Stand-up-Paddler halten Retter in Atem
Viele Wassersportler missachten die Regeln auf dem Bodensee – Herrenlose SUP-Bretter lösen Einsätze aus
- Stehpaddeln, auf Englisch Stand-up-Paddling (SUP), liegt im Trend. Auch am Bodensee nutzen immer mehr Menschen diese Möglichkeit, um Entspannung zu finden, Sport zu machen oder den See bei einer Tour zu erkunden. Dank Sonderangeboten von Discountern gibt es aufblasbare Bretter inzwischen zu recht erschwinglichen Preisen. Doch das führt auch zu Problemen, denn längst nicht jeder kennt die Regeln, die auf dem Bodensee gelten.
Diesen Sommer gab es bereits mehrere größere Sucheinsätze, weil dem Notruf zumindest vermeintlich herrenlose SUP-Bretter gemeldet worden sind. Wie stark der Anteil solcher Einsätze steigt, kann die Wasserschutzpolizei erst am Jahresende sagen, wenn die Statistik zusammengeführt wird. „Erkennbar ist aber auf jeden Fall ein starker Trend in diese Richtung“, sagt Michael Behrendt, Leiter der Wasserschutzpolizeistation Friedrichshafen. Nach dem tödlichen Badeunfall eines Stehpaddlers bei Manzell sind die Beamten verstärkt auf dem See unterwegs, um gezielt Stand-up-Paddler anzusprechen. „Uns geht es darum, die Leute zu sensibilisieren und aufzuklären, damit unnötige Einsätze vermieden werden und insbesondere die Anzahl der Unfälle in diesem Segment nicht signifikant ansteigt“, sagt er.
Bei ihren Kontrollen messen die Polizisten zum Beispiel den Abstand der Paddler zum Ufer. Paddler sind ab einer Entfernung von bis zu 300 Metern vom Ufer verpflichtet, eine Rettungsweste dabei zu haben. Auf dem Wasser sei es aber schwierig, Entfernungen richtig einzuschätzen. Deshalb sei es sinnvoll, generell eine Weste zu tragen, „im eigenen Sicherheitsinteresse“, rät Behrendt von der Wasserschutzpolizei.
„Ganz wichtig ist außerdem, das Brett mit Name, Adresse und Telefonnummer zu beschriften“, sagt Behrendt: „Uns ist viel geholfen, wenn wir schnell abklären können, ob jemand vermisst wird, wenn ein herrenloses Brett am Strand oder auf dem Wasser gefunden wird.“Unter Umständen könne mit einem Anruf geklärt werden, ob eine Person vermisst wird und ein Sucheinsatz gestartet werden muss, weil von einem Seenotfall auszugehen ist. „Unnötige Einsätze können dadurch auch vermieden werden“, sagt er.
Eine Einweisung, ein Kurs oder eine Art Führerschein sind für Wassersportler wie Stehpaddler nicht verpflichtend. Die Wasserschutzpolizei macht laut Behrendt bei ihren Kontrollen
die Erfahrung, dass viele Paddler die Regeln überhaupt nicht kennen. Sie paddeln ohne Rettungsweste, sind teilweise weit außerhalb der 300-Meter-Zone unterwegs, und oft ist das Brett nicht beschriftet. „Es sollte eigentlich jedem bewusst sein, dass der Bodensee kein Badesee, sondern ein Schifffahrtsgewässer ist, auf welchem nun mal aus gutem Grund Regularien gelten“, sagt er. Darüber müsse man sich informieren, bevor man loslege. „Das gilt auch für Urlauber“, sagt er.
„Viele unterschätzen die Gefahr“, sagt Rudi Krafcsik, Vorsitzender der DLRG Friedrichshafen. „Sie fahren weit raus, sind überhitzt, wollen sich abkühlen und springen direkt ins Wasser.“Die schnellen Wetterwechsel, die für den Bodensee typisch sind, seien ebenfalls gefährlich. Es könne leicht passieren, dass ein ablandiger Wind aufkomme, der solch ein Paddelbrett schnell abtreibe. Dann wieder an Land zu kommen, koste sehr viel Kraft. „Viele kennen sich damit nicht aus, es kommt immer wieder vor, dass Leute deshalb in Seenot geraten“, sagt er. Die Lebensretter beobachten außerdem, dass sich dieses Jahr viel mehr Badegäste am Ufer des Bodensees tummeln. Es seien viele Nichtschwimmer dabei, berichtet Krafcsik.
