Lindauer Zeitung

Fatales Verhalten bei Rettungsve­rsuch

Bootsführe­r dürfen nicht vom treibenden Boot einfach ins Wasser springen

- Von Ralf Schäfer

- Ein Mann springt von einem Motorboot, das nicht vor Anker liegt, ins Wasser, um Angehörige­n zu helfen, die sich augenschei­nlich in Not befinden. Das Boot treibt derweil auf dem See ab, an Bord befinden sich nur noch Personen, die das Boot nicht bedienen können. So ähnlich am Mittwoch geschehen bei einem Seenotfall zwischen Überlingen und Wallhausen, bei dem die Wasserschu­tzpolizei Überlingen zufällig vorbei kam und die Menschen aus der Not rettete. Dieses Verhalten und der Unfall werden möglicherw­eise Folgen haben.

Eine der wichtigste­n Regeln der Bodenseesc­hifffahrts­ordnung, aber auch in den Bestimmung­en zum Verhalten von Bootsführe­rn, ist, dass der Bootsführe­r ein nicht vor Anker liegendes Boot auf keinen Fall verlassen darf. Ein solches gilt als „in Fahrt befindlich“, mit anderen Worten, es muss immer jemand an Bord sein, der das Boot führen kann.

Sollte jetzt ein Unfall oder Notfall eintreten, wie dies auch in Überlingen Anfang der Woche der Fall war, muss der Bootsführe­r vom Boot aus eine Rettung einleiten. „Die beste Idee dazu ist, eine lange Leine, die sich immer an Bord befinden muss, mit einem Fender (schwimmfäh­iger Abstandsha­lter für die Bordwand; Anm. d. Red.) zu versehen und auszuwerfe­n. Fährt man dann vorsichtig eine Runde um die im Wasser treibenden Menschen, können sie die Leine greifen und herangezog­en werden“, sagt der erste Polizeihau­ptkommissa­r und Leiter der Wasserschu­tzpolizei Friedrichs­hafen, Michael Behrendt. Er betrachtet es auch als einen schweren Fehler, von einem treibenden Boot ins Wasser zu springen und an Bord niemanden zu haben, der das Boot bedienen kann. „Eine solche Situation muss man ruhig und mit gesundem Menschenve­rstand angehen“, sagt der Wapo-Chef aus Friedrichs­hafen.

Sein Kollege, der Erste Polizeihau­ptkommissa­r Markus Zengerle, Leiter der Wapo Überlingen, sieht das genauso. An Bord müssten sich alle vorgeschri­ebenen Rettungsmi­ttel wie auch Rettungsri­ng und ausreichen­de Leinen befinden. Auch seien Bootsführe­r über die vorgeschri­ebenen Maßnahmen, die sie einleiten müssten, unterricht­et.

Das gilt auch, wenn Boote von Touristen ausgeliehe­n werden. Alle Bootsvermi­eter nehmen ihre Sache ernst und haben an Bord alle nötigen Ausrüstung­sgegenstän­de. „Bootsverle­iher weisen ihre Kunden jeweils auf die für sie geltenden wichtigste­n Regelungen aus der Bodenseesc­hifffahrts­ordnung hin. Diese variieren, je nachdem, ob ein Tretboot/Ruderboot oder ein Motorboot ausgeliehe­n wird.

Sie würden die Kunden in die Bootstechn­ik einweisen und informiere­n gegebenenf­alls über die Lage und Handhabung der an Bord befindlich­en Rettungsmi­ttel. „Weiterhin werden Empfehlung­en zur Wetterbeob­achtung und entspreche­nde Verhaltens­hinweise gegeben. In den meisten Fällen sind die wichtigste­n Regeln der BSO auch noch mittels Aufkleber am Steuerstan­d des Bootes angebracht“, sagt Markus Zengerle. In dem aktuellen Fall von Überlingen handelte es sich jedoch nicht um Touristen, sondern um eine Fanilie mit ihrem eigenen Boot aus der Bodenseere­gion.

Sollte sich ein Bootsführe­r eines grob fahrlässig­en Verhaltens schuldig machen, dann werde wegen einer Ordnungswi­drigkeit ermittelt. Das könnte, so sagen die beiden WapoLeiter, auch in diesem Fall auf den Bootsführe­r zukommen. Trotzdem habe er sich selbst in Gefahr begeben, um das Kind zu retten. „Und das muss auch beachtet werden“, sagt Markus Zengerle. Der Rettungsei­nsatz ist Kernaufgab­e der Wasserschu­tzpolizei. Der ist auf jeden Fall gebührenfr­ei.

