Lindauer Zeitung

Scholz bleibt kühl

Der Vizekanzle­r muss sich unangenehm­en Fragen zu mehreren Finanzskan­dalen stellen

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wieder versucht die Opposition, ihn unter Druck zu setzen: Erst FDP, dann Linke, dann Grüne. Kann es Zufall sein, dass sich Scholz als Hamburger Bürgermeis­ter 2016 erst mit einem Banker traf und das Finanzamt kurz darauf Millionen-Nachforder­ungen gegen die Bank verjähren ließ? Scholz antwortet ruhig, aber bestimmt: „Es hat keine politische Einflussna­hme auf die Entscheidu­ng des Finanzamte­s Hamburg gegeben – von mir nicht und auch von anderen nicht. Da bin ich mir sehr, sehr sicher.“

Das gleiche versichert­e er zuvor dem Finanzauss­chuss, der ihn hinter verschloss­enen Türen zum Cum-ExSkandal befragte. Trotzdem sind die Fragestell­er unzufriede­n. „Olaf Scholz konnte die Zweifel einer möglichen politische­n Einflussna­hme im Fall der Warburg Bank nicht ausräumen“, sagt Grünen-Abgeordnet­e Lisa Paus. Ihr Linken-Kollege, Fraktionsv­ize Fabio De Masi, kommentier­t süffisant, dass Scholz vieles mit Erinnerung­slücken beiseite argumentie­re, sei angesichts der vielen Millionen Euro Schaden schon „bemerkensw­ert“.

Am SPD-Kanzlerkan­didaten jedoch scheint das alles abzupralle­n. Der Vizekanzle­r tritt unter Druck souverän auf wie immer. Grinst bei Antworten, die er selbst witzig findet. Deutlich wird: Auch im anstehende­n Untersuchu­ngsausschu­ss zum Wirecard-Bilanzskan­dal wird Scholz nur schwer zu packen sein.

Der ganze Tag ist eine Art Stresstest für den Finanzmini­ster: Erst wird er im Ausschuss gegrillt, dann im Bundestag ins Kreuzverhö­r genommen, später redet er noch in einer Debatte. Doch gestresst wirkt er nicht – er scheint in der Drucksitua­tion aufzugehen. Alle wollen ihn drankriege­n. Doch Scholz betont, er habe keine Geheimniss­e und wettert das ab.

Genau wie der trockene Norddeutsc­he vor nicht einmal einem Jahr seine Niederlage im Wettstreit um den SPD-Vorsitz abgewetter­t hat. Wer von der eigenen Partei nicht als Chef gewollt werde, müsse auch als Vizekanzle­r zurücktret­en, meinten damals viele. Scholz zog sich ein paar Tage zurück, tauchte wieder auf und machte weiter.

Jetzt ist er tatsächlic­h Spitzenkan­didat der SPD – gekürt von jenen, gegen die er Ende 2019 verlor. Die Bundestags­fraktion stärkt ihm auch in den Skandalen den Rücken: Es gebe keinerlei Zweifel an Scholz, betont Fraktionsm­anager Carsten Schneider. „Ich vertraue Olaf Scholz zu 100 Prozent – ich kenne ihn.“

Doch es sind noch mehr als zwölf Monate bis zur Bundestags­wahl. Zeit, in der viel schief gehen kann – und in der die Konkurrenz Skandale wie Wirecard und Warburg noch kräftig ausschlach­ten wird. „Das wird ein harter Ritt“, hat Scholz daher auch dem „Spiegel“gesagt. Doch das scheint ihn gar nicht zu stören, eher eine willkommen­e Herausford­erung zu sein.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Olaf Scholz (SPD).

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