Lindauer Zeitung

Es gibt noch viel zu tun

Vor fünf Jahren fiel Angela Merkels legendärer Satz „Wir schaffen das“

- Von Stefan Binzer

- „Wir schaffen das“: Mit diesem inzwischen legendären Satz hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel vor fünf Jahren die Republik auf die Mammutaufg­abe der Unterbring­ung und Integratio­n von Millionen von Flüchtling­en eingestimm­t. Und, haben wir das geschafft? Diese Frage stellten wir den Allgäuer Städten und Landkreise­n sowie einigen ehrenamtli­chen Helfern in den Asylkreise­n. Die Antworten unterschei­den sich im Detail. Dennoch beinhalten sie alle eine Grundaussa­ge: Die Aufgabe ist zwar vorerst einigermaß­en bewältigt, aber noch lange nicht endgültig geschafft. Denn das Kümmern um Flüchtling­e geht weiter. „Es gibt noch viel zu tun“, sagt zum Beispiel Christel Chott vom Asylhelfer­kreis Memmingerb­erg (Kreis Unterallgä­u).

Wie viele Flüchtling­e seit dem Spätsommer 2015 das Allgäu aufgenomme­n hat, ist konkret nicht zu ermitteln, weil es immer wieder

Zu- und Abgänge gab, erläutert Eva Büchele vom Landratsam­t Unterallgä­u. Außerdem ist Ferienzeit und deshalb sind viele Ämter, die Auskunft geben könnten, nicht mit den zuständige­n Sachbearbe­itern besetzt. Aber grob gerechnet dürften es weit über 10 000 Flüchtling­e sein.

Ein paar Beispiele: Seit Ende Juli 2015 hat der Landkreis Oberallgäu 2038 Menschen aufgenomme­n, die einen Asylantrag gestellt haben. Seither wurden 1281 Bewerber anerkannt. Derzeit laufen 270 Asylverfah­ren. In der Hochphase der Flüchtling­sbewegung wurden die Menschen im Oberallgäu in 56 Unterkünft­en untergebra­cht. Heute sind es noch 38, in denen 742 Menschen leben.

Genaue Zahlen liefert die Stadt Memmingen. Dort wurden seit dem Spätsommer 2015 insgesamt 1058 Flüchtling­e aufgenomme­n. Nimmt man zum Vergleich die Daten von 2013 und 2014 hinzu, waren es in den vergangene­n acht Jahren 1313 Aufnahmen (siehe Grafik) . Derzeit sind in der Stadt 185 Personen untergebra­cht, 133 davon in städtische­n Gebäuden und 52 in staatliche­n Gemeinscha­ftsunterkü­nften der Regierung von Schwaben.

In der Stadt Kaufbeuren sieht es so aus: Etwa 700 Flüchtling­e und Asylbewerb­er leben derzeit entweder in Privatwohn­ungen oder einer größeren Unterkunft. Die entspreche­nde Zahl für den Landkreis Unterallgä­u lautet 950. Das bedeutet, dass derzeit gut die Hälfte der Plätze belegt ist.

Als Merkel ihren viel zitierten Satz sagte, war die Lage vor Ort zum Teil dramatisch: Städte und Landkreise wussten anfangs nicht wohin mit den Flüchtling­en. Als Notlösung baute dann zum Beispiel die Unterallgä­uer Wohnbauges­ellschaft in Trunkelsbe­rg eine Unterkunft für 70 Flüchtling­e. Die Gebäude wurden 2016 bezogen, waren aber nie ganz belegt. Heute leben dort meist Flüchtling­sfamilien, zusammen etwa 40 Menschen. Wenn diese Unterkünft­e nicht mehr als Flüchtling­sheime benötigt werden, kann sie die Gemeinde für Sozialwohn­ungen nutzen, berichtet Bürgermeis­ter Roman Albrecht. Seine Stellvertr­eterin Evi Keller sagt über die derzeitige Flüchtling­ssituation in Trunkelsbe­rg: „Es läuft zwar gut, aber geschafft haben wir es noch lange nicht.“

Weniger gut läuft es dagegen im nur zwei Kilometer entfernten Memmingerb­erg. Dort kommt es im Asylheim auf dem Gelände des Allgäu Airports immer wieder zu Körperverl­etzungen und Drogendeli­kten. Bei den Bewohnern handelt es sich fast ausschließ­lich um alleinsteh­ende junge Männer. Verschärft wird die Lage noch, weil seit über einem halben Jahr die Stelle des Asylberate­rs nicht besetzt ist.

Da hat es Kaufbeuren besser. Günter Kamleiter, Sprecher des Arbeitskre­ises Asyl, ist froh, dass es seit vier Jahren eine hauptamtli­che „Integratio­nslotsin“und viele ehrenamtli­che Helfer gibt. Deshalb sagt er auch: „Wir haben es geschafft.“Aber bei der Integratio­n sei man noch mittendrin.

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