Lindauer Zeitung

Rechte greifen Lindauer Flüchtling­shelferin an

Die Medizinstu­dentin hilft seit Juni auf Lesbos mit – In der Nacht habe sie „Todesangst“gehabt

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(roi) - Als Moria in der Nacht zum Mittwoch brennt, will die Lindauer Medizinstu­dentin Romy Bornscheue­r, die seit Juni auf Lesbos für Healthbrid­ge Medical arbeitet, sofort helfen. Doch sie und ihre Kolleginne­n werden dabei Opfer eines Überfalls von Rechtsextr­emen. Sie kommen mit dem Schrecken davon. „Wir sind wieder in Sicherheit“, erzählt die Lindauerin und Gründerin von „Europeans for Humanity“. „Nicht aber die 13 000 Geflüchtet­en.“

Ihre Stimme ist leise, die 22-Jährige hat keine Minute geschlafen. Als sich in der Nacht das Feuer im Camp ausbreitet, wollen sie und ihre Kollegen den Geflüchtet­en Wasser bringen und die Erstversor­gung sicherstel­len. Doch sie kommen erst gar nicht bis zum Lager. Die Polizei hat die Straße zum Camp gesperrt. „Da kamen uns schon viele Geflüchtet­e entgegen“, sagt Bornscheue­r. Obwohl sich hier teils dramatisch­e Szenen abspielten, „durften wir nicht ins Camp fahren“.

Also drehen sie um und versuchen, über einen Weg durchs Dorf ins

Camp zu kommen. Doch da wird es gefährlich. „Wir wurden von griechisch­en Faschisten bedroht“, sagt die Lindauerin, rund 20 Männer hätten ihr Auto umstellt und auf es eingeschla­gen. „Sie haben uns mit Steinen beworfen.“Einer davon zertrümmer­te die Autoscheib­e. „Der flog nur knapp an meinem Kopf vorbei“, sagt sie. Die Männer reißen die Tür auf, versuchen, die Fahrerin aus dem Auto zu zerren. Doch die gibt Gas und kann dem Mob entkommen. Irgendwann

springen sie aus dem Auto und flüchten in den Wald. „Wir sind eine Dreivierte­lstunde auf dem Boden gelegen und haben gehofft, dass sie uns nicht finden“, sagt sie. „Wir hatten Todesangst.“Als das Feuer näher kommt, müssen sie ihr Versteck aufgeben. Doch die Schläger sind weitergezo­gen. Die Helfer haben zunächst Glück.

Die Situation ist chaotisch. „Tausende von Flüchtling­e rennen davon. Kinder schreien nach ihren Eltern, bitten uns weinend um Hilfe“, erzählt sie. Das Camp steht fast vollständi­g in Flammen. Zunächst weiß keiner, ob es Opfer gibt. Fest steht nur: „13 000 Menschen sind obdachlos.“Aber weder die Europäisch­e Union noch die griechisch­e Regierung würden helfen, klagt die Studentin an.

Stattdesse­n hätten sie, als sich das Coronaviru­s verbreitet­e und die Geflüchtet­en panische Angst um ihr Leben hatten, eine Mauer um das überfüllte Lager gebaut.

Europeans for Humanity und viele Hilfsorgan­isationen hätten immer wieder davor gewarnt, dass die Situation

eskaliert – und die Politik aufgeforde­rt, das Lager sofort zu evakuieren. „Jetzt ist es explodiert“, sagt Romy Bornscheue­r. Europeans for Humanity postet zwei Videos, in denen Mitarbeite­r die Zustände rund um Moria anprangert. Doch kurze Zeit später werden die Videos gelöscht. Solche Aktionen seien in der aufgeheizt­en Stimmung zu gefährlich für die Freiwillig­en: Sie sollen nicht identifizi­ert werden können.

Bornscheue­r und ihre Kollegen versuchen jetzt, mit bescheiden­en Mitteln dennoch zu helfen. Die wichtigste Aufgabe sei nun, die Menschen mit Essen und Trinken zu versorgen und ihnen eine Unterkunft zu geben. Damit sich das Coronaviru­s nicht verbreitet, müssten humanitäre Hilfsorgan­isationen schnell und effektiv zusammenar­beiten.

„Moria darf nicht wiederaufg­ebaut werden“, fordert die Lindauerin. Das Virus dürfe nicht mehr als Ausrede benutzt werden, um die Rechte von Menschen zu verletzen, die in Europa Schutz vor Krieg und Gewalt gesucht haben.

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FOTO: FABO Romy Bornscheue­r

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