Lindauer Zeitung

Star Wars und Sitzstrafe­n

Ruanda kämpft mit Robotern und rigiden Regeln gegen Corona – Die treffen vor allem die ärmere Bevölkerun­g hart

- Von Markus Harmann

(KNA) - Wer am Flughafen in Ruandas Hauptstadt Kigali ankommt und in Corona-Zeiten seinen MundNasen-Schutz nicht korrekt trägt, macht Bekanntsch­aft mit Urumuri. Der humanoide Roboter, der an R2D2 aus Star Wars erinnert, weist die Menschen freundlich, aber bestimmt auf die Maskenpfli­cht hin. Und er kann noch mehr: In weniger als einer Minute misst er bei bis zu 150 Abfliegend­en oder Ankommende­n die Temperatur, während er durch den Airport saust.

Das ostafrikan­ische Land setzt bei der Eindämmung der Corona-Pandemie auf Hightech, Tests und Kontrolle. Dafür gibt es gute Gründe: Mit 12,3 Millionen Einwohnern auf einer Fläche wenig größer als Hessen gehört Ruanda zu den am dichtesten besiedelte­n Staaten der Erde. Mit den ersten nachgewies­enen Infizierte­n Mitte März verhängte die Regierung von Präsident Paul Kagame einen Lockdown und lässt seither flächendec­kend testen. Täglich veröffentl­icht das Rwandan Biomedical Center, vergleichb­ar mit dem Robert-Koch-Institut,

die aktuellen Zahlen, deren Seriosität kaum jemand anzweifelt: 3537 Infizierte, 15 Verstorben­e bei mehr als 378 000 Tests – so der Stand am 25. August.

Die Weltgesund­heitsorgan­isation nennt Ruanda in einem Atemzug mit Deutschlan­d, wenn es um Erfolge in der Bekämpfung der Pandemie geht. „Mit Blick auf die Zahlen ist das sicher richtig“, sagt Gerd Hankel, Völkerrech­tler und Ruanda-Experte am Hamburger Institut für Sozialfors­chung. Man dürfe die guten Zahlen aber nicht losgelöst betrachten von der Autorität des Regimes. „Das Land ist straff durchorgan­isiert. Der Präsident erwartet absolute Gefolgscha­ft von seinen Landsleute­n.“

Die Roboter – neben Urumuri am Flughafen sind vier weitere in den Gesundheit­szentren des Landes im Einsatz – hält Hankel nicht für verkehrt, spricht aber doch von einem „PR-Gag“, der wichtig für die Außendarst­ellung sei. „Der Regierung geht es darum, aller Welt zu zeigen, dass sie alles tut, um die Pandemie zu überwinden.“Parallel will Ruanda weiterhin seinen Ruf als Destinatio­n für Konferenz- und Luxustouri­smus festigen. Um Menschen aus aller Welt anzulocken, reduzierte das Land sogar die Preise für Wanderunge­n zu den Berggorill­as – von zuletzt 1500 US-Dollar auf jetzt 700 US-Dollar pro Person.

Die deutsche Agraringen­ieurin Janine Frönd war 2019 – also noch vor der Corona-Pandemie – Beraterin des Rwandan Biomedical Center. Sie sagt, das vom Völkermord 1994 mit fast einer Million Toten gezeichnet­e

Land profitiere heute von den Erfahrunge­n der vergangene­n Jahre: „Das Land hat Kriege und Epidemien durchgemac­ht und daraus Erkenntnis­se gewonnen. Es ist sehr gut auf verschiede­ne Szenarien vorbereite­t. So wurden Handlungs- und Katastroph­enpläne aufgestell­t, die jetzt Anwendung finden.“

Anders als Kongo oder Tansania habe Ruanda zuverlässi­ge Zahlen und ein exzellente­s Gesundheit­ssystem,

das in ganz Zentralafr­ika nachgefrag­t werde. „In der Bekämpfung der Pandemie ist das Land sehr erfolgreic­h“, sagt Frönd, auch wenn sie einräumt, dass ein Lockdown die vielen Armen im Land hart treffe. Aktuell gelten eine Maskenpfli­cht im öffentlich­en Raum und eine Ausgangssp­erre ab 21 Uhr. Manche Orte und Distrikte befinden sich nach Lockerunge­n in einem erneuten Lockdown. In der Innenstadt von Kigali wurden zwei Märkte geschlosse­n.

Laut Regierungs­angaben werden bis zu 5000 Personen am Tag getestet, die meisten in mobilen Teststatio­nen. Die Ergebnisse werden innerhalb eines Tages auf die Handys der Getesteten geschickt. „Für die Einheimisc­hen sind die Tests kostenlos“, berichtet Frönd. Aber was, wenn diese positiv ausfallen, wenn Quarantäne angeordnet wird? „Häusliche Quarantäne ist keine Option. Sie kann nicht überwacht werden“, sagt die Ingenieuri­n, die die Hilfsorgan­isation „1000 Hügel“gegründet hat. Deshalb gibt es landesweit neben 17 Behandlung­szentren mit einer Kapazität für 1767 Patienten auch elf Quarantäne­stationen für bis zu 500 Personen.

Das sei schon eine ganze Menge, sagt David Fechner, der seit mehreren Jahren in Kigali lebt und arbeitet, zunächst als politische­r Referent an der deutschen Botschaft, derzeit als Friedensfa­chkraft für die Vereinte Evangelisc­he Mission (VEM). Manches allerdings bereite Anlass zu Sorge, fügt Fechner hinzu. „Wer ohne Maske ertappt wird, der zahlt umgerechne­t 20 Euro Strafe, für viele Menschen ist das kaum zu stemmen.“Und wer nach der Ausgangssp­erre auf der Straße erwischt wird, der werde ins Nationalst­adion gebracht und müsse die Nacht sitzend auf dem Rasen verbringen.

Für kleine Händler und vor allem für das Heer derjenigen, die sich als Tagelöhner verdingen, sei Corona eine Katastroph­e. „Viele leben von der Hand in den Mund. Die Lebensmitt­elverteilu­ngen reichen bei Weitem nicht aus, um das, was da wegbricht, aufzufange­n. Und Rettungssc­hirme wie in Europa gibt es nicht“, so Fechner.

Für Ruanda stehe viel auf dem Spiel, sagt Völkerrech­tler Hankel. „Das Land hat einen guten Ruf als Musterknab­e in Afrika zu verlieren.“

 ?? FOTO: STR/AFP ?? Menschen, die sich nicht an die Corona-Maßnahmen halten, müssen wortwörtli­ch für einige Stunden eine Strafe im Nationalst­adion absitzen.
FOTO: STR/AFP Menschen, die sich nicht an die Corona-Maßnahmen halten, müssen wortwörtli­ch für einige Stunden eine Strafe im Nationalst­adion absitzen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany