Wo die Freiheit aufhört
Parlamentarischer Staatssekretär Günter Krings fordert hartes Vorgehen gegen Regelbrecher auf Corona-Demos
- Am Tag der Deutschen Einheit wollen Gegner der Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen. Dieses Mal aber nicht in Berlin oder Stuttgart, sondern in Konstanz. Der Zulauf solcher Demonstrationen macht Günter Krings „ein Stück weit ratlos“, wie er der „Schwäbischen Zeitung“sagt. Der 51-jährige Mönchengladbacher ist seit 2013 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern. Erst unter Thomas de Maizière (CDU), aktuell unter Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).
Als promovierter Jurist ist Krings Fachmann in Rechtsfragen – und schaltete sich jüngst in die Debatte um Corona-Demos ein. Er forderte, dass die Polizei härter gegen Demonstranten durchgreifen müsse, die sich nicht an die Corona-Regeln wie Abstands- und Maskenpflicht halten.
„Es ist eine kleine Minderheit, die – zum Teil sogar militant – dagegen vorgeht“, sagt er. Diese kleine, sich radikalisierende Gruppe demonstriere nicht, weil sie Bedenken habe – sondern sich aus Prinzip vom Staat nichts vorschreiben lassen wolle, mutmaßt Krings. „Auch nicht in einer Situation, in der es um Leben und Gesundheit anderer Menschen geht.“
Dieses Phänomen nehme er so in keinem anderen europäischen Land wahr, sagt Krings. Zwar halte er es nicht für akzeptabel Corona-Demonstranten pauschal zu verunglimpfen. „Aber es ist natürlich bedenklich, wenn manche offenbar nichts dabei finden, neben denen zu demonstrieren, die die Reichsflagge oder die Reichskriegsflagge zeigen.“
Organisiert wurden größere Kundgebungen gegen die CoronaMaßnahmen in Stuttgart und Berlin von der Demonstrationsbewegung Querdenken 711. In einem Interview mit dem SWR hatte sich Michael Ballweg, Gründer von Querdenken 711, von rechts- und linksextremer Einflussnahme distanziert. Ballweg bezeichnete die Querdenken-Initiative als demokratische Bewegung.
Ihr Demokratieverständnis präsentierte eine Gruppe der Demonstranten während der QuerdenkenDemo Ende August in Berlin und erklomm die Stufen des Reichstags. Mit dem Druck der Straße Abgeordnete einzuschüchtern, könne nicht akzeptiert werden, sagt Krings. Er ergänzt: „Wenn der Bundestag, das Reichstagsgebäude, zur Werbefläche für radikale Forderungen wird, ist das ein Problem für die parlamentarische Demokratie.“
Darum bringt Krings eine Bannmeile ins Spiel – als Schutzzone, in der sich keine Demonstranten versammeln dürfen. „Es gab früher ein echtes Bannmeilengesetz“, erklärt der CDU-Politiker. Er habe dessen Abschaffung für falsch gehalten. „Insofern würde ich mich nicht damit schwertun, diesen, bis 1999 gültigen Rechtszustand wiederherzustellen“, sagt er. Auch Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, hatte erklärt, er halte eine Bannmeile um den Bundestag für sinnvoll. Der Ältestenrat des Bundestags hatte zuletzt über strengere Sicherheitsmaßnahmen am Reichstag beraten, will darauf jedoch vorerst verzichten. Er wartet nun auf den Bericht der Berliner Sicherheitsbehörden.
Und dennoch bekräftigt Krings: „Es herrscht Demonstrationsfreiheit, auch für Unsinn.“Auch an Verschwörungsmythen zu glauben sei nicht verboten. Aber es gebe strafrechtliche Grenzen. Wenn die überschritten würden, müsse der Staat einschreiten. „Wir werden nicht alle erreichen“, sagt der Parlamentarische Staatssekretär. „Aber wenn wir schon jeden Zehnten, der bei einer Corona-Demo einen Verstoß begangen hat, mit einer Strafe oder einem Bußgeld belegen können, dann ist das schon ein klares Signal.“
Warum sich gerade in Deutschland der Widerstand gegen die Politik regt, darüber zeigt sich der Jurist ratlos. „Ein Grund mag sein, dass der Verlauf der Pandemie in Deutschland bisher relativ milde war. Deshalb haben manche den Ernst der Situation offenbar nicht verstanden“, vermutet er. Hinzukomme eine Minderheit, die generell mit Expertenrat nichts mehr anfangen könne. „So etwas haben wir zum Beispiel auch von den Brexit-Befürwortern gehört“, erinnert sich Krings. Eine Entwicklung, die über das Corona-Phänomen hinausgehe und die er mit Sorge sehe.
Günter Krings ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern. Nach seiner Ausbildung zum Juristen wählten ihn die Bürger seiner Heimatstadt Mönchengladbach 2002 erstmals für die CDU direkt in den Bundestag. Von 2009 bis 2013 war der promovierte Rechtsanwalt stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und verantwortete die Bereiche Innen und Recht. Seit 2017 ist Günter Krings Vorsitzender der Landesgruppe NRW der CDU-Fraktion im Bundestag. 2018 bewarb er sich um das Amt des Präsidenten des deutschen Verfassungsgerichts, scheiterte aber am Widerstand der Grünen. (sisc)