Zerstörte Hoffnungen
Fast 13 000 Menschen benötigen nach dem verheerenden Brand in Moria eine Unterkunft
– Die Bewohner des Lagers Moria sind mitten in der Nacht ohne ihr Hab und Gut die umliegenden Olivenhaine hinauf gerannt, um sich vor den Flammen zu retten. Es war kurz vor Mitternacht, als in dem Flüchtlingslager auf der Insel Lesbos ein Brand ausbrach, der sich schnell verbreitete, weil starke Winde die Flammen weiter trugen. Noch sind nicht alle Fragen geklärt.
Was waren die Umstände rund um den Brand im Lager Moria?
Die griechischen Behörden nehmen an, dass das Feuer aus Protest von Migranten entfacht wurde. In Medienberichten wurde aber auch über einen möglichen fremdenfeindlichen Hintergrund spekuliert. Anfang September tauchte im Lager der erste Fall einer Coronavirus-Infektion auf, mittlerweile wurden 35 Personen positiv getestet und umfassende Quarantäne-Maßnahmen erlassen. Die Menschen durften seit dem 2. September für zwei Wochen nicht mehr aus dem Lager raus, die Polizei kontrollierte die Eingänge, Bewohner wurden in Quarantäne geschickt. Doch am Dienstag weigerten sich einige, in Quarantäne-Bereiche übersiedelt zu werden. Das wiederum machte anderen der Asylsuchenden Angst. Es kam zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Bewohnern des Camps. Einige von ihnen versuchten, die Infizierten aus dem Lager rauszuschmeißen. Aus Sorge, ebenfalls infiziert zu werden, verließen manche zudem in der Nacht das Camp. Außerdem verbreitete sich das Gerücht, dass die griechische Regierung, um weitere Covid-19-Fälle zu vermeiden, alle Leute in geschlossene Camps bringen könnte, was gar nicht der Fall war.
Welche Auswirkungen hat der Brand?
Fast das gesamte Lager, in dem zur Zeit etwa 12 700 Menschen leben – sowohl die Container im Zentrum, als auch die selbstgebauten Zelte rundherum – wurden von den Flammen zerstört. Nur einige Verwaltungsgebäude blieben stehen. Bisher gibt es keine Hinweise, dass Menschen verletzt worden oder gar ums Leben kamen. Die Behörden haben bereits vor der Katastrophe beschlossen, dass Asylbewerber die Inseln nicht mehr verlassen dürfen, um eine Verbreitung des Virus zu verhindern. Aufgrund der chaotischen Umstände ist es nun aber viel schwieriger geworden, jene Menschen in Quarantäne zu bringen, die möglicherweise infektiös sind, weil dazu Massentests notwendig wären. Vergangene Woche wurden 2000 Leute im Camp getestet.
Welche Maßnahmen hat die griechische Regierung nun ergriffen?
Die Regierung hat für vier Monate den Ausnahmezustand für die Insel Lesbos ausgerufen, um Katastrophenschutzmaßnahmen zu bündeln. Zunächst geht es darum, möglichst schnell Unterkünfte zu schaffen. Für die 3500 Leute, die in Containern untergebracht waren, werden nun Zeltlager
errichtet. Die anderen werden sich wohl neue Zelte bauen. Es handelt sich um einfache Holzkonstruktionen mit Plastikplanen. Zusätzliche Polizeikräfte wurden zur Insel entsandt. Bereits in der Nacht hatte die Polizei Barrikaden errichtet, um zu verhindern, dass die Flüchtlinge und Migranten bis in die Stadt Mytilini gehen. Denn dort fürchtet man die Ausbreitung des Virus. Bürgermeister Stratis Kytelis sagte, dass die Migranten auf Schiffen untergebracht werden könnten, um die Pandemie
einzudämmen. Die Sicherheitslage war durch die Brände derart außer Kontrolle geraten, dass 200 Menschen in Abschiebehaft laut der Polizei freigelassen wurden.
Wie viele Menschen kommen derzeit neu auf den Inseln an?
Vergleichsweise wenig. Seit Beginn der Corona-Pandemie kommen kaum mehr Migranten aus der Türkei nach Griechenland. Die griechische Regierung hat zudem die Grenzschutzmaßnahmen – unter anderem mit Booten – verstärkt. Vergangene Woche erreichten 26 Personen die ägäischen Inseln, die Woche zuvor waren es 163 Leute. Im Vorjahr kamen in der Vergleichswoche noch 1779 Flüchtlinge und Migranten aus der Türkei in Griechenland an. Noch leben 27 000 Asylbewerber auf den ägäischen Inseln, davon sind 47 Prozent aus Afghanistan, 19 Prozent aus Syrien und sechs Prozent aus dem Kongo. In den vergangenen Wochen und Monaten wurden Tausende Asylwerber aufs Festland gebracht.