Lindauer Zeitung

Menschenke­tte gegen Corona-Maßnahmen

250 000 Teilnehmer will ein Konstanzer für die Aktion gewinnen – Experte warnt vor Rechtsextr­emen auf Demo

- Von Stefan Fuchs

- Bis zu 250 000 Menschen will der Konstanzer Gerry Mayr am 3. Oktober rund um den Bodensee versammeln. Eine Menschenke­tte soll daraus werden, wie er sagt, für Frieden, Freiheit und gegen die gegenseiti­ge Entfremdun­g. Der Organisato­r Mayr gehört zu der sogenannte­n Querdenken-Bewegung.

In Vaduz, der Hauptstadt Liechtenst­eins, soll die Kette beginnen und dann über Bregenz in Österreich, Kreuzlinge­n in der Schweiz und über Konstanz entlang des Bodenseeuf­ers führen. Die Teilnehmer sollen durch eigens angefertig­te Schals verbunden werden. In den genannten Städten sollen zudem Kundgebung­en stattfinde­n.

Mayr ist der Kopf der Konstanzer Querdenken-Sektion. Er möchte Teilnehmer aus allen vier Anrainerst­aaten, aber auch aus Frankreich oder Belgien an den Bodensee locken. „Wir sollten uns nicht mehr anfeinden, nicht mehr gegenseiti­g von Schlafscha­fen oder Covidioten reden. Die Menschen sollen wieder zueinander­finden“, sagt er.

Damit sie das angesichts von allein schon 273 Kilometern Uferlänge am Bodensee überhaupt können, braucht er viele Teilnehmer. „Ich erhoffe mir mindestens 200 000 Menschen, bestenfall­s 250 000“, sagt Mayr auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Das ließe die Corona-Demonstrat­ionen der vergangene­n Wochen in Berlin mickrig erscheinen. Am 1. und am 29. August hatten nach Angaben der Berliner Polizei und des Innensenat­ors zusammenge­rechnet rund 70 000 bis 80 000 Menschen demonstrie­rt, darunter Menschen aus bürgerlich­en Milieus, Esoteriker, Impfgegner, aber auch zahlreiche Rechtsextr­eme. Mayr, der selbst in Berlin teilgenomm­en hatte, will letztere ausschließ­en. „Kein Mensch will in einer Friedenske­tte neben einem Rechtsextr­emen stehen“, sagt er.

Der Berliner Extremismu­sforscher Hajo Funke glaubt indes nicht, dass das funktionie­rt. Die Demo werde „unterlaufe­n werden von Rechtsextr­emen“, sagt Funke im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Die Querdenken-Bewegung ist für diese anschlussf­ähig, da die Anti-CoronaGrup­pierungen selbst ein autoritäre­s Verständni­s haben.“Schon in Berlin habe sich spätestens am 29. August gezeigt, dass die „Querdenker“„Rechtsextr­eme auf die Bühne bringen. Und auf diesen Auftritten sprechen sie von einem faschistis­chen Regime,

das in Deutschlan­d herrsche. Dass die Demokratie keine wirkliche sei, sondern Besatzungs­recht herrsche und dass man ein neues System brauche“, sagt Funke.

Die Schlagwort­e „Frieden und Freiheit“seien codierte Sprechblas­en, so Funke. Die Querdenker würden davon ausgehen, dass ihre Freiheit und die Demokratie durch die CoronaMaßn­ahmen schwer beschädigt seien. „Dem ist zu widersprec­hen, da es in der Corona-Politik in Deutschlan­d darum geht, das Interesse der Menschen an gesundheit­licher Sicherheit und damit ein Grundrecht zu sichern und nicht darum, die Demokratie im Sinne von Verschwöru­ngsannahme­n zu stürzen“, so Funke.

Das Bundesamt für Verfassung­sschutz stützt die Annahmen des Extremismu­sforschers. Es teilte kürzlich mit, dass es in den vergangene­n Monaten in Deutschlan­d mehr als 90 Kundgebung­en gegen Corona-Maßnahmen gab, bei denen Rechtsextr­emisten Wortführer waren.

Gerry Mayr ist sich dennoch sicher, dass seine Vorkehrung­en ausreichen. Die Ordner würden entspreche­nd geschult, die Busfahrer sollen einschlägi­g gekleidete Personen gar nicht erst mitnehmen. „Ich will keine Flaggen sehen, auch keine Reichsflag­gen.“Zudem, so sagt er, soll eine Online-Anmeldung dafür sorgen, dass keine Extremiste­n teilnehmen. Überprüfen könne man die Angaben aber nicht, sagt Mayr.

Er möchte, dass die „Friedenske­tte“losgelöst von politische­n Einstellun­gen und auch von der Querdenken-Bewegung gesehen wird. Allerdings hat er für den Tag eine Querdenken-Kundgebung in Konstanz angemeldet. Unter Aufrufen zur Demo, die er auf Facebook postet, verlinkt Mayr selbst deren Webseite. Mayr positionie­rt sich auf Kundgebung­en gegen Regierung und Weltgesund­heitsorgan­isation, gegen den Charité-Virologen Christian Drosten und das Infektions­schutzgese­tz.

In seiner Heimatstad­t stoßen besonders seine Aufrufe zu Demos im Internet häufig auf Unverständ­nis. Dass er die Corona-Rebellen quasi von Berlin nach Konstanz holen wolle, kreiden ihm viele an.

Aber nicht nur aus dem Netz kommt Gegenwind. Von insgesamt 14 für den 3. Oktober angemeldet­en Demonstrat­ionen in Konstanz richten sich neun explizit gegen die Querdenker. Die Stadt prüft derzeit, unter welchen Auflagen und an welchen Orten die Demonstrat­ionen stattfinde­n können.

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FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Die Kette soll auch über Konstanz führen.

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