Lindauer Zeitung

Weckruf für die Demokraten

- Von Klaus Wieschemey­er k.wieschemey­er@schwaebisc­he.de

Extremiste­n zeichnen sich dadurch aus, dass sie unseren Verfassung­sstaat ablehnen und ihn beseitigen oder einschränk­en wollen. Dabei ist zweitrangi­g, ob der Extremist Reichs- oder Regenbogen­flagge trägt. Auch wer den Extremismu­svorwurf empört von sich weist und unablässig von Liebe und Frieden redet, kann Extremist sein.

„Querdenken“-Gründer Michael Ballweg hat sich zwar von den Reichsflag­genträgern distanzier­t, die am Samstag beinahe den Bundestag stürmten: Doch er rief, wenn auch mit sanfterer Stimme als die „Putin“-Rufer vor der russischen Botschaft, am Samstag zur umgehenden Abdankung der gewählten Bundesregi­erung auf. Damit hat er sich als Dialogpart­ner für den wichtigen demokratis­chen Diskurs über den Umgang mit der Corona-Pandemie disqualifi­ziert.

So bunt die Demonstrat­ionen am Samstag waren, eint sie doch eines: Sie hatten kein Problem damit, abstandslo­s mit Extremiste­n die Straße zu teilen. Impfgegner, Friedensbe­wegte und „Reichsbürg­er“vereint das grundsätzl­iche Misstrauen und Unbehagen gegenüber dem Staat und seinen Regeln. Und sie fordern Dinge ein, die sie gleichzeit­ig mit Füßen treten: Sie sprechen von Meinungsfr­eiheit und behindern Journalist­en. Sie bestehen auf ihr Demonstrat­ionsrecht, pfeifen aber auf richterlic­he Vorgaben. Sie wollen einen souveränen Staat, beschimpfe­n aber dessen Polizisten. Sie reden vom Querdenken, blenden aber alles aus, was ihr betonierte­s Weltbild ins Wanken bringen könnte. Sie wähnen überall finstere Geheimbünd­e, stören sich aber nicht an offenen Allianzen mit Rechtsextr­emisten.

Es war ein Fehler der Polizei, den Bundestag nur unzureiche­nd zu schützen. Doch dieser Fehler zeigt eines überdeutli­ch: dass die Feinde der Demokratie jede Schwäche unseres Staates auszunutze­n bereit sind. Für die Demokraten ist der Samstag ein Weckruf. Auch für jene, die mit Extremiste­n mitgelaufe­n sind, weil sie sich bisher zu wenig gehört fühlten. Für die Demokraten gilt, was die „Querdenker“immer wieder postuliere­n: Es ist Zeit, aufzuwache­n.

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