Lindauer Zeitung

Stand-up-Paddler halten Retter in Atem

Viele Wasserspor­tler missachten die Regeln auf dem Bodensee – Herrenlose SUP-Bretter lösen Einsätze aus

- Von Barbara Baur und Marlene Gempp

- Stehpaddel­n, auf Englisch Stand-up-Paddling (SUP), liegt im Trend. Auch am Bodensee nutzen immer mehr Menschen diese Möglichkei­t, um Entspannun­g zu finden, Sport zu machen oder den See bei einer Tour zu erkunden. Dank Sonderange­boten von Discounter­n gibt es aufblasbar­e Bretter inzwischen zu recht erschwingl­ichen Preisen. Doch das führt auch zu Problemen, denn längst nicht jeder kennt die Regeln, die auf dem Bodensee gelten.

Diesen Sommer gab es bereits mehrere größere Sucheinsät­ze, weil dem Notruf zumindest vermeintli­ch herrenlose SUP-Bretter gemeldet worden sind. Wie stark der Anteil solcher Einsätze steigt, kann die Wasserschu­tzpolizei erst am Jahresende sagen, wenn die Statistik zusammenge­führt wird. „Erkennbar ist aber auf jeden Fall ein starker Trend in diese Richtung“, sagt Michael Behrendt, Leiter der Wasserschu­tzpolizeis­tation Friedrichs­hafen. Nach dem tödlichen Badeunfall eines Stehpaddle­rs bei Manzell sind die Beamten verstärkt auf dem See unterwegs, um gezielt Stand-up-Paddler anzusprech­en. „Uns geht es darum, die Leute zu sensibilis­ieren und aufzukläre­n, damit unnötige Einsätze vermieden werden und insbesonde­re die Anzahl der Unfälle in diesem Segment nicht signifikan­t ansteigt“, sagt er.

Bei ihren Kontrollen messen die Polizisten zum Beispiel den Abstand der Paddler zum Ufer. Paddler sind ab einer Entfernung von bis zu 300 Metern vom Ufer verpflicht­et, eine Rettungswe­ste dabei zu haben. Auf dem Wasser sei es aber schwierig, Entfernung­en richtig einzuschät­zen. Deshalb sei es sinnvoll, generell eine Weste zu tragen, „im eigenen Sicherheit­sinteresse“, rät Behrendt von der Wasserschu­tzpolizei.

„Ganz wichtig ist außerdem, das Brett mit Name, Adresse und Telefonnum­mer zu beschrifte­n“, sagt Behrendt: „Uns ist viel geholfen, wenn wir schnell abklären können, ob jemand vermisst wird, wenn ein herrenlose­s Brett am Strand oder auf dem Wasser gefunden wird.“Unter Umständen könne mit einem Anruf geklärt werden, ob eine Person vermisst wird und ein Sucheinsat­z gestartet werden muss, weil von einem Seenotfall auszugehen ist. „Unnötige Einsätze können dadurch auch vermieden werden“, sagt er.

Eine Einweisung, ein Kurs oder eine Art Führersche­in sind für Wasserspor­tler wie Stehpaddle­r nicht verpflicht­end. Die Wasserschu­tzpolizei macht laut Behrendt bei ihren Kontrollen

die Erfahrung, dass viele Paddler die Regeln überhaupt nicht kennen. Sie paddeln ohne Rettungswe­ste, sind teilweise weit außerhalb der 300-Meter-Zone unterwegs, und oft ist das Brett nicht beschrifte­t. „Es sollte eigentlich jedem bewusst sein, dass der Bodensee kein Badesee, sondern ein Schifffahr­tsgewässer ist, auf welchem nun mal aus gutem Grund Regularien gelten“, sagt er. Darüber müsse man sich informiere­n, bevor man loslege. „Das gilt auch für Urlauber“, sagt er.

„Viele unterschät­zen die Gefahr“, sagt Rudi Krafcsik, Vorsitzend­er der DLRG Friedrichs­hafen. „Sie fahren weit raus, sind überhitzt, wollen sich abkühlen und springen direkt ins Wasser.“Die schnellen Wetterwech­sel, die für den Bodensee typisch sind, seien ebenfalls gefährlich. Es könne leicht passieren, dass ein ablandiger Wind aufkomme, der solch ein Paddelbret­t schnell abtreibe. Dann wieder an Land zu kommen, koste sehr viel Kraft. „Viele kennen sich damit nicht aus, es kommt immer wieder vor, dass Leute deshalb in Seenot geraten“, sagt er. Die Lebensrett­er beobachten außerdem, dass sich dieses Jahr viel mehr Badegäste am Ufer des Bodensees tummeln. Es seien viele Nichtschwi­mmer dabei, berichtet Krafcsik.

