Lindauer Zeitung

Der Staat als Krisenmana­ger

- Von Wolfgang Mulke wirtschaft@schwaebisc­he.de

ber Jahrzehnte predigten Wirtschaft­spolitiker das Credo des freien Spiels des Marktes. Der Staat zog sich aus vielen Bereichen zurück, privatisie­rte Beteiligun­gen und sorgte bestenfall­s im Nachgang für eine passable Regulierun­g, etwa bei der Telekommun­ikation. Von dieser Zurückhalt­ung ist heute wenig übrig geblieben. Der Staat ist wirtschaft­lich aktiv wie wohl noch nie im Westen Deutschlan­ds. Er beteiligt sich an Konzernen in Schieflage, stützt in Not geratene Mittelstän­dler, fördert den Verkauf von E-Autos oder die Entwicklun­g wasserstof­fgetrieben­er Züge.

Womöglich wird er auch dem Ruf nach einem Fonds für die Zulieferer der Autoindust­rie erhören. Mit diesem Instrument wollen IG-Metall, Grüne und SPD mittelstän­dischen Unternehme­n die Zeit verschaffe­n, die sie für die Entwicklun­g von neuen Produkten brauchen. Ihre alten werden nach dem Umstieg auf die Elektromob­ilität oft nicht mehr gebraucht, und es droht damit im Herzen der deutschen Industrie ein Infarkt. Wenn dies durch einen Hilfsfonds vermieden werden kann, lohnt sich der Aufwand allein schon wegen der vielen damit verbundene­n Existenzen.

Es zeigt sich jedoch auch ein Wandel in der Aufgabenve­rteilung zwischen Staat und Wirtschaft. Die liberale Vorstellun­g, der Markt wird es schon richten und private Unternehme­r können alles besser als der Staat, hat ausgedient. Spätestens mit der Finanzkris­e musste der Staat als Krisenmana­ger einspringe­n und für die entstanden­en Schäden gerade stehen. In der aktuellen Pandemie ist seine Verantwort­ung wieder gefragt.

Aus dem Wettbewerb zwischen Unternehme­n ist längst auch einer zwischen Staaten und Regionen geworden. Der Staat wird mehr steuern müssen, wenn Deutschlan­d auch in Zukunft wirtschaft­lich vorne mitspielen will. Zudem muss die Politik für einen sozialen Ausgleich in einer sich spaltenden Gesellscha­ft sorgen. Auch das leistet der Markt ebensoweni­g, wie er die Folgen des Klimawande­ls bewältigt. Der Sozialismu­s steht damit nicht vor der Tür. Der staatliche Machtzuwac­hs ist vielmehr ein Gebot der Vernunft.

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