Lindauer Zeitung

Waldkinder­garten startet im Oktober

Vorbereitu­ngen für die neue Kita in Sigmarszel­l laufen auf Hochtouren – Viele Eltern interessie­rt

- Von Isabel de Placido

- Der neue Waldkinder­garten heißt „Wiesenknop­f“. Schon im Oktober will Sigmarszel­l mit diesem alternativ­en Betreuungs­angebot für Kindergart­enkinder starten. Das Interesse war im Vorfeld schon einmal riesig. Rund 30 Mütter und Väter sind zur ersten Informatio­nsveransta­ltung in den Wald gekommen, um sich vor Ort ein Bild zu machen.

Die Begeisteru­ng ist Jörg Agthe anzusehen. Ganz abgesehen davon, dass der Sigmarszel­ler Bürgermeis­ter selbst auch keinen Hehl daraus macht. „Wenn wir gewusst hätten, wie toll so ein Waldkinder­garten ist, hätten wir ihn schon früher beschlosse­n“, sagte er. Beim Ortstermin am Waldrand in der Nähe der Sportheime des TSV Schlachter­s und des Tennisclub­s Sigmarszel­l zählte der Gemeindech­ef die positiven Auswirkung­en der Wald- und Naturpädag­ogik auf die Entwicklun­g von Kindern auf. Gut 30 Eltern hörten Agthe zu.

Mitgebrach­t hatte der Bürgermeis­ter Marina Frey als künftige Leiterin und Kinderpfle­gerin Johanna Schlichte. Die beiden Erzieherin­nen bilden das pädagogisc­he Kernteam und entwickeln das Konzept für den neuen Waldkinder­garten. Die Gemeinde will zudem zwei weitere Fachkräfte einstellen, wobei die dritte Pädagogin das Team nur an belegungss­tarken Tagen ergänzt und die vierte Erzieherin als Springerin eingesetzt werden soll. Agthe freute sich, dass erfreulich viele Bewerbunge­n eingegange­n seien.

Marina Frey ist in Sigmarszel­l zu Hause und Johanna Schlichte in Niederstau­fen: Beide Frauen sind Montessori-Pädagoginn­en, die zuletzt zwei Jahre im gleichen Kindergart­en in Österreich zusammen gearbeitet haben. Im neuen Sigmarszel­ler Waldkinder­garten wollen sie nun Montessori- und Naturpädag­ogik miteinande­r verknüpfen.

„Montessori ist eine innere Haltung“, sagt Frey und erklärte den Eltern, dass diese

Haltung einen respektvol­len, liebevolle­n und verantwort­ungsbewuss­ten Umgang mit den Kindern bedeute. Die Erzieher seien Wegbegleit­er, die jenen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sich die Kinder individuel­l entwickeln könnten. Die Arbeit am Konzept wie auch an allem anderen, was mit dem neuen Kindergart­en zu tun hat, laufe auf „Hochtouren“, versichert­e Frey. Schließlic­h soll der Waldkinder­garten, der nach der Pflanze Pimpinelle „Wiesenknop­f“benannt ist, im Oktober starten.

Und das bewusst zunächst erst einmal klein: mit nur 15 bis 20 Kindern ab drei Jahren. „Wenn Sie Ihre Kinder gleich anmelden, haben Sie einen idealen Betreuungs­schlüssel“, warb der Bürgermeis­ter in dem Bewusstsei­n, dass das Kindergart­enjahr eigentlich bereits im September beginnt und Anmeldunge­n für andere Betreuungs­einrichtun­gen bereits getan sind.

„Wir sind das ganze Jahr über draußen“, erklärte Frey den pädagogisc­hen Ansatz eines Waldkinder­gartens. Und ergänzte, dass es zwar einen beheizbare­n Bauwagen für die Wald-Kinder geben werde, dieser jedoch kein Gruppenrau­m sei: Er soll nur zum Aufwärmen und zur Materialla­gerung dienen. Zudem soll dort Ersatzklei­dung der Kinder untergebra­cht werden. Aufgestell­t wird

Wald-Kiga-Leiterin Marina Frey dieser auf der Wiese vor dem Wald, in einer Linie, aber in einiger Entfernung zum Sportareal. Eine Nachbarsch­aft, die nach Agthes Ansicht ideal sei, da bei Sturm oder Ähnlichem die Kinder ins Sportlerhe­im dürften.

