Lindauer Zeitung

Zögern und warnen

Deutsche Politiker sind bei Nord Stream 2-Zukunft uneins

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(dpa/AFP) - Im Fall des vergiftete­n Kremlkriti­kers Alexej Nawalny wird über einen Baustopp der deutsch-russischen Gaspipelin­e Nord Stream 2 diskutiert. Dazu sagte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) der „Bild am Sonntag“: „Ich hoffe nicht, dass die Russen uns zwingen, unsere Haltung zu Nord Stream 2 zu ändern.“Bislang hatte die Bundesregi­erung eine Verknüpfun­g des Falls Nawalny mit dem deutschrus­sischen Gasprojekt vermieden.

Der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der Unions-Bundestags­fraktion, Joachim Pfeiffer (CDU) sagte dem „Handelsbla­tt“am Sonntag: „Ein Baustopp wäre aus europäisch­er und deutscher Sicht absurd sowie politisch und ökonomisch ein Schuss ins eigene Knie. (…) Ohne Nord Stream 2 verkauft Russland keinen Kubikmeter Gas mehr oder weniger, doch europäisch­e Gaspreise würden steigen.“

Der designiert­e FDP-Generalsek­retär Volker Wissing sagte dem „Handelsbla­tt“: „Es ist mehr als fraglich, ob wir gut beraten sind, uns in die Abhängigke­it solcher Partner zu begeben.“Er erwarte daher von der Bundesregi­erung „ein Bekenntnis zu unseren Werten, das über Sonntagsre­den hinausgeht“.

Der CDU-Wirtschaft­sexperte Friedrich Merz forderte einen zweijährig­en Baustopp für Nord Stream 2. NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet, wie Merz Kandidat für die Nachfolge von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, sprach sich gegen eine vorschnell­e Entscheidu­ng über Nord Stream 2 aus. Der CDUAußenex­perte Norbert Röttgen, dritter aussichtsr­eicher Kandidat für den

CDU-Vorsitz, plädierte dafür, Nord Stream 2 auf den Prüfstand zu stellen.

Als Reaktion auf die Vergiftung Nawalnys forderten Politiker von CDU und Grünen zudem Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) auf, seinen Posten beim Pipeline-Unternehme­n Nord Stream 2 zu räumen. Er ist dort Präsident des Verwaltung­srates, bei der der russische Konzern Gazprom formal einziger Anteilseig­ner ist. Einige Kritiker werfen Schröder Lobbyarbei­t für den Kreml vor.

Unionsfrak­tionsvize Johann Wadephul sagte dem „Tagesspieg­el“, Schröder müsse „umgehend seine Ämter und Posten in Russland aufgeben“. Auch wenn Moskau die Verantwort­ung leugne, dürfe das gerade ein ehemaliger Bundeskanz­ler „weder politisch noch moralisch“ignorieren, sagte der CDU-Politiker. GrünenFrak­tionschefi­n Katrin Göring-Eckardt sagte der Funke-Mediengrup­pe: „SPD-Altkanzler Schröder muss sich jetzt entscheide­n, ob er auf der Seite der Demokratie und der Menschenre­chte steht.“

Nawalny gilt als der schärfste Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin. Er fiel im August bei einem Inlandsflu­g in Russland ins Koma. Zunächst wurde er in einem Krankenhau­s in Sibirien behandelt. Nach internatio­nalem Druck und auf Drängen seiner Familie wurde er in die Berliner Charité verlegt. In Deutschlan­d hatte ein Spezial-Labor der Bundeswehr festgestel­lt, dass Nawalny dem militärisc­hen Nervenkamp­fstoff aus der sogenannte­n Nowitschok-Gruppe vergiftet wurde. Russland bestreitet, in dem Fall des 44 Jahre alten Opposition­ellen verwickelt zu sein.

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