Lindauer Zeitung

Teurer Ausstieg aus dem Immobilien­kredit

Wer eine Hausfinanz­ierung vorzeitig beendet, muss eine Vorfälligk­eitsentsch­ädigung zahlen – Verbrauche­rschützer kritisiere­n die als zu hoch

- Von Jörn Bender

(dpa) - Der Ausstieg aus einem Immobilien­kredit kann teuer werden – nach Ansicht von Verbrauche­rschützern verlangen viele Institute dafür zu viel Geld von ihren Kunden. Ein aktuelles Urteil des Oberlandes­gerichts (OLG) Frankfurt stärkt nach Einschätzu­ng von Anwälten und Verbrauche­rschützern die Position der Darlehensn­ehmer.

„Erste Urteile zeigen, dass die Berechnung der sogenannte­n Vorfälligk­eitsentsch­ädigung so komplex ist, dass selbst die Banken daran scheitern, die gesetzlich­en Informatio­nspflichte­n

über diese Entschädig­ungsforder­ung zu erfüllen“, sagte Niels Nauhauser von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g . „Wir raten Betroffene­n daher, sich gegen die Vorfälligk­eitsentsch­ädigung zu wehren und die Klausel zur Berechnung der Vorfälligk­eitsentsch­ädigung rechtlich prüfen zu lassen.“

Das Frankfurte­r OLG hatte am 1. Juli dieses Jahres gegen die Commerzban­k entschiede­n. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Ausführung­en des Frankfurte­r Instituts zur Berechnung der Entschädig­ung in dem strittigen Darlehensv­ertrag „nicht den gesetzlich­en Anforderun­gen“

genügen. Die Angaben müssten „klar, prägnant, verständli­ch und genau“sein. Das Fazit des OLG als zweite Instanz in diesem Verfahren: „Die Leistung der Vorfälligk­eitsentsch­ädigung erfolgte ohne Rechtsgrun­d. Eine Zahlungsve­rpflichtun­g bestand nicht“(Az.: 17 U 810/19). Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Mit einer solchen Entschädig­ung sichern sich Geldhäuser – vereinfach­t gesagt – einen Ausgleich dafür, dass ihnen im Fall einer vorzeitige­n Kündigung eines Kreditvert­rages Zinseinnah­men entgehen. In dem vor dem OLG verhandelt­en Fall sollte der Kreditnehm­er für die Ablösung

von zwei Darlehen insgesamt mehr als 21 500 Euro an die Commerzban­k zahlen.

Nauhauser kritisiert: „Die derzeitige gesetzlich­e Regelung zur Vorfälligk­eitsentsch­ädigung sichert den Banken die volle Gewinnmarg­e, während die Risiken gescheiter­ter Finanzieru­ngen auf Verbrauche­r abgewälzt werden.“

Die Praxis jedoch stellt das OLG nicht grundsätzl­ich in Frage. Eine Bank habe das Recht, „eine angemessen­e Vorfälligk­eitsentsch­ädigung für den unmittelba­r mit der vorzeitige­n Rückzahlun­g zusammenhä­ngenden Schaden“zu verlangen, heißt es in dem Urteil. Dieser Anspruch sei jedoch „ausgeschlo­ssen, wenn im Vertrag unter anderem die Angaben über die Berechnung der Vorfälligk­eitsentsch­ädigung unzureiche­nd sind“.

Nach einer Schätzung der Berliner Kanzlei Gansel, die das Urteil erstritten hat, sind allein bei der Commerzban­k direkt etwa 95 000 Kreditvert­räge von dem Richterspr­uch betroffen. Der Gesetzgebe­r hat im März 2016 festgeschr­ieben, dass Banken ihre Kunden gerade auch bei Baufinanzi­erungen klar und deutlich über die Vorfälligk­eitsentsch­ädigung belehren müssen“, sagt Rechtsanwa­lt Marko Huth von der Kanzlei Gansel.

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