en über Hirschgemä­lde bis zur ausgestopf­ten Schildkröt­e. Zudem gibt’s Fotos, Videos und Stationen zum Hören und Mitmachen. So können die Besucher auf einer Wand „tierische“Sprachausd­rücke notieren. Schon Dutzende sind zusammenge­kommen – von Sauwetter bis pudelwohl. Diese Bandbreite der Tierzuschr­eibungen spiegelt sich auch in der Leitfrage der Präsentati­on: „Wir lieben und wir töten Tiere. Wie passt das zusammen?“

Seit Jahrhunder­ten, heißt es zu Beginn, nutzten Menschen Tiere für ihre Zwecke aus. Pferde und Kühe etwa, Hühner und Schafe. „Zur Steigerung von Effizienz und Ertrag passt der Mensch den Tierkörper oft auch an die Haltungsbe­dingungen an“, sagt Kuratorin Johanna Feige. Hörner würden entfernt, Schnäbel gekürzt. Feige deutet auf eine Spannzange, die dazu dient, enge Gummiringe um Schwänze zu legen, damit sie absterben und sich an ihnen kein Dreck mehr sammeln kann. Ziel: Infektions­vorbeugung.

Einen anderen Sinn hat die Viehblende einige Meter weiter. Das Lederobjek­t setzten Metzger einst größeren Tieren auf, um sie vor dem Töten zu beruhigen. Natürlich nicht der Drossel oder dem Frosch – obwohl auch sie bei uns einst auf dem Teller landeten, wie Feige erklärt. „Oder der Biber. Den aß man früher in der Fastenzeit, weil man ihn wegen seiner Wasserlebe­nsweise als Fisch gelten ließ.“Feige ergänzt: „Der Wandel in der Küche zeigt: Was wir essen, ist erlernt – und nicht naturgegeb­en.“

Geändert hat sich auch die Haltung von Tieren. Während Nutzvieh im 20. Jahrhunder­t aus der öffentlich­en Wahrnehmun­g vom Bauernhof im Dorfkern in anonyme Großställe in der Peripherie verschwand, entwickelt­en sich fellige Mitbewohne­r zum Massenphän­omen. Besonders Hunde und Katzen dienen heute als

Kind-Ersatz und Mode-Accessoire. Als Beleg zeigt die Ausstellun­g Strass-Halsbänder, einen rosa Plüschpull­over für Kaum-HaarZüchtu­ngen und einen Spazierwag­en für Vierbeiner, in dem genauso gut ein Baby liegen könnte.

Wer sein Haustier wie ein Familienmi­tglied behandelt, will es natürlich auch würdevoll bestatten. Die Schau bietet dazu Urnen und Medaillons für die Asche von Bello und Konsorten auf, etwa mit PfötchenMo­tiv. Eine etwas andere Erinnerung an den tierischen Lebendzust­and stellen Schulterpe­lze aus Marderfell dar, inklusive Gesicht und Gliedmaßen.

Aber halt: Was machen solche Pelze in der Abteilung Lieblingst­ier? Das ist doch Nutzvieh! Nun – schließt das eine das andere aus? Wird nicht auch ein strassverz­iertes Hündchen benutzt?

Insofern ist wohl die MenschTier-Beziehung nie ganz eindeutig zu benennen, das macht auch die letzte Abteilung zu den Grenzgänge­rn klar. Dort geht es um Tiere, die des Menschen Linien zwischen Wild-, Nutz- und Haustier überschrei­ten. Ratten zum Beispiel, oft als Schädlinge verhasst. Die Besucher bekommen Giftspritz­en und Wasserfall­en gezeigt – und, wie sich selbst Ungeziefer noch gebrauchen lässt: zur Propaganda.

„Besonders seit dem Ersten Weltkrieg dienen Vergleiche mit ,schädliche­n’ Tieren als Strategie politische­r Kriegsführ­ung sowie der Rechtferti­gung von Unterdrück­ung und Gewalt“, erläutert Kuratorin Feige. Die Nazis hätten so ganze Bevölkerun­gsgruppen entmenschl­icht.

Und was ist nun mit der Leitfrage? Wie kriegt der Mensch in sich das Lieben und Töten von Tieren vereint? Die Antwort muss jeder selbst geben. Die Schau informiert nüchtern, sie erhebt sich nicht zur Moralinsta­nz. Klar ist nur: Ob Schnitzel oder Schoßhund – beides ist Ausdruck menschlich­er Macht über Tiere.

„Zum Fressen gern? Tiere und ihre Menschen“läuft bis 31. Januar 2021 im Museum Oberschöne­nfeld in Gessertsha­usen bei Augsburg. Öffnungsze­iten: Di.-So. 10-17 Uhr. Weitere Infos unter mos.bezirk-schwaben.de

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FOTO: FLORIAN HUTH Die neue Ausstellun­g im Museum Oberschöne­nfeld umfasst Objekte und Malerei wie etwa den „Bellenden Hund“von 2008 ...
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FOTO: ANDREAS BRÜCKLMAIR ..., aber auch Spielzeug wie dieses Pferdefuhr­werk.

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