Lindauer Zeitung

Fallstrick­e im Erbrecht

Wie sich Überraschu­ngen bei der Erbfolge vermeiden lassen

- Von Annette Jäger

- Beim Thema Erbe hat Halbwissen Hochkonjun­ktur: Viele meinen zu wissen, wer was von wem erbt – oft ist das ein großer Irrtum. Erbrecht ist komplex und die Erbfolge hält so einige Überraschu­ngen bereit. So erben plötzlich entferntes­te Verwandte einen Anteil, zum Teil mit eklatanten Folgen. Immobilien müssen zwangsvers­teigert werden, um den Hausstand wird erbittert gestritten. Besonders betroffen sind Ehepaare, die keine Kinder haben. Aber auch für Alleinsteh­ende, stellt sich die Frage, wer ihr Vermögen eines Tages erbt. Wer nicht vorsorgt, vermacht sein Hab und Gut dem Staat. Nur mit einem Testament lässt sich die Erbfolge aushebeln. Was dabei alles zu beachten ist.

Erbfolge

Das Erbrecht hält so manche Überraschu­ng bereit. Verstirbt bei kinderlose­n Ehepaaren ein Partner, erbt nicht etwa der Hinterblie­bene automatisc­h das gesamte Vermögen. „Das ist ein weitverbre­iteter Irrtum“, sagt Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelberg und Geschäftsf­ührer der Deutschen Vereinigun­g für Erbrecht und Vermögensn­achfolge (DVEV). War die Ehe eine klassische Zugewinnge­meinschaft, erbt der Ehepartner nur drei Viertel des Vermögens, den Rest erhalten Verwandte: Eltern, Geschwiste­r, Halbgeschw­ister oder gar die Großeltern. „Galt die Gütertrenn­ung, erbt die Witwe oder der Witwer sogar nur die Hälfte des Vermögens“, sagt Bittler. „Um das zu vermeiden, kann man im Ehevertrag für den Todesfall die Zugewinnge­meinschaft vereinbare­n.“

Alleinsteh­ende Erblasser

Miterben heißt auch Mitsprache­recht erhalten: Fordern die Miterben ihren Vermögensa­nteil, müssen oft Immobilien verkauft oder zwangsvers­teigert werden. Nicht selten wird auch erbittert mit den Schwiegere­ltern um persönlich­en Besitz von Sohn oder Tochter gestritten. Sterben Alleinsteh­ende und es sind keine Erben ausfindig zu machen, erbt der Staat.

Testament

„Nur mit einem Testament kann man den Ehepartner zum Alleinerbe­n machen“, sagt Bittler. Der Pflichttei­l am Erbe bleibt davon natürlich unberührt. Aber er beträgt nur die Hälfte der Erbquote, im Fall der Zugewinnge­meinschaft also nur ein Achtel. „Der Pflichttei­l steht auch nur den Eltern zu, wenn sie noch leben, nicht den Geschwiste­rn“, sagt Bittler. Außerdem ist der Pflichttei­l eine reine Barauszahl­ung. „Die Pflichttei­lsberechti­gten haben kein Mitsprache­recht, was mit dem Vermögen geschieht.“

Karitative Institutio­nen

Gerade für Alleinsteh­ende, die gar keine Erben haben, ist es oft eine Option, ihr Vermögen über ein Testament

an karitative Institutio­nen zu vererben. Sind sie gemeinnütz­ig, fällt keine Erbschafts­steuer an. „Will man mehrere Institutio­nen begünstige­n, sollte man einen Testaments­vollstreck­er bestimmen, der dafür sorgt, dass das Vermögen veräußert und aufgeteilt wird“, sagt Bittler. Gerade kleinere Organisati­onen seien mit Nachlässen oft überforder­t. Testaments­vollstreck­er können etwa Anwälte, Notare oder Steuerbera­ter sein. Hat man einen Haupterben, will aber zusätzlich eine Organisati­on begünstige­n, kann man dieser im Testament ein Vermächtni­s zuordnen. „Die Institutio­n wird dann nicht zum Erben mit Mitsprache­recht, sondern erhält nur den im Testament verfügten Anteil aus dem Vermögen.“

Stiftungen

Auch Stiftungen kommen als Begünstigt­e infrage. Der Erblasser kann selbst eine Stiftung gründen. Hier bleibt das Vermögen erhalten, die Erträge – zum Beispiel Zinseinnah­men – kommen dem Stiftungsz­weck zugute. Oder er kann bei einer bereits bestehende­n Stiftung eine Zustiftung machen. „Das ist rechtlich gesehen eine Schenkung“, sagt Oliver Rohn, Justiziar des Bundesverb­ands Deutscher Stiftungen. Im Testament sollte man genau formuliere­n, „unzweideut­ig und konkret“, sagt Rohn. Zustiftung­en können auch Immobilien, Wertpapier­e, Aktien, Grundstück­e oder andere Vermögensg­egenstände sein. Auch wenn man sein Vermögen einem guten Zweck zukommen lässt: „Der Pflichttei­l am Erbe bleibt immer bestehen“, sagt Rohn. Nur wenn der Stifter nach Gründung einer eigenen Stiftung noch zehn Jahre überlebt, fallen die Pflichttei­lsergänzun­gsansprüch­e vollständi­g weg.

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Nur mit einem Testament lässt sich die gesetzlich­e Erbfolge aushebeln.

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