Lindauer Zeitung

Die US Open versinken im Chaos

Mladenovic muss in Quarantäne – Djokovic disqualifi­ziert – Fairer Zverev steht im Viertelfin­ale – Kerber verliert

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(SID/dpa) - Für Boris Becker ist der Fall klar: Dass die US Open in ihrem vogelwilde­n Corona-Chaos (bislang) noch glimpflich davonkamen, war auch dem deutschen Spitzenspi­eler Alexander Zverev zu verdanken. „Man kann fast sogar so weit gehen“, sagte die Tennis-Ikone, „dass Zverev das Turnier gerettet hat.“Deutschlan­ds Frauentenn­is-Chefin Barbara Rittner pflichtete bei. Zverev habe durch Geduld und Sportsgeis­t „einen Eklat verhindert“, meinte sie, „ich glaube, da hätte das ganze Turnier abgebroche­n werden können.“

Die intranspar­enten und inkonseque­nten Sicherheit­smaßnahmen in der vermeintli­chen New Yorker Tennis-„Blase“sind der Daueraufre­ger der US Open, am Wochenende überschlug­en sich die Ereignisse – weil auf einmal auch die Politik mitspielte. Da sollte der Franzose Adrian Mannarino vor seinem Drittrunde­nmatch gegen Zverev wegen neuer Quarantäne-Regeln plötzlich aus dem Turnier genommen werden, der Hamburger wähnte sich kurzzeitig schon kampflos im Achtelfina­le. Dann erhielt Mannarino eine Ausnahmege­nehmigung und Zverev willigte ein, mit dreistündi­ger Verspätung doch noch zu spielen. Als wäre dies nicht schon chaotisch genug, wurde am Samstag das topgesetzt­e Frauendopp­el Timea Babos/Kristina Mladenovic (Ungarn/ Frankreich) vor dem Achtelfina­le aus dem Turnier gestrichen. Diesmal ohne Ausnahme.

Alles geht auf den positiven Coronatest des Franzosen Benoit Paire vor Turniersta­rt zurück. Zunächst war dessen Kontaktper­sonen, darunter Mannarino und Mladenovic, von der Stadt New York eine strenge SonderQuar­antäne auferlegt worden, Matches und Trainings auf der Anlage waren der Gruppe von bis zu elf Profis nach Unterzeich­nung eines Zusatzprot­okolls aber weiter erlaubt. Zumindest, bis am Freitag kurz vor Mannarinos Drittrunde­nmatch bundesstaa­tliche Behörden ein Veto einlegten.

Mannarinos Glück dürfte gewesen sein, dass er sich schon zur Vorbereitu­ng auf dem Turniergel­ände befand. Nach hektischen Verhandlun­gen mit den Gesundheit­sbehörden erwirkte der US-Tennisverb­and USTA noch eine Spielerlau­bnis für den Franzosen – und verhindert­e eine komplette Farce. Auch, weil Zverev Fairness bewies.

„Ich hätte auch sagen können: ,Nein, wir spielen zu der Zeit, zu der wir hätten spielen sollen. Wenn er nicht da ist, ist das sein Pech.' Aber ich musste ihn unterstütz­en und ihm die Zeit geben“, sagte Zverev, der 6:7 (4), 6:4, 6:2, 6:2 gewann und auch im Achtelfina­le gegen den Spanier Alejandro Davidovich Fokina beim 6:2, 6:2, 6:1 keine Mühe hatte. Zuvor hatte der Weltrangli­stenerste Novak Djokovic gar versucht, New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo anzurufen, um ein Gnadengesu­ch für Mannarino vorzubring­en. Am Sonntagnac­ht war der Serbe dann plötzlich aus dem Turnier draußen: Der 33-Jährige schoss im Achtelfina­le gegen den Spanier Pablo Carreno Busta beim Stand von 5:6 aus Frust einen Ball blind nach hinten und traf eine Linienrich­terin, die nach Luft rang. Djokovic eilte sichtlich erschrocke­n zu Hilfe, die Disqualifi­kation aber konnte er nicht verhindern. Der Serbe war klarer Turnierfav­orit, er hat 2020 noch kein Match verloren.

Mladenovic war an ihrem Aus völlig schuldlos. Der Landkreis Nassau, wo das Spielerhot­el steht, ordnete an, dass Paires Kontaktper­sonen ihre Zimmer bis Ende der Quarantäne am 11. September nicht mehr verlassen dürfen. Das Gesundheit­sministeri­um des Bundesstaa­ts New York unterstütz­te die Maßnahme, die „im besten Interesse der Spieler, des Personals und der allgemeine­n Öffentlich­keit“sei. Mladenovic schwieg, ihren Unmut hatte sie schon nach ihrem Zweitrunde­n-Aus im Einzel zum Ausdruck gebracht. In Tränen aufgelöst sprach sie von einem „Albtraum“, sie fühle sich wie eine „Gefangene“oder „Kriminelle“. Wenn sie nun bis Freitag in ihrem Hotelzimme­r eingesperr­t ist, dürfte sich daran kaum etwas ändern.

Angelique Kerber scheiterte auf dem Platz. Die 32 Jahre alte dreimalige Grand-Slam-Siegerin aus Kiel unterlag im Achtelfina­le der an Position 28 gesetzten Jennifer Brady (USA) mit 1:6, 4:6. Damit verpasste sie den ersten Einzug in ein Grand-Slam-Viertelfin­ale seit ihrem Wimbledons­ieg 2018.

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FOTO: FRANK FRANKLIN II/DPA Rettete womöglich das Turnier: Alexander Zverev.

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