„Der neue Michael Ballack“
England schwärmt vom bis dato unbekannten Kai Havertz – Der FC Chelsea blamiert sich
(SID/dpa) - „Kia“Havertz?! Nach dem peinlichen Schreibfehler bei der Präsentation des 100-Millionen-Euro-Mannes Kai Havertz brachen Hohn und Spott über den FC Chelsea herein. „Ich kann es kaum erwarten, bis Kia Havertz neben Honda Ziyech, Chevrolet Pulisic und Tesla Werner spielt“, schrieb ein Scherzkeks bei Twitter. Doch das Wortspiel mit den Automarken zeigte auch: Trotz seiner astronomisch hohen Ablöse muss sich Havertz unter all den Topstars in der Premier League erst einen Namen machen.
Nach dem Mega-Deal gehörten die großen Schlagzeilen der Zeitungen auf den dem Sport vorbehaltenen „backpages“anderen, Havertz fand sich nur im Meldungsbereich. Wenn überhaupt. Die BBC fragte: „Wer ist Kai Havertz?“Die Antwort klang immerhin verheißungsvoll: „Der neue Michael Ballack und künftige Superstar“, kurz: ein „German wunderkind“. Die Times kam nach ihrer Spurensuche bei Weggefährten und Entdeckern zu einer ähnlichen Erkenntnis: „Ein Abschluss wie Ballack, schlau wie Busquets.“
Havertz wird's egal sein. Mit dem Wechsel zu den Blues gehe „ein Traum“für ihn in Erfüllung, sagte der jetzt teuerste deutsche Fußballer der Geschichte, er sei „sehr glücklich und stolz“. Kein Wunder, ist der 21-Jährige laut Sun mit unfassbaren 310 000 Pfund/Woche (350 000 Euro) doch künftig Chelseas Topverdiener – mit Abstand. Zum Vergleich: Timo Werner soll dort 170 000 Pfund einstreichen, Weltmeister Oliver Giroud fast schon läppische 110 000.
Havertz, glauben sie in London, ist jeden Penny wert. „Kai ist einer der besten Spieler seines Alters im Weltfußball“, sagte Clubdirektorin Marina Granovskaia, „er ist ein aufregendes, dynamisches Talent.“Trainer Frank Lampard plant das größte Versprechen des deutschen Fußballs als Nummer 10 im 4-2-3-1 oder Achter im 4-3-3 ein. So oder so, Havertz werde „Drehund Angelpunkt“der neuen ChelseaOffensive sein, prophezeite die BBC.
Havertz, davon ist Joachim Löw überzeugt, wird der große Schritt auf die Insel glücken. „Die Zeit für Kai ist reif. Ich habe nicht das Gefühl, dass es zu früh ist. Mit seiner Klasse und Reife wird er sich durchsetzen“, sagte der Bundestrainer. Und auch die DFB-Elf werde von der Erfahrung, die Havertz, Werner und Co. im Ausland sammelten, profitieren: „Das hilft uns.“
Weltmeister Toni Kroos sieht es ähnlich: „Wenn er so weitermacht, wird er schwer aufzuhalten sein“, sagte der Mittelfeldstar von Real Madrid. Grundsätzlich sieht der 30-Jährige Wechsel ins Ausland positiv. „Das macht einen als Spieler besser, das macht einen als Persönlichkeit besser“, sagte Kroos im „Sportstudio“des ZDF. Es könne jedem nur gut tun, mit dem Druck umzugehen, sich gegen starke Konkurrenz durchsetzen zu wollen. Dazu komme eine andere Sprache.
Leverkusens Geschäftsführer Rudi Völler verabschiedete Havertz mit den besten Wünschen. Der verlorene Sohn sei „schon jetzt Weltklasse, mit Sicherheit einer der Besten, die jemals für Bayer 04 gespielt haben“, sagte er. Havertz werde „auch in der extrem fordernden englischen Liga beweisen, welch großartiger Fußballer er ist“.
Während der Ausnahmekicker mit seinem ersten Training in Cobham am Samstag die Vorbereitung auf den Saisonstart am 14. September in Brighton aufnahm, fahndet Völler fieberhaft nach Ersatz. Trainer Peter Bosz will den Verlust von Havertz und auch Stürmer Kevin Volland, der zum AS Monaco ging, „mit mehreren Spielern auffangen“. Die Verpflichtung des ExLeipzigers Patrik Schick (AS Rom) steht unmittelbar bevor.
Havertz' emotionale Abschiedsbotschaft nahmen sie in Leverkusen mit Wehmut auf, aber auch mit Stolz. „Es tut mir leid, dass ich mich nach so vielen Jahren auf diese Weise verabschieden muss“, sagte er, „ich werde Bayer 04 für immer verbunden bleiben. Wir sehen uns wieder.“