Fatales Verhalten bei Rettungsversuch
Bootsführer dürfen nicht vom treibenden Boot einfach ins Wasser springen
- Ein Mann springt von einem Motorboot, das nicht vor Anker liegt, ins Wasser, um Angehörigen zu helfen, die sich augenscheinlich in Not befinden. Das Boot treibt derweil auf dem See ab, an Bord befinden sich nur noch Personen, die das Boot nicht bedienen können. So ähnlich am Mittwoch geschehen bei einem Seenotfall zwischen Überlingen und Wallhausen, bei dem die Wasserschutzpolizei Überlingen zufällig vorbei kam und die Menschen aus der Not rettete. Dieses Verhalten und der Unfall werden möglicherweise Folgen haben.
Eine der wichtigsten Regeln der Bodenseeschifffahrtsordnung, aber auch in den Bestimmungen zum Verhalten von Bootsführern, ist, dass der Bootsführer ein nicht vor Anker liegendes Boot auf keinen Fall verlassen darf. Ein solches gilt als „in Fahrt befindlich“, mit anderen Worten, es muss immer jemand an Bord sein, der das Boot führen kann.
Sollte jetzt ein Unfall oder Notfall eintreten, wie dies auch in Überlingen Anfang der Woche der Fall war, muss der Bootsführer vom Boot aus eine Rettung einleiten. „Die beste Idee dazu ist, eine lange Leine, die sich immer an Bord befinden muss, mit einem Fender (schwimmfähiger Abstandshalter für die Bordwand; Anm. d. Red.) zu versehen und auszuwerfen. Fährt man dann vorsichtig eine Runde um die im Wasser treibenden Menschen, können sie die Leine greifen und herangezogen werden“, sagt der erste Polizeihauptkommissar und Leiter der Wasserschutzpolizei Friedrichshafen, Michael Behrendt. Er betrachtet es auch als einen schweren Fehler, von einem treibenden Boot ins Wasser zu springen und an Bord niemanden zu haben, der das Boot bedienen kann. „Eine solche Situation muss man ruhig und mit gesundem Menschenverstand angehen“, sagt der Wapo-Chef aus Friedrichshafen.
Sein Kollege, der Erste Polizeihauptkommissar Markus Zengerle, Leiter der Wapo Überlingen, sieht das genauso. An Bord müssten sich alle vorgeschriebenen Rettungsmittel wie auch Rettungsring und ausreichende Leinen befinden. Auch seien Bootsführer über die vorgeschriebenen Maßnahmen, die sie einleiten müssten, unterrichtet.
Das gilt auch, wenn Boote von Touristen ausgeliehen werden. Alle Bootsvermieter nehmen ihre Sache ernst und haben an Bord alle nötigen Ausrüstungsgegenstände. „Bootsverleiher weisen ihre Kunden jeweils auf die für sie geltenden wichtigsten Regelungen aus der Bodenseeschifffahrtsordnung hin. Diese variieren, je nachdem, ob ein Tretboot/Ruderboot oder ein Motorboot ausgeliehen wird.
Sie würden die Kunden in die Bootstechnik einweisen und informieren gegebenenfalls über die Lage und Handhabung der an Bord befindlichen Rettungsmittel. „Weiterhin werden Empfehlungen zur Wetterbeobachtung und entsprechende Verhaltenshinweise gegeben. In den meisten Fällen sind die wichtigsten Regeln der BSO auch noch mittels Aufkleber am Steuerstand des Bootes angebracht“, sagt Markus Zengerle. In dem aktuellen Fall von Überlingen handelte es sich jedoch nicht um Touristen, sondern um eine Fanilie mit ihrem eigenen Boot aus der Bodenseeregion.
Sollte sich ein Bootsführer eines grob fahrlässigen Verhaltens schuldig machen, dann werde wegen einer Ordnungswidrigkeit ermittelt. Das könnte, so sagen die beiden WapoLeiter, auch in diesem Fall auf den Bootsführer zukommen. Trotzdem habe er sich selbst in Gefahr begeben, um das Kind zu retten. „Und das muss auch beachtet werden“, sagt Markus Zengerle. Der Rettungseinsatz ist Kernaufgabe der Wasserschutzpolizei. Der ist auf jeden Fall gebührenfrei.
Sowohl die Polizei wie auch die Sportboot- und Yachtvereine weisen immer wieder darauf hin, auf Rettungsmittel an Bord zu achten, sich an die Verhaltensregeln zu halten und vor allem, das Wetter auf dem Bodensee im Auge zu behalten. Ganz wichtig in dieser Hinsicht sind die Warnleuchten, die rund um den See am Ufer stehen. Sie warnen vor Starkwind, wenn sie 40 mal pro Minute blinken. Bei 90 orangefarbenen Blitzen dieser Lampen handelt es sich um Sturmwarnung mit Böen ab acht Beaufort. Bei dem Überlinger Notfall wurde vor Starkwind gewarnt.
Sicherheit und die Bewältigung von Notfällen ist auch zentrales Thema bei der Ausbildung und in den Schulungen der Yachtvereine. Der Württembergische Yachtclub (WYC) „übt Rettungsmanöver solange, bis wirklich alles sitzt“, sagt Max Rieger, Sprecher des WYC. Seine Vereinskollegin Susanne Knipping ist die Fachfrau zu diesem Thema im WYC. Sie leitet die Ausbildung und sagt: „Die erste Devise ist, dass der Bootsführer niemals das Boot verlassen darf.“Sie rät Menschen, die mit ihrem Boot und Gästen herausfahren, die Gäste einzuweisen. Wer das Boot ansatzweise kenne und wisse, wo die Schalter für Vorwärts- oder Rückwärtsfahrt sind, könne im Notfall mithelfen. Das erhöhe auch das Sicherheitsempfinden aller an Bord.
Die Beachtung der Witterungsverhältnisse am See spielt für Susanne Knipping ebenfalls eine große Rolle. In der Ausbildung übt sie mit ihren Schülern auch die Fahrt unter Starkwind. Besonders tückisch aber seien Fallwinde bei Föhnlagen und die unberechenbaren Wetterwechsel am Bodensee. „Da sind es dann nicht einmal die Winde, die die Menschen, die zuvor noch unbedarft schwimmen gegangen sind, in Gefahr bringen. Das ist vielmehr das aufgepeitschte Wasser, das die Gefahr birgt“, sagt die Segellehrerin.
Neben der Einweisung aller an Bord befindlichen Personen sei es auch nicht verkehrt, einfach einmal einen Fender an eine Schwimmleine zu binden und den als „Boje über Bord“-Manöver wieder einholen zu lassen. Solche Übungen würden auf der einen Seite das Sicherheitsempfinden erhöhen, auf der anderen auf Dauer Routine bilden, im Notfall auch richtig zu handeln.
Und den Menschen, die vom Boot aus auf dem See schwimmen gehen wollen, rät sie immer, eine lange Schwimmleine, die nicht untergehen kann und nicht Gefahr läuft, in die Schraube zu geraten, mit einem Fender zu bestücken und als Sicherheit auszuwerfen. Wer sie nicht brauche, könne sie später wieder einholen. Für die Menschen im Wasser aber könne eine solche Leine, wie sie die Wapo als Rettungsmittel nannte, schon Hilfe sein, eben nicht in Not zu geraten.