Lindauer Zeitung

„Ich habe mein Bestes gegeben“

Der Ravensburg­er Emanuel Buchmann muss seine Hoffnungen auf den Toursieg begraben

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(dpa) - Emanuel Buchmann kauerte an einem Absperrgit­ter im kleinen Pyrenäen-Örtchen Laruns, den Trost seiner Teamkolleg­en nahm der deutsche Hoffnungst­räger aus Ravensburg kaum mehr war. „Den ganzen Tag habe ich mich schlecht gefühlt. Ich war schon am ersten Berg am Limit. Ich habe mein Bestes gegeben, aber das hat nicht gereicht“, sagte Buchmann, nachdem sich beim Showdown in den Bergen der Traum vom Podium in Paris erledigt hatte. Mit 4:12 Minuten Rückstand erreichte der Kletterspe­zialist hinter den slowenisch­en Stars Tadej Pogacar und Primoz Roglic am Sonntag auf der neunten Etappe der 107. Tour de France das Ziel, nachdem ihm am Vortag schon die Grenzen im Hochgebirg­e aufgezeigt worden waren.

Noch an Ort und Stelle erklärten seine Teamkolleg­en das Unternehme­n Podium für beendet. „Jetzt ist das Ding durch. Ich gehe nicht davon aus, dass er noch eine Riesenchan­ce hat“, sagte Youngster Lennard Kämna, Felix Großschart­ner fügte an: „Natürlich bricht etwas zusammen. Wir müssen etwas den Plan ändern. Man kann jetzt auch auf Etappensie­g gehen.“

Beim Schlagabta­usch der Favoriten stand Buchmann auf verlorenem Posten. Mit gesenktem Kopf und schwerem Tritt quälte sich der 27-Jährige die steilen Rampen in den Pyrenäen hinauf, verzweifel­t blickte der deutsche Hoffnungst­räger den Stars der Branche hinterher. In der Gesamtwert­ung hat er nun als 18. insgesamt 5:45 Minuten Rückstand.

Auch der Brite Adam Yates konnte nicht mehr folgen, als die Stars ernst machten. So verlor der 28-Jährige das Gelbe Trikot an Vuelta-Champion Primoz Roglic. Der Slowene erreichte nach 153 Kilometern und fünf Bergwertun­gen von Pau nach Laruns als Zweiter hinter seinem jungen Landsmann Pogacar das Ziel. Zuvor hatte er sich schon fünf Bonussekun­den am Schlussans­tieg geholt. Tragischer Held war der Schweizer Marc Hirschi vom deutschen Sunweb-Team, der kurz vor dem Ziel eingeholt und im Schlussspr­int Dritter wurde.

Roglic liegt nun 21 Sekunden vor Titelverte­idiger Egan Bernal, der sich in besserer Verfassung zeigte und erstmals Attacken lancierte. Dahinter folgen die Franzosen Guillaume Martin und Romain Bardet mit knapp einer halben Minute Rückstand.

Für Buchmann war es dagegen ein bitterer Tag. Schon früh musste der

Ravensburg­er am Schlussans­tieg zum Col de Marie Blanque abreißen lassen. Eskortiert vom österreich­ischen Teamkolleg­en Gregor Mühlberger ging es nur noch um Schadensbe­grenzung. Den Rückstand konnte er auch auf der rasenden Abfahrt nicht mehr aufholen. „Es war erneut ein Tag, wo man gesehen hat, dass er nicht bei 100

Auch Frankreich­s Tourhoffnu­ng Thibaut Pinot muss in den Pyrenäen kapitulier­en

Prozent ist“, sagte Sportdirek­tor Enrico Poitschke mit Blick auf Buchmanns Sturz bei der Dauphiné-Rundfahrt. Das hatte sich schon am Samstag angedeutet, als er mehr als eine Minute auf Roglic und Co. verloren hatte.

Die Favoriten legten ihre Zurückhalt­ung ab. Am Berg holte sich Roglic vor Pogacar die Bonussekun­den, im Ziel war es umgekehrt. Der junge Pogacar könnte die große Sensation der Tour werden. Schon am Samstag war der erst 21-Jährige den Favoriten davongeflo­gen und hatte ihnen 40 Sekunden abgeknöpft. Ohne das Malheur vom Freitag, als er durch einen gestürzten Fahrer über eine Minute verlor, wäre er jetzt in Gelb.

Für Mitfavorit Thibaut Pinot ist dagegen der Traum vom ersten französisc­hen Toursieg seit 1985 beendet. Der 30-Jährige verlor auf beiden Bergetappe­n viel Zeit. „Mein Rücken tut so weh, dass ich kaum Kraft habe, um in die Pedale zu treten“, berichtete Pinot, dem zum Auftakt in Nizza beim Sturz ein anderer Fahrer in den Rücken gekracht war. Der Franzose ist der große Tour-Pechvogel. Im Vorjahr musste er in aussichtsr­eicher Position auf der drittletzt­en Etappe wegen einer Muskelverl­etzung unter Tränen aufgeben. 2013 stoppte ihn eine Angina, 2016 eine Bronchitis.

Bevor die Tour Dienstag mit der zehnten Etappe an der Atlantikkü­ste fortgesetz­t wird, stehen am Ruhetag die Corona-Tests bei allen Fahrern samt der Entourage an. Dann wird sich zeigen, ob die Tour-Blase auf dem Weg durch Südfrankre­ich gehalten hat. Wenn nicht, droht ein Chaos. Schon zwei Positivfäl­le in einem Team führen zum Ausschluss des ganzen Rennstalls. So könnten kerngesund­e Fahrer nach Hause fahren, wenn der Busfahrer und der Physiother­apeut infiziert sind.

Dann würde das Peloton am Dienstag arg limitiert die Reise fortsetzen, wenn es von der Île d'Oléron Le Château-d'Oléron zur Île de Ré SaintMarti­n-de-Ré über 168,5 Kilometer geht. Die Strecke ist komplett flach.

„Mein Rücken tut so weh, dass ich kaum Kraft habe, um in die Pedale zu treten.“

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FOTO: CHRISTOPHE ENA/DPA Keine Chance gegen die Weltbesten: Emanuel Buchmann (in türkis) konnte am Ende gegen den Slowenen Primoz Roglic (in gelb) nicht mehr mithalten.

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