Alarmstufe Rot bei der Tour
Angesichts steigender Infektionszahlen wachsen die Zweifel an der Frankreich-Rundfahrt
(dpa) - Pünktlich zum Start der 107. Tour de France am Samstag herrscht in Nizza Alarmstufe Rot. Nachdem die Corona-Infektionen dramatisch angestiegen sind, haben die Behörden die Maßnahmen verschärft. Die ersten beiden Etappen in und um Nizza werden nun „fast hinter verschlossenen Türen“stattfinden, kündigte Bernard Gonzalez als Präfekt der Alpes-Maritimes-Region an.
So herrscht eine bizarre Szenerie. Auf der berühmten Promenade des Anglais von Nizza ist Gelb die vorherrschende Farbe. Auf den ersten Blick ist alles wie immer vor dem Grand Départ. Doch auf den Straßen tragen die Menschen indes Schutzmasken, die in Nizza seit geraumer Zeit Pflicht sind. So sieht es aus, wenn eine Frankreich-Rundfahrt in einem Corona-Risikogebiet beginnt.
Es wird eine Reise ins Ungewisse. Ob die Tour tatsächlich nach 3484,2 Kilometern die Hauptstadt Paris – für die es laut Robert-Koch-Institut übrigens auch eine Reisewarnung gibt – erreichen wird, ist mehr als fraglich. „Das schwebt wie ein Damoklesschwert über uns, dass jeder Tag der letzte sein kann“, sagt der viermalige Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin.
Dem Routinier, der zum zwölften Mal beim Grand Départ dabei ist, sind die steigenden Infektionszahlen nicht entgangen. Kurz vor dem Start wurde ein Höchstwert von der französischen Gesundheitsbehörde registriert. Mehr als 5000 Neuinfektionen in Frankreich an einem Tag. Das Gebiet wurde am Donnerstag neben 18 weiteren Départements als rote Zone eingestuft. Das heißt, dass dort eine erhöhte Ansteckungsgefahr herrscht. Dass Zuschauer – wenn auch limitiert – während der Tour überhaupt am Straßenrand stehen dürfen, kann
Martin nicht verstehen: „Lieber eine Tour ohne Zuschauer als gar keine Tour.“
Aber die Tour ist französisches Nationalheiligtum. Und da gehört das Publikum nun einmal dazu. „Eine Tour hinter verschlossenen Türen macht keinen Sinn“, sagt Tour-Chef Christian Prudhomme. Doch macht eine Tour in Krisenzeiten überhaupt Sinn? Für Experten wie Pharmakologe Fritz Sörgel ein unverantwortliches Unterfangen, für die arg gebeutelten Radteams indes eine fast schon existenzielle Notwendigkeit. 70 Prozent des Jahresetats werden durch die Tour generiert.
Dafür nehmen die Mannschaften auch ein striktes Corona-Maßnahmenkonzept auf sich. In einer eigenen Blase werden die Fahrer und ihre unmittelbare Entourage von der Außenwelt abgeschottet, müssen quasi außerhalb des Rennens überall Masken tragen und sich zweimal vor der Tour sowie an den Ruhetagen CoronaTests unterziehen. Knifflig wird es, wenn innerhalb einer Woche in einem Team zwei Kontrollen positiv sind. Dann soll der ganze Rennstall ausgeschlossen werden.