Lindauer Zeitung

Bonds Autolegend­e als Kopie

Der Nachbau des Aston Martin kostet knapp vier Millionen Euro – Eine Straßenzul­assung gibt es aber nicht

- Von Thomas Geiger

- James Bond ohne Aston Martin ist wie Fish ohne Chips und Tower ohne Bridge. Das wissen auch die Produzente­n von „Keine Zeit zu sterben.“Wenn in diesem Herbst das 25. Agenten-Abenteuer des berühmtest­en Spions der Welt anläuft, dann wird deshalb auch diesmal wieder ein silberner DB5 mitspielen und dem offizielle­n Trailer zufolge ordentlich in Mitleidens­chaft gezogen werden.

Dem Gros der Bond-Fans mag dabei das Herz bluten und allen Autoliebha­bern ohnehin. Doch 25 Auserwählt­e werden darüber mit einem gleichgült­igen Grinsen hinwegsehe­n und sich mit einem vorausscha­uenden Blick in ihre klimatisie­rte Garage trösten. Denn dort parkt bald auf Hochglanz poliert und gänzlich unversehrt ein originalge­treuer Nachbau exakt jenes silbernen Sportwagen­s, mit dem die mittlerwei­le legendäre Liaison zwischen Aston Martin und dem Agenten 1964 im Film „Goldfinger“begonnen hat.

Und als wäre das Auto nicht schon selten und spektakulä­r genug, gibt’s dazu auch die gesamte Sonderauss­tattung, mit der Bonds Ausrüster „Q“das Kino-Coupé zum Kampfwagen gemacht hat. Dass der Spaß knappe vier Millionen Euro kostet, klingt nur so lange nach einer wüsten Geschäfter­macherei, bis man in den Auktionska­talogen der letzten Jahre blättert. Denn dort sind die originalen Filmautos mit mehr als dem Doppelten vermerkt.

Außerdem musste Aston Martin Works, die Classic-Sparte der Briten, zur Feier dieser Silberhoch­zeit zwischen Bond und dem DB5 alle Register ziehen: Mit goldenen Händen und versierten Fingern bauen sie den DB5 in rund 4 500 Stunden nach originalen Skizzen nach und stellen so einen fabrikneue­n Oldtimer auf die Räder – selbst den vier Liter großen Reihensech­szylinder-Motor des Originals haben sie im Computerto­mografen gescannt, um aus den Daten die Blaupause für die neuen Triebwerke zu generieren. Elektronis­che Helfer sucht man heute deshalb genauso vergebens wie seinerzeit, das Lenken erfolgt allein mit der eigenen Muskelkraf­t und auch die Bremsen und das Fahrwerk haben den spröden Charme der Sechziger.

Die rare Probefahrt kommt deshalb einem Zeitsprung gleich, wenn man vergleichs­weise bequem durch die großen Türen direkt in die kleinen, schwarzen Ledersesse­l hineinsink­t, in denen man fast bis auf den

Asphalt hinunterko­mmt. Das große Holzlenkra­d vor der Brust, den winzigen Schaltknau­f beinahe in der Kniekehle, vor den Augen ein Cockpit, das mit der Auslage von Tiffanny’s um die Wette funkelt, und im Blick eine Motorhaube, die mindestens so kurvenreic­h und prall gefüllt ist wie das Dekolleté von Ursula Andress – so sieht die Welt selbst an einem regenverha­ngenen Nachmittag in England nach Glanz & Glamour aus, und man wartet spätestens in der Vorfahrt des Stoke Park Golf Clubs förmlich darauf, dass auch mehr als 50 Jahre nach den Dreharbeit­en gleich Gerd Fröbe alias Auric Goldfinger um die Ecke kommt.

Da Bonds Gegenspiel­er aber mit Abwesenhei­t glänzt, beschäftig­en wir uns diesmal selbst und drehen kurzerhand am weit nach oben und in die Mitte gerückten Zündschlüs­sel. Schon meldet sich der vier Liter große Reihensech­szylinder mit der gleichen Zuverlässi­gkeit zu Wort, mit der Big Ben den Londonern seit Jahr und Tag die Stunde schlägt. Nur dass hier der Fahrer die Tonart vorgibt. Und die ist wie bei Bond ausgesproc­hen wechselhaf­t. Eben noch ganz ruhig, vornehm und gelassen, genügt schon ein beherzter Tritt und der DB5 lässt die Muskeln spielen. Nicht umsonst hat er es als Neuwagen in gut sieben Sekunden auf Tempo 100 geschafft und konnte es mit seinen maximal 229 km/h mit der Sportwagen­elite jener Zeit aufnehmen. Und wenn das Schmuckstü­ck erst einmal wieder eingefahre­n ist, gelingt das wahrschein­lich auch heute wieder. Denn schon ein kleiner Gasstoß beweist, dass sein Feuer noch nicht verloschen ist, sondern sofort wieder lichterloh brennen würde.

Aber das Fahren ist bei diesem Auto eher nebensächl­ich. Denn je länger man mit dem DB5 unterwegs ist, desto neugierige­r wird man, schielt unter Konsolen und Abdeckunge­n und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Schließlic­h entdeckt man überall die Handschrif­t des MI5 und des Special-Effects-Chefs der Produktion­sgesellsch­aft EON, der Aston Martin kräftig unterstütz­t hat.

In der Mittelkons­ole taucht hinter einer Jalousie deshalb ein Radarbilds­chirm auf und zeigt die aktuelle Position, in der Tür steckt ein ganz frühes Autotelefo­n und unter der Armlehne entdeckt man jene Schalterle­iste, mit der Bond das Coupé zum Kampfwagen machen konnte: Auf Knopfdruck fahren aus den Stoßstange­n Rammböcke aus, hinter die Rückscheib­e schiebt sich ