Lindauerin spendet Blutplasma für Corona-Medizin
Marion Strutz war eine der ersten Infizierten in Lindau – Jetzt will sie anderen helfen
- Ein kleiner Punkt in der Armbeuge ist für Marion Strutz das Symbol, dass sie Teil von etwas Großem ist. Die Lindauerin war im März mit dem Coronavirus infiziert, jetzt spendet sie ihr Blutplasma der Forschung. Einer ganzen Allianz von Forschern: Denn statt in den Wettstreit zu treten, haben sich zehn Pharmafirmen auf der ganzen Welt zusammengeschlossen, um ein Medikament gegen Corona zu entwickeln.
„Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt Verantwortung habe“, sagt Marion Strutz, „ich finde es wichtig, jetzt anderen zu helfen.“Die 33-Jährige war eine der ersten Infizierten aus Lindau. Sie glaubt, dass sie sich am Flughafen von Teneriffa angesteckt hat, als sie Mitte März auf ihren Flieger zurück nach Deutschland wartete.
An einen Test zu kommen, war gar nicht so einfach, denn die 33-Jährige hatte nicht die Symptome, die das Robert-Koch-Institut damals für eine Corona-Infektion definierte. „Ich war matt und abgeschlagen, hatte ein bisschen Halskratzen“, erinnert sie sich. Trotzdem war sie davon überzeugt, dass sie sich infiziert hatte – und hatte recht. Ein Antikörpertest, den sie sich auf eigene Faust besorgt hatte, zeigte, dass ihre Immunabwehr gegen das Coronavirus kämpfte. Sie bekam letztendlich doch einen Corona-Test, er war positiv.
An die Zeit der Infektion erinnert sie sich noch gut: an die Ungewissheit während der Quarantäne, an die
Angst vor einem schweren Verlauf der Krankheit. Davon sei sie zum Glück verschont geblieben. „Aber ich kenne viele Leute, die Probleme hatten“, sagt sie. Und trotz des leichten Verlaufs ihrer Infektion fühle sie sich heute, Monate später, noch immer sehr abgeschlagen. „Ich habe früher jeden Tag Sport gemacht, jetzt muss ich mich regelrecht zwingen. Ich kann mich einfach viel schwerer aufraffen.“
Schon im Mai hat sich Marion Strutz auf die Suche gemacht nach einer Möglichkeit, ihre Antikörper der Forschung zur Verfügung zu stellen. Sie stieß auf die Firma CSL-Behring, die bereits im Frühjahr ein großes Projekt gestartet hatte: eine „Plasma-Allianz“von Firmen auf der ganzen Welt. Die Konkurrenten verfolgen nun ein gemeinsames Ziel: Ein Medikament gegen das neuartige Virus. Im Podcast „Healthcare Pioneers“spricht Dr. Lutz Bonacker, Geschäftsführer von CSL Behring, über das Projekt. „Covid 19 betrifft uns alle“, sagt er. „Wir als Firma haben uns überlegt: Wie können wir schnell und effizient helfen?“
Schnell sei klar gewesen: wenn alle zusammenarbeiten. Denn der Rohstoff für das Medikament sind Antikörper. Viele Antikörper von Menschen, die eine Corona-Infektion bereits überstanden haben. „Antikörper gegen das Covid-19-Virus im Plasma können das Virus ,neutralisieren’ und entweder verhindern, dass sich das Virus im Körper verbreitet, festsetzt und Krankheiten verursacht“, schreibt Unternehmenssprecherin Stephanie Fuchs „oder das Virus schneller eliminieren, sodass der Körper und andere Medikamente eine bessere Chance haben, zur Heilung des Patienten beizutragen.“
Diese Antikörper sind im Blutplasma der Patienten. „Da sind wir auf Spender angewiesen“, erklärt Bonacker. „Und da ist es natürlich einfacher, wenn zehn Firmen gemeinsam daran arbeiten, diese Spender zusammenzubekommen.“Allein CSL Behring habe weltweit 240 Plasmazentren, in denen in den vergangenen Monaten Blutplasma gesammelt wurde.
Marion Strutz war in einem Zentrum von CSL Behring in Bremen, weil sie geschäftlich ohnehin regelmäßig
Dr. Lutz Bonacker, Geschäftsführer von CSL Behring nach Norddeutschland muss. Für eine Aufwandsentschädigung von 50 Euro wurden ihr alle paar Wochen 750 Milliliter Blutplasma entnommen. „Das war schon etwas unangenehm“, sagt sie und deutet auf den roten Punkt in ihrer Armbeuge. Die Plasmaspende funktioniert ähnlich wie eine Blutspende. Sogenannte Plasmapheresegeräte ziehen das Blut aus den Venen und trennen es in dessen Bestandteile: Plasma, rote und weiße Blutkörperchen und Blutplättchen. Blutkörperchen und Blutplättchen werden dann wieder zurück in den Körper geleitet.
Das Plasma von Marion Strutz wird mit dem Plasma anderer Spender vermischt, gereinigt und aufbereitet. Daraus entsteht dann eine Flüssigkeit mit einer sehr hohen Konzentration von Antikörpern. Das unterscheidet das Verfahren von der Plasmatherapie, wie sie in den USA kürzlich per Notfallgenehmigung zugelassen wurde. Bei dieser Therapieform wird Corona-Erkrankten das Plasma eines genesenen CoronaPatienten direkt per Transfusion verabreicht.
Beide Verfahren haben Potenzial, heißt es auf der Internetseite der Allianz. Weil ihr Medikament aber eine höhere Antikörperkonzentration aufweise, könne es in geringeren Mengen verabreicht werden, die Therapie geht schneller. Zudem habe das Medikament eine längere Haltbarkeit und könne besser gelagert werden. Außerdem reduziere das Herstellungsverfahren die Gefahr, dass Viren jeglicher Art über das Plasma vom Spender zum Empfänger übertragen würden.
Dreimal hat Marion Strutz ihr Blutplasma schon gespendet, beim vierten Mal war dann Schluss. „Meine Antikörper gehen zurück“, sagt sie. Das hat zwar nicht zwangsläufig Auswirkungen auf ihre eigene Immunität, aber für eine Spende kommt sie nun nicht mehr infrage. Das ist aber auch gar nicht mehr nötig, denn laut Lutz Bonacker hat die Allianz mittlerweile genug Plasma gesammelt,
Marion Strutz um nun die klinische Studie des Corona-Medikaments zu starten. Die Studie werde drei bis fünf Monate dauern, sodass die Firma vielleicht sogar noch in diesem Jahr die Zulassung für das Medikament beantragen kann. Sollte es zugelassen werden, könnte das Medikament bis Ende des Jahres auf den Markt kommen.
„Das war alles total spannend“, sagt Marion Strutz – und wirkt gelöst. Vor einigen Monaten habe sie sich noch Sorgen gemacht, vielleicht jemanden mit Corona angesteckt zu haben. „Ich habe viele ältere Nachbarn, das wäre schlimm gewesen“, sagt sie. Jetzt kann sie künftigen Infizierten vielleicht bald helfen.
„Da sind wir auf Spender angewiesen.“
„Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt Verantwortung habe.“