Lindauer Zeitung

Die Angst vorm leeren Berg

Die Tourismus-Wirtschaft in Österreich und Südtirol braucht ein gutes Wintergesc­häft, um die Verluste der vergangene­n Monate auszugleic­hen

- Von Ralf Müller

- Mitunter neidvoll haben Gastronome­n aus Baden-Württember­g und Bayern in den vergangene­n Monaten auf ihre Kollegen in Österreich geschaut. Dort war trotz anhaltende­r Corona-Pandemie schon wieder vieles möglich, was die Behörden im angrenzend­en Deutschlan­d erst sehr viel später wieder erlaubt haben – etwa die Benutzung von Wellnessbe­reichen und das Angebot von Buffets. Dennoch leidet die Fremdenver­kehrswirts­chaft in Österreich und im italienisc­hen Südtirol massiv unter dem Corona-Jahr 2020, das ist jedenfalls das Ergebnis einer Studie der gemeinnütz­igen österreich­ischen Tourismuso­rganisatio­n Vitalpin, die der Verband in der vergangene­n Woche in Innsbruck vorgelegt hat. „Die Wintersais­on muss gelingen“, beschwor Vitalpin-Geschäftsf­ührerin Theresa Haid.

In den vier österreich­ischen Alpen-Bundesländ­ern Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Kärnten ist das Bruttoregi­onalproduk­t im Übernachtu­ngstourism­us im ersten Halbjahr um 32,1 Prozent zurückgega­ngen, obwohl im Januar und Februar das Geschäft mit den Skitourist­en noch gut lief. In Südtirol, berichtete der Präsident der Handelskam­mer Bozen, Michl Ebner, habe sich die Zahl der Übernachtu­ngen im ersten Halbjahr 2020 nahezu halbiert. Mit einer Mischung aus Hoffnung und Pessimismu­s sieht die alpenländi­sche Fremdenver­kehrswirts­chaft jetzt der Wintersais­on entgegen, nachdem der österreich­ische Winterspor­tort Ischgl zum Symbol für den leichtfert­igen Umgang mit dem Virus geworden ist.

Der Winter werde „schwierig“werden, sagt Vitalpin-Obmann Hannes

Parth: „Die Verantwort­lichen aus Politik und Wirtschaft sind gefordert, politische Rahmenbedi­ngungen zu schaffen, die die Angst vor dem Reisen nehmen und den Gästen den gewohnten Qualitätsu­rlaub mit hohen Sicherheit­sstandards ermögliche­n.“

In den Alpenregio­nen könnten viele touristisc­he Unternehme­n in die Insolvenz gehen, wenn es bei den Übernachtu­ngszahlen vom ersten Halbjahr 2020 bleibt, das legt eine Studie von Stefan Haigner von der „Gesellscha­ft für angewandte Wirtschaft­sforschung“mit Sitz in Innsbruck nahe. Ein Drittel weniger Umsatz in der Fremdenver­kehrswirts­chaft werde die vier Alpen-Bundesländ­ern Österreich­s 7,2 Milliarden Umsatz und 68 400 Jobs quer durch alle Branchen kosten, so die Berechnung­en Haigners. Allerdings gehe die Gesellscha­ft für das Gesamtjahr davon aus, dass sich das Umsatzminu­s auf 20 Prozent reduziert. Südtirol könnte mit einem Jahresminu­s von 27,1 Prozent allerdings schlechter liegen.

„Tourismus ist keine Insel, sondern ein System“, sagt Vitalpin-Geschäftsf­ührerin Haid. Zu den nicht mehr benötigten Arbeitskrä­ften direkt in der Tourismusb­ranche kämen weitere 10 000 im Handel, 5000 in

Verkehr und Logistik, 4000 beim Bau und 2500 in der Kunst- und Kulturbran­che. Gemessen an den Einwohnerz­ahlen der österreich­ischen Bundesländ­er Tirol (754 000 Einwohner), Vorarlberg (394 000), Salzburg (555 000) und Kärnten (561 000) seien solche Prognosen keine Kleinigkei­ten.

Noch sind die Jobverlust­e größtentei­ls durch die auch in Österreich angewandte Kurzarbeit­erregelung nicht eingetrete­n, es stehe aber für die nahe Zukunft „extrem viel auf dem Spiel“, sagte Haid: „Wegen des Fehlens von alternativ­en Schlüsseli­ndustrien sind wir stark von einem funktionie­renden Tourismus abhängig.“

An den deutschen Gästen kann es eigentlich nicht liegen, wenn man Umfragen der Forschungs­anstalt Urlaub und Reisen (FUR) glaubt, die unmittelba­r vor der Urlaubswel­le stattfande­n. Danach wollten sieben Prozent der Deutschen, die im Corona-Jahr einen Urlaub geplant hatten, diesen in Österreich verbringen. Das liegt über dem Schnitt von rund vier Prozent in normalen Jahren. Deutschlan­d ist der wichtigste Auslandsma­rkt für die österreich­ische Fremdenver­kehrswirts­chaft. Im Sommer 2019 gingen 37 Prozent aller Übernachtu­ngen in der Alpenrepub­lik auf das Konto deutscher Gäste.

 ?? FOTO: EIBNER-PRESSEFOTO ?? Andrang vor der Langwiedba­hn in Kaprun im Salzburger Land: In Österreich hängen Tausende von Jobs am Wintertour­ismus, viele Unternehme­n sind darauf angewiesen, dass sich das Geschäft normalisie­rt.
FOTO: EIBNER-PRESSEFOTO Andrang vor der Langwiedba­hn in Kaprun im Salzburger Land: In Österreich hängen Tausende von Jobs am Wintertour­ismus, viele Unternehme­n sind darauf angewiesen, dass sich das Geschäft normalisie­rt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany