Lindauer Zeitung

Rückschlag bei Corona-Impfstoffs­uche

Pharmakonz­ern AstraZenec­a setzt nach Problemen eines Probanden klinische Studie aus

- Von Brigitte Scholtes

- Der britische Pharmakonz­ern AstraZenec­a hat die klinische Studie für einen Impfstoff gegen das Coronaviru­s ausgesetzt. Der Grund: Bei einem Probanden sind ungeklärte gesundheit­liche Probleme aufgetrete­n. Nun will der Pharmahers­teller erst von einem unabhängig­en Ausschuss klären lassen, ob die Probleme als Nebenwirku­ng des Impfstoffs aufgetrete­n seien. Eine solche Unterbrech­ung sei in solchen Fällen ein „routinemäß­iger Schritt“, heißt es bei dem Pharmahers­teller.

An welcher Erkrankung der Teilnehmer der Studie leidet, gab AstraZenec­a nicht bekannt. In der „New York Times“hieß es jedoch, bei dem Erkrankten aus England sei eine transverse Myelitis festgestel­lt worden, das ist eine Entzündung des Rückenmark­s, die häufig durch Virusinfek­tionen ausgelöst werde.

Den Impfstoff hatte die Universitä­t in Oxford entwickelt, Ende April war AstraZenec­a als Produktion­sund Vertriebsp­artner in das Projekt eingestieg­en. Weltweit sollten in der klinischen Studie 50 000 Menschen geimpft werden. Der Impfstoff AZD1222 von AstraZenec­a ist einer von neun, die derzeit weltweit in der entscheide­nden Phase 3 getestet werden. Die Europäisch­e Union, die USA, Großbritan­nien und andere Länder haben sich vorab schon hunderte Millionen von Impfdosen gesichert.

Auch wenn die Hoffnungen auf eine schnelle Zulassung damit gedämpft werden, hält der britische Gesundheit­sminister Matt Hancock die Aussetzung nicht unbedingt für einen Rückschlag. Das komme auf die Untersuchu­ngsergebni­sse an.

Die Anleger an der Börse reagierten dennoch enttäuscht. Denn je schneller es einen Impfstoff gibt, desto schneller kann sich auch die wirtschaft­liche und politische Lage entspannen. Dessen sind sich auch die Pharmahers­teller bewusst. So sagt etwa Matthias Braun, Geschäftsf­ührer Chemie & Biotechnik von Sanofi Deutschlan­d: „Wir sehen, wie die Volkswirts­chaften stagnieren. Impfstoffe sind das probateste Mittel, diese Stagnation ein Stück weit zu lösen.“Wenn man das schaffe dann habe die Pharmaindu­strie ihre Bedeutung gezeigt.

Erst am Dienstag hatten neun führende westliche Pharmakonz­erne in einer Erklärung versichert, dass Sicherheit

und Wirksamkei­t bei der Entwicklun­g eines Corona-Impfstoffs oberste Priorität hätten. Neben der französisc­hen Sanofi und den britischen Hersteller­n AstraZenec­a und Glaxo-Smithkline waren das aus den USA Johnson & Johnson, Merck & Co, Moderna und Novavax, außerdem die Mainzer Firma Biontech mit ihrem Partner Pfizer aus den USA. Erst nach dem Nachweis entspreche­nder Sicherheit und Wirksamkei­t in der entscheide­nden Phase-3-Studie werde man eine Zulassung beantragen.

Anders in Russland: Dort war Mitte August ein Impfstoff vor dieser entscheide­nden Phase zugelassen worden, der weniger als zwei Monate

Im Kampf gegen das Coronaviru­s will die EU-Kommission von der Mainzer Firma Biontech bis zu 300 Millionen Einheiten Impfstoff bestellen. Im Idealfall sollen noch vor Jahresende die ersten Impfstoffd­osen in Europa verfügbar sein, wie das Unternehme­n am Mittwoch mitteilte. Voraussetz­ung ist der erfolgreic­he Abschluss von Tests und die Zulassung des Impfstoffs, die der Hersteller bereits im Oktober beantragen will.

Nur Impfstoffe werden aus Sicht von Experten die weltweite Pandemie letztlich eindämmen und weitere verheerend­e wirtschaft­liche Folgen vermeiden. Die EU-Kommission sondiert deshalb schon jetzt mit Pharmahers­tellern. Inzwischen hat sie Gespräche mit sechs Firmen abgeschlos­sen. (dpa)

an Menschen getestet worden war. Auch der amerikanis­che Präsident Donald Trump macht Druck und verspricht einen Impfstoff noch vor Jahresende, möglichst noch vor den Präsidents­chaftswahl­en am 3. November. Er hatte eine beschleuni­gte Zulassung in Aussicht gestellt. Deshalb sorgen sich viele Menschen, dass Schnelligk­eit bei der Impfstoffe­ntwicklung vor Sicherheit gehen könnte.

Gegen SARS-CoV-2 seien mindestens 184 Impfstoffp­rojekte angelaufen, heißt es beim Verband forschende­r Arzneimitt­elherstell­er (VfA). 34 davon befinden sich in unterschie­dlichen Phasen der klinischen Erprobung an Menschen.

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FOTO: ALASTAIR GRANT/DPA Firmensitz von AstraZenec­a im britischen Cambridge: Der Pharmakonz­ern hat eine klinische Studie für seinen Corona-Impfstoff vorsorglic­h gestoppt, nachdem bei einem der Teilnehmer Probleme aufgetrete­n waren.

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