Sowohl die Polizei wie auch die Sportboot- und Yachtverei­ne weisen immer wieder darauf hin, auf Rettungsmi­ttel an Bord zu achten, sich an die Verhaltens­regeln zu halten und vor allem, das Wetter auf dem Bodensee im Auge zu behalten. Ganz wichtig in dieser Hinsicht sind die Warnleucht­en, die rund um den See am Ufer stehen. Sie warnen vor Starkwind, wenn sie 40 mal pro Minute blinken. Bei 90 orangefarb­enen Blitzen dieser Lampen handelt es sich um Sturmwarnu­ng mit Böen ab acht Beaufort. Bei dem Überlinger Notfall wurde vor Starkwind gewarnt.

Sicherheit und die Bewältigun­g von Notfällen ist auch zentrales Thema bei der Ausbildung und in den Schulungen der Yachtverei­ne. Der Württember­gische Yachtclub (WYC) „übt Rettungsma­növer solange, bis wirklich alles sitzt“, sagt Max Rieger, Sprecher des WYC. Seine Vereinskol­legin Susanne Knipping ist die Fachfrau zu diesem Thema im WYC. Sie leitet die Ausbildung und sagt: „Die erste Devise ist, dass der Bootsführe­r niemals das Boot verlassen darf.“Sie rät Menschen, die mit ihrem Boot und Gästen herausfahr­en, die Gäste einzuweise­n. Wer das Boot ansatzweis­e kenne und wisse, wo die Schalter für Vorwärts- oder Rückwärtsf­ahrt sind, könne im Notfall mithelfen. Das erhöhe auch das Sicherheit­sempfinden aller an Bord.

Die Beachtung der Witterungs­verhältnis­se am See spielt für Susanne Knipping ebenfalls eine große Rolle. In der Ausbildung übt sie mit ihren Schülern auch die Fahrt unter Starkwind. Besonders tückisch aber seien Fallwinde bei Föhnlagen und die unberechen­baren Wetterwech­sel am Bodensee. „Da sind es dann nicht einmal die Winde, die die Menschen, die zuvor noch unbedarft schwimmen gegangen sind, in Gefahr bringen. Das ist vielmehr das aufgepeits­chte Wasser, das die Gefahr birgt“, sagt die Segellehre­rin.

Neben der Einweisung aller an Bord befindlich­en Personen sei es auch nicht verkehrt, einfach einmal einen Fender an eine Schwimmlei­ne zu binden und den als „Boje über Bord“-Manöver wieder einholen zu lassen. Solche Übungen würden auf der einen Seite das Sicherheit­sempfinden erhöhen, auf der anderen auf Dauer Routine bilden, im Notfall auch richtig zu handeln.

Und den Menschen, die vom Boot aus auf dem See schwimmen gehen wollen, rät sie immer, eine lange Schwimmlei­ne, die nicht untergehen kann und nicht Gefahr läuft, in die Schraube zu geraten, mit einem Fender zu bestücken und als Sicherheit auszuwerfe­n. Wer sie nicht brauche, könne sie später wieder einholen. Für die Menschen im Wasser aber könne eine solche Leine, wie sie die Wapo als Rettungsmi­ttel nannte, schon Hilfe sein, eben nicht in Not zu geraten.

 ?? FOTO: RALF SCHÄFER ?? Nicht immer sind DLRG, Wasserschu­tzpolizei oder Feuerwehr in der Nähe, wenn Unfälle auf dem See passieren. Dafür sollten Bootsführe­r aber in der Lage sein, die richtigen Maßnahmen einzuleite­n. Dazu gehört auch, Rettungsma­ßnahmen vom Boot aus einzuleite­n, statt gleich ins Wasser zu springen.
FOTO: RALF SCHÄFER Nicht immer sind DLRG, Wasserschu­tzpolizei oder Feuerwehr in der Nähe, wenn Unfälle auf dem See passieren. Dafür sollten Bootsführe­r aber in der Lage sein, die richtigen Maßnahmen einzuleite­n. Dazu gehört auch, Rettungsma­ßnahmen vom Boot aus einzuleite­n, statt gleich ins Wasser zu springen.

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