Auch die Freiwilligen Feuerwehren der an den See grenzenden Gemeinden sind immer im Einsatz, wenn ein Mensch auf dem Wasser vermisst wird oder in eine Notlage gerät. „Es geht dann immer um ein Menschenleben, und da zählt jede Sekunde“, erklärt Martin Scheerer, Kreisfeuerwehrsprecher. Darum würde nicht nur eine Feuerwehr bei Alarm ausrücken, sondern gleich mehrere, um „schnell und massiv Hilfe zu gewähren“. „Mehrere Boote auf dem Wasser zu haben ist in diesen Fällen immer besser als eines alleine“, so Scheerer. Die Feuerwehren würden alle eng zusammenarbeiten.
Natürlich seien die Einsatzkräfte aber immer froh um jeden Einzelnen, der nicht gerettet werden muss. Auch wenn ein Fehlalarm mühsam sei, so Scheerer: „Die ganze Maschinerie kommt in Gang, die freiwilligen Feuerwehrleute müssen von der Arbeit geholt werden, und dann rücken wir aus. Und manchmal ist es eine Gedankenlosigkeit, warum ein Brett auf dem Wasser treibt und den Alarm ausgelöst hat.“
Den Feuerwehren würde es helfen, wenn Stand-up-Paddleboards,
Surfbretter und kleine Segelboote an Land gut gesichert werden, sodass sie nicht beispielsweise vom Wind auf das Wasser getrieben werden können, sagt der Kreisfeuerwehrsprecher. „Sehr sinnvoll ist außerdem eine klare Kennzeichnung mit Kontaktdaten des Besitzers.“
Dass die Zahl der Stehpaddler massiv steigt, viele aber nicht wissen, wie sie sich auf dem See zu verhalten haben, beobachtet auch Christoph Lotzmann. Er ist Ansprechpartner für Stand-up-Paddling in der Abteilung Kanusport des VfB Friedrichshafen. Die Nachfrage nach Kursen sei hoch, allerdings dürfe der Verein wegen Corona nur Mitglieder trainieren. „Es ist schön, dass der Sport so boomt, aber das hat zwei Seiten“, sagt er.
Einerseits fühle es sich an wie Spazierengehen, andererseits berge der Wassersport Gefahren. „Es fehlt an Aufklärungsarbeit“, sagt er. Dazu gehöre das Wissen um die Regeln, die auf dem Bodensee gelten, aber auch das Wissen um die richtige Handhabung des Bretts.
Wenn er einen Anfängerkurs gibt, steht zuerst eine Theorieeinheit auf dem Plan. Im Praxisteil lernen die Teilnehmer unter anderem solch grundlegende Dinge, wie auf das Brett zu kommen, wenn sie mal ins Wasser fallen oder wie sie geradeaus fahren.
Diese Regeln gelten auf dem Bodensee:
Neben der wasserfesten Beschriftung des Paddelbretts mit Name und Telefonnummer und dem Mitführen einer Rettungsweste außerhalb der 300-Meter-Zone gelten noch weitere Regeln. Weil ein SUP-Brett als Wasserfahrzeug gilt, gelten auch für Stehpaddler die Vorschriften der Verordnung über die Schifffahrt auf dem Bodensee. Dazu gehört, dass Fähren und Kursschiffe mit grünem Ball und Berufsfischer mit weißem Ball Vorrang haben. „Abgesehen davon gilt die Regel, dass der Schwächste Vorfahrt hat, zum Beispiel ein Ruderboot vor einem Motorboot“, sagt Michael Behrendt von der Wasserschutzpolizeistation Friedrichshafen. Außerdem müssen Hafeneinfahrten und Landestellen für Fahrgastschiffe freigehalten und Naturschutzgebiete gemieden werden.