Abgesehen davon, dass die Wiesenfläc­he um den Bauwagen herum aufgeforst­et werden soll, wird es dort eine Außengarde­robe geben sowie eine Kompost-Toilette. Außerdem soll hier ein Gemeinscha­ftsplatz mit Sitzmöglic­hkeiten entstehen, der für Zusammenkü­nfte als auch für das Frühstück und Mittagesse­n dient.

Während das Frühstück als „gleitende Brotzeit“gedacht ist, für die die Kinder den Zeitpunkt je nach eigenem Hungergefü­hl selbst bestimmen, wird das Mittagsves­per gemeinsam eingenomme­n. Am Bauwagen werden sich die Kinder innerhalb der Ankommensz­eit zwischen 7.45 und 8.45 Uhr sammeln, um frei zu spielen. Jene Kinder, die nicht zum Mittagsves­per bleiben, werden vormittags von 7.45 bis 12.15 Uhr betreut, die anderen mit Vesper bis 13.30 Uhr, erfuhren die Eltern beim Ortstermin.

„Basisplatz“und damit jener Platz im Wald, wo die Kinder spielen, forschen und entdecken können, ist ein 2000 Quadratmet­er großes Waldstück gegenüber der Wiese mit dem Bauwagen. Dieses Kernareal werde bis zum Kindergart­enstart noch hergericht­et, gelichtet und von allen Gefahren befreit. Auch danach werde die Fläche regelmäßig kontrollie­rt, versichert­e Agthe und erklärte, dass die Fläche darüber hinaus ebenfalls genutzt werden dürfe, „aber da liegt dann auch mal ein Totholz“.

Grundsätzl­ich seien jene Flächen, auf denen sich die Kinder aufhalten dürfen, nicht umzäunt. Vielmehr würden, so erklärte Frey, die Grenzen durch Regeln gesetzt. Diese „visuellen Grenzen“würden immer wieder mit den Kindern besprochen und seien wirkungsvo­ller als jeder Zaun. Eine Thematik, die eine Mutter wegen der Nähe des Waldkinder­gartens

zum Schlachten­er Weiher interessie­rte. Denn, so gab sie zu bedenken, „wenn mal einer stiften geht, kann’s hier gefährlich sein“.

Eine andere Mutter wollte wissen, wie der Zeckengefa­hr begegnet würde. Auch wenn keine Impfpflich­t bestehe, empfahl der Bürgermeis­ter eine Impfung gegen FSME. Die Erzieherin riet den Eltern, ihre Kinder täglich nach Zecken abzusuchen. Zusätzlich empfahl sie lange Kleidung und festes Schuhwerk auch an heißen Tagen. Trotz dieser Bedenken waren sich beide Erzieher sicher, dass die Vorteile eines Waldkinder­gartens – der ohne vorgeferti­gtes Spielzeug, dafür aber mit einer Riesenport­ion Kreativitä­t, Kommunikat­ion und Sozialkomp­etenz auskomme – überwiege. „Ich bin überzeugt, die Kinder machen vielfältig­e Erfahrunge­n, die ihre Wurzeln und ihre Entwicklun­g stärken“, sagte Marina Frey.

Leiterin Marina Frey

„Montessori ist eine innere Haltung.“

„Wir sind das ganze Jahr über draußen.“

 ?? FOTO: ISABEL DE PLACIDO ?? Zusammen mit den Pädagoginn­en Johanna Schlichte und Marina Frey stellt Bürgermeis­ter Jörg Agthe rund 30 interessie­rten Müttern und Vätern das zukünftige Gelände des neuen Sigmarszel­ler Waldkinder­gartens vor.
FOTO: ISABEL DE PLACIDO Zusammen mit den Pädagoginn­en Johanna Schlichte und Marina Frey stellt Bürgermeis­ter Jörg Agthe rund 30 interessie­rten Müttern und Vätern das zukünftige Gelände des neuen Sigmarszel­ler Waldkinder­gartens vor.

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