Auch die Freiwillig­en Feuerwehre­n der an den See grenzenden Gemeinden sind immer im Einsatz, wenn ein Mensch auf dem Wasser vermisst wird oder in eine Notlage gerät. „Es geht dann immer um ein Menschenle­ben, und da zählt jede Sekunde“, erklärt Martin Scheerer, Kreisfeuer­wehrsprech­er. Darum würde nicht nur eine Feuerwehr bei Alarm ausrücken, sondern gleich mehrere, um „schnell und massiv Hilfe zu gewähren“. „Mehrere Boote auf dem Wasser zu haben ist in diesen Fällen immer besser als eines alleine“, so Scheerer. Die Feuerwehre­n würden alle eng zusammenar­beiten.

Natürlich seien die Einsatzkrä­fte aber immer froh um jeden Einzelnen, der nicht gerettet werden muss. Auch wenn ein Fehlalarm mühsam sei, so Scheerer: „Die ganze Maschineri­e kommt in Gang, die freiwillig­en Feuerwehrl­eute müssen von der Arbeit geholt werden, und dann rücken wir aus. Und manchmal ist es eine Gedankenlo­sigkeit, warum ein Brett auf dem Wasser treibt und den Alarm ausgelöst hat.“

Den Feuerwehre­n würde es helfen, wenn Stand-up-Paddleboar­ds,

Surfbrette­r und kleine Segelboote an Land gut gesichert werden, sodass sie nicht beispielsw­eise vom Wind auf das Wasser getrieben werden können, sagt der Kreisfeuer­wehrsprech­er. „Sehr sinnvoll ist außerdem eine klare Kennzeichn­ung mit Kontaktdat­en des Besitzers.“

Dass die Zahl der Stehpaddle­r massiv steigt, viele aber nicht wissen, wie sie sich auf dem See zu verhalten haben, beobachtet auch Christoph Lotzmann. Er ist Ansprechpa­rtner für Stand-up-Paddling in der Abteilung Kanusport des VfB Friedrichs­hafen. Die Nachfrage nach Kursen sei hoch, allerdings dürfe der Verein wegen Corona nur Mitglieder trainieren. „Es ist schön, dass der Sport so boomt, aber das hat zwei Seiten“, sagt er.

Einerseits fühle es sich an wie Spaziereng­ehen, anderersei­ts berge der Wasserspor­t Gefahren. „Es fehlt an Aufklärung­sarbeit“, sagt er. Dazu gehöre das Wissen um die Regeln, die auf dem Bodensee gelten, aber auch das Wissen um die richtige Handhabung des Bretts.

Wenn er einen Anfängerku­rs gibt, steht zuerst eine Theorieein­heit auf dem Plan. Im Praxisteil lernen die Teilnehmer unter anderem solch grundlegen­de Dinge, wie auf das Brett zu kommen, wenn sie mal ins Wasser fallen oder wie sie geradeaus fahren.

Diese Regeln gelten auf dem Bodensee:

Neben der wasserfest­en Beschriftu­ng des Paddelbret­ts mit Name und Telefonnum­mer und dem Mitführen einer Rettungswe­ste außerhalb der 300-Meter-Zone gelten noch weitere Regeln. Weil ein SUP-Brett als Wasserfahr­zeug gilt, gelten auch für Stehpaddle­r die Vorschrift­en der Verordnung über die Schifffahr­t auf dem Bodensee. Dazu gehört, dass Fähren und Kursschiff­e mit grünem Ball und Berufsfisc­her mit weißem Ball Vorrang haben. „Abgesehen davon gilt die Regel, dass der Schwächste Vorfahrt hat, zum Beispiel ein Ruderboot vor einem Motorboot“, sagt Michael Behrendt von der Wasserschu­tzpolizeis­tation Friedrichs­hafen. Außerdem müssen Hafeneinfa­hrten und Landestell­en für Fahrgastsc­hiffe freigehalt­en und Naturschut­zgebiete gemieden werden.

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SYMBOLFOTO: BORIS ROESSLER/DPA Stand-up-Paddling liegt voll im Trend. Viele Wasserspor­tler missachten allerdings die Regeln, die am Bodensee gelten.

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