Weckruf für die Demokraten
Extremisten zeichnen sich dadurch aus, dass sie unseren Verfassungsstaat ablehnen und ihn beseitigen oder einschränken wollen. Dabei ist zweitrangig, ob der Extremist Reichs- oder Regenbogenflagge trägt. Auch wer den Extremismusvorwurf empört von sich weist und unablässig von Liebe und Frieden redet, kann Extremist sein.
„Querdenken“-Gründer Michael Ballweg hat sich zwar von den Reichsflaggenträgern distanziert, die am Samstag beinahe den Bundestag stürmten: Doch er rief, wenn auch mit sanfterer Stimme als die „Putin“-Rufer vor der russischen Botschaft, am Samstag zur umgehenden Abdankung der gewählten Bundesregierung auf. Damit hat er sich als Dialogpartner für den wichtigen demokratischen Diskurs über den Umgang mit der Corona-Pandemie disqualifiziert.
So bunt die Demonstrationen am Samstag waren, eint sie doch eines: Sie hatten kein Problem damit, abstandslos mit Extremisten die Straße zu teilen. Impfgegner, Friedensbewegte und „Reichsbürger“vereint das grundsätzliche Misstrauen und Unbehagen gegenüber dem Staat und seinen Regeln. Und sie fordern Dinge ein, die sie gleichzeitig mit Füßen treten: Sie sprechen von Meinungsfreiheit und behindern Journalisten. Sie bestehen auf ihr Demonstrationsrecht, pfeifen aber auf richterliche Vorgaben. Sie wollen einen souveränen Staat, beschimpfen aber dessen Polizisten. Sie reden vom Querdenken, blenden aber alles aus, was ihr betoniertes Weltbild ins Wanken bringen könnte. Sie wähnen überall finstere Geheimbünde, stören sich aber nicht an offenen Allianzen mit Rechtsextremisten.
Es war ein Fehler der Polizei, den Bundestag nur unzureichend zu schützen. Doch dieser Fehler zeigt eines überdeutlich: dass die Feinde der Demokratie jede Schwäche unseres Staates auszunutzen bereit sind. Für die Demokraten ist der Samstag ein Weckruf. Auch für jene, die mit Extremisten mitgelaufen sind, weil sie sich bisher zu wenig gehört fühlten. Für die Demokraten gilt, was die „Querdenker“immer wieder postulieren: Es ist Zeit, aufzuwachen.