Menschenkette gegen Corona-Maßnahmen
250 000 Teilnehmer will ein Konstanzer für die Aktion gewinnen – Experte warnt vor Rechtsextremen auf Demo
- Bis zu 250 000 Menschen will der Konstanzer Gerry Mayr am 3. Oktober rund um den Bodensee versammeln. Eine Menschenkette soll daraus werden, wie er sagt, für Frieden, Freiheit und gegen die gegenseitige Entfremdung. Der Organisator Mayr gehört zu der sogenannten Querdenken-Bewegung.
In Vaduz, der Hauptstadt Liechtensteins, soll die Kette beginnen und dann über Bregenz in Österreich, Kreuzlingen in der Schweiz und über Konstanz entlang des Bodenseeufers führen. Die Teilnehmer sollen durch eigens angefertigte Schals verbunden werden. In den genannten Städten sollen zudem Kundgebungen stattfinden.
Mayr ist der Kopf der Konstanzer Querdenken-Sektion. Er möchte Teilnehmer aus allen vier Anrainerstaaten, aber auch aus Frankreich oder Belgien an den Bodensee locken. „Wir sollten uns nicht mehr anfeinden, nicht mehr gegenseitig von Schlafschafen oder Covidioten reden. Die Menschen sollen wieder zueinanderfinden“, sagt er.
Damit sie das angesichts von allein schon 273 Kilometern Uferlänge am Bodensee überhaupt können, braucht er viele Teilnehmer. „Ich erhoffe mir mindestens 200 000 Menschen, bestenfalls 250 000“, sagt Mayr auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Das ließe die Corona-Demonstrationen der vergangenen Wochen in Berlin mickrig erscheinen. Am 1. und am 29. August hatten nach Angaben der Berliner Polizei und des Innensenators zusammengerechnet rund 70 000 bis 80 000 Menschen demonstriert, darunter Menschen aus bürgerlichen Milieus, Esoteriker, Impfgegner, aber auch zahlreiche Rechtsextreme. Mayr, der selbst in Berlin teilgenommen hatte, will letztere ausschließen. „Kein Mensch will in einer Friedenskette neben einem Rechtsextremen stehen“, sagt er.
Der Berliner Extremismusforscher Hajo Funke glaubt indes nicht, dass das funktioniert. Die Demo werde „unterlaufen werden von Rechtsextremen“, sagt Funke im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Die Querdenken-Bewegung ist für diese anschlussfähig, da die Anti-CoronaGruppierungen selbst ein autoritäres Verständnis haben.“Schon in Berlin habe sich spätestens am 29. August gezeigt, dass die „Querdenker“„Rechtsextreme auf die Bühne bringen. Und auf diesen Auftritten sprechen sie von einem faschistischen Regime,
das in Deutschland herrsche. Dass die Demokratie keine wirkliche sei, sondern Besatzungsrecht herrsche und dass man ein neues System brauche“, sagt Funke.
Die Schlagworte „Frieden und Freiheit“seien codierte Sprechblasen, so Funke. Die Querdenker würden davon ausgehen, dass ihre Freiheit und die Demokratie durch die CoronaMaßnahmen schwer beschädigt seien. „Dem ist zu widersprechen, da es in der Corona-Politik in Deutschland darum geht, das Interesse der Menschen an gesundheitlicher Sicherheit und damit ein Grundrecht zu sichern und nicht darum, die Demokratie im Sinne von Verschwörungsannahmen zu stürzen“, so Funke.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stützt die Annahmen des Extremismusforschers. Es teilte kürzlich mit, dass es in den vergangenen Monaten in Deutschland mehr als 90 Kundgebungen gegen Corona-Maßnahmen gab, bei denen Rechtsextremisten Wortführer waren.
Gerry Mayr ist sich dennoch sicher, dass seine Vorkehrungen ausreichen. Die Ordner würden entsprechend geschult, die Busfahrer sollen einschlägig gekleidete Personen gar nicht erst mitnehmen. „Ich will keine Flaggen sehen, auch keine Reichsflaggen.“Zudem, so sagt er, soll eine Online-Anmeldung dafür sorgen, dass keine Extremisten teilnehmen. Überprüfen könne man die Angaben aber nicht, sagt Mayr.
Er möchte, dass die „Friedenskette“losgelöst von politischen Einstellungen und auch von der Querdenken-Bewegung gesehen wird. Allerdings hat er für den Tag eine Querdenken-Kundgebung in Konstanz angemeldet. Unter Aufrufen zur Demo, die er auf Facebook postet, verlinkt Mayr selbst deren Webseite. Mayr positioniert sich auf Kundgebungen gegen Regierung und Weltgesundheitsorganisation, gegen den Charité-Virologen Christian Drosten und das Infektionsschutzgesetz.
In seiner Heimatstadt stoßen besonders seine Aufrufe zu Demos im Internet häufig auf Unverständnis. Dass er die Corona-Rebellen quasi von Berlin nach Konstanz holen wolle, kreiden ihm viele an.
Aber nicht nur aus dem Netz kommt Gegenwind. Von insgesamt 14 für den 3. Oktober angemeldeten Demonstrationen in Konstanz richten sich neun explizit gegen die Querdenker. Die Stadt prüft derzeit, unter welchen Auflagen und an welchen Orten die Demonstrationen stattfinden können.