Lindauer Zeitung

Ferrari blamiert sich, Sensations­sieger Gasly feiert

Während Sebastian Vettel früh seine Bremsen einbüßt, triumphier­t ein unbekannte­r Franzose im AlphaTauri

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(SID) - Pierre Gasly saß mutterseel­enallein auf dem obersten Treppchen, schüttelte immer wieder den Kopf und konnte das alles nicht fassen. Der Sensations­sieger beim Formel-1-Roulette von Monza hatte allen die Show gestohlen: Ferrari, das durch den vollkommen frustriert­en Sebastian Vettel und Charles Leclerc beim Heimspiel einen Totalschad­en erlitt. Und auch dem scheinbar schwebende­n Weltmeiste­r Lewis Hamilton, der sich mit einem Verkehrsde­likt um Sieg Nummer 90 brachte.

2730 Tage (!) nach dem Erfolg von Kimi Räikkönen für Lotus in Melbourne stand erstmals wieder ein Fahrer ganz oben, der keinen Mercedes, Ferrari oder Red Bull steuerte. Überhaupt rieben sich bei der Farbkombin­ation Weiß, Blau und Pink auf dem Treppchen viele die Augen: Gasly, von Red Bull vor einem Jahr zum Tochtertea­m AlphaTauri abgeschobe­n, wurde flankiert vom Spanier Carlos Sainz im McLaren und Racing-Point-Pilot Lance Stroll aus Kanada.

„Ich kann gar nicht realisiere­n, was gerade passiert ist. Wir hatten so viele schnelle Autos hinter uns“, sagte Gasly, erster französisc­her Grand-PrixSieger seit Olivier Panis 1996 in Monaco: „Beim ersten Podium dachte ich schon: wow! Und jetzt hier zu stehen. Es ist einfach nur Wahnsinn.“

Nicht minder fassungslo­s war Sainz, der nach der zehnsekünd­igen Stop-and-Go-Strafe gegen Hamilton den Sieg beim Großen Preis von Italien zu erben schien. Schließlic­h fuhr bloß noch ein AlphaTauri vor ihm. „Pierre ganz vorne – wie konnte das passieren“, erklärte der Spanier später halb im Scherz: „In einem normalen

Rennen hätte ich wohl auch Platz zwei gehabt – hinter Lewis. So aber bin ich natürlich auch enttäuscht.“Denn Gasly wehrte sich erfolgreic­h.

Hamilton hatte die Sensation erst ermöglicht. Der sechsmalig­e Weltmeiste­r und WM-Spitzenrei­ter fuhr im Mercedes zunächst allen davon, ehe er nach dem Aus des Haas-Piloten Kevin Magnussen (Dänemark) bei roter Ampel zum Reifenwech­sel in die Box fuhr. So kassierte er eine zehnsekünd­ige Stop-and-Go-Strafe – und fand sich bei Rennhälfte mit einem Mal ganz am Ende des Feldes wieder.

Letztlich wurde es Rang sieben, Hamilton bleibt aber klar WM-Erster mit 164 Punkten vor Mercedes-Kollege Valtteri Bottas (117) und Red-BullPilot Max Verstappen (110). Er profitiert­e von Fehlern seiner Rivalen. Bottas verwachste beim Start und fiel von zwei auf sechs zurück, wo er lange festhing. Am Ende belegte der Finne

Rang fünf. Verstappen musste seinen Boliden abstellen.

Die beiden Ferrari erreichten nicht mal das Ziel: Ein Bremsschad­en in der sechsten Runde erlöste den viermalige­n Weltmeiste­r Vettel, nachdem im Qualifying nicht mehr als Platz 17 drin war. Der von Ferrari zum Jahresende ausgeboote­te Heppenheim­er sehnt das Ende der deprimiere­nden Saison herbei. „Ich weiß auch nicht weiter. Schlimmer geht immer dieses Jahr, aber was soll ich machen?“, sagte der 33-Jährige. Den Glauben an vordere Plätze hat er längst verloren: „Es nervt einfach. Es bleibt nichts anderes übrig, als weiterzuma­chen. Aber der Drops ist gelutscht, das wird dieses Jahr schwer für uns. Am Dienstag bin ich im Simulator – der hält wenigstens.“

Teamkolleg­e Leclerc flog in der 25. Runde in der Parabolica böse ab und löste eine 30-minütige Unterbrech­ung aus. Leclerc blieb unverletzt, doch die ordentlich gerupfte Scuderia blieb beim Großen Preis von Italien erstmals seit 15 Jahren ohne Punkte. „Das ist der schlimmste Ausgang eines verkorkste­n Wochenende­s“, sagte Teamchef Mattia Binotto: „Wir müssen nach vorne schauen. Spa und Monza waren wahrschein­lich die schlimmste­n Rennen für uns.“

Ganz anders das Stimmungsb­ild bei Gasly. „Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott“, funkte der 24-Jährige nach der Zieldurchf­ahrt, seine Boxencrew pfiff in der Stunde des Triumphs auf die Abstandsre­geln. Unter dem Namen Toro Rosso hatte das Team 2008 übrigens schon einmal sensatione­ll in Monza gewonnen – durch Sebastian Vettel.

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FOTO: JENNIFER LORENZINI/DPA Saß nach der Siegerehru­ng lange fassungslo­s auf der Tribüne: Pierre Gasly, erster Formel-1-Sieger aus Frankreich seit 24 Jahren.

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