Aktion Wir helfen spürt Corona-Folgen
Kein Geld für Miete, Gesundheit oder Schulbedarf: Kurzarbeit oder Jobverlust bringen neue Notlagen
- Es ist ein sonniger Vormittag, als sich Anneliese Spangehl und Barbara Krämer-Kubas treffen. Die Lindauer Ehrenbürgerin und die frühere stellvertretende Landrätin haben jedoch die ein oder andere Sorgenfalte im Gesicht. Denn die beiden Vertreterinnen der LZ-Bürgeraktion Wir helfen beobachten, dass in den vergangenen Monaten immer mehr Menschen in finanzielle Nöte geraten. Es sind nicht nur Rentner und Alleinerziehende, die auf Geld von Wir helfen angewiesen sind. Immer öfter sind es auch Menschen, die als Folge der Corona-Pandemie in Kurzarbeit sind oder ihre Arbeit ganz verloren haben.
Mehrfach haben Spangehl und Krämer-Kubas in den vergangenen Monaten Anfragen erhalten, weil beispielsweise Gastronomie-Mitarbeiter ihre Miete nicht mehr bezahlen konnten. Aus dem Spendentopf der Aktion Wir helfen sind dann ein oder zwei Monatsmieten bezahlt worden – sofern die Caritas oder auch Behörden wie das Jobcenter oder die Schuldnerberatung zuvor die finanzielle Situation der Antragsteller geprüft und die Notlage bestätigt haben.
Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die beiden Wir-helfenVertreterinnen Geld aus dem Spendentopf freigeben. Und das gilt für jeden Antragsteller, ob Rentner, Familie, Arbeitslose oder Schwerkranke. Mit der Caritas arbeitet Wir helfen seit vielen Jahren eng zusammen. Den Mitarbeitern dort sind viele Menschen aus
Lindau und Umgebung bekannt, bei denen das monatliche Einkommen kaum ausreicht. So hat Wir helfen auch eine Aktion der Tafel während des Corona-Lockdowns unterstützt: Die Caritas hat Bedürftigen, die sonst im Tafelladen einkaufen, Tüten mit Lebensmitteln nach Hause gebracht. „Aber auch eine ganze Reihe von LebensmittelGutscheinen haben wir in den vergangenen Monaten auf Hinweis der Caritas ausgegeben“, schildert Spangehl im Gespräch mit der LZ.
Die beiden Frauen stellen aber auch fest, dass immer häufiger Menschen kein Geld haben für vorgeschriebene Eigenanteile im Gesundheitswesen. Das fängt bei neuen Brillen an, die zwar medizinisch notwendig seien, aber für die es kaum Geld von den Krankenkassen gebe. Ein beachtlicher Teil der Anträge an Wir helfen beschäftigt sich mit Zahnbehandlungen, wenn etwa die Prothese eines Rentners kaputtgeht oder eine Zahnkrone notwendig ist: „Das geht selbst bei Normalverdienern ins Geld“, weiß Krämer-Kubas.
In einem Fall summierten sich die Arztrechnungen auf mehrere Tausend Euro – für eine komplizierte Zahnbehandlung eines Kindes. Da hat Wir helfen in Kooperation mit mehreren Hilfsaktionen agiert, damit dem Kind geholfen werden kann. Glücklich über einen Zuschuss von Wir helfen ist aber auch eine Frau mit Behinderung, die sich nun mit einem speziell auf ihre Bedürfnisse angepassten Rollator bewegen kann.
Was den Wir-helfen-Vertreterinnen immer wieder auffällt: Viele Senioren haben so wenig Rente, dass sie nicht einmal Geld für die Freistellung von den Arzneimittel-Zuzahlungen bezahlen können. „Das erleben wir irrsinnig oft“, sagt Spangehl.
Wenn die Not groß und die Kosten hoch sind, schließen sich Wir helfen und ähnliche Aktionen verstärkt zusammen. So hat eine Lindauerin jetzt einen Roller neben der Haustür stehen – damit sie zur Arbeit fahren kann. Auch die Rechnung für den behindertengerechten Umbau eines Autos für einen Schwerbehinderten wurde in Kooperation bezahlt.
Mehrfach hat Wir helfen zusammen mit dem Lindauer Jobcenter Menschen bei Umzügen unterstützt: „Da mussten alte Wohnungen renoviert, teilweise Möbel für die neue Unterkunft besorgt werden“, berichtet Spangehl. In drei Fällen machten sich Helfer auf die Suche nach Einbauküchen, weil in der neuen Wohnung keine vorhanden war. „Natürlich schauen wir in solchen Fällen mit den Antragstellern immer erst einmal im Unternehmen Chance oder bei der Nachbarschaftshilfe nach, ob dort nicht gut erhaltenes Gebrauchtes zu haben ist“, ergänzt Krämer-Kubas.
Besonders am Herzen liegen den beiden pensionierten Pädagoginnen aber Anträge, die Kinder betreffen – ob es nun Kleidung für eine MutterKind-Kur ist, Deutschbücher für einen sehbehinderten Flüchtling oder die Erstausstattung für Schulanfänger. „Gerade Letzteres kann ganz schön ins Geld gehen“, wissen Spangehl und Krämer-Kubas. Wenn jetzt, gut eine Woche vor Schulbeginn in Bayern, Eltern corona-bedingt wegen Kurzarbeit oder sogar Jobverlust kein Geld für Ranzen und andere Schulmaterialien haben, dann unterstützt (nach entsprechender Prüfung der jeweiligen Finanzlage) die Bürgeraktion Wir helfen diese Familien, damit die Buben und Mädchen zumindest in dieser Hinsicht unbelastet ins neue Schuljahr starten können.
Im Herbst 1993 gegründet, hat die LZ-Bürgeraktion Wir helfen seither über eine Million Euro an Menschen in Not vergeben. Dafür ist sie auf Spenden angewiesen, ob von Bürgern, Vereinen, Initiativen oder Firmen. Von den Spendengeldern werden keine Verwaltungskosten abgezweigt. Wer die Aktion unterstützen will, kann seine Spende mit dem Stichwort „Wir helfen“auf das Konto der Stadt Lindau überweisen: IBAN DE77 7315 0000 0620 0001 90 bei der Sparkasse MemmingenLindau-Mindelheim (BIC BYLADEM1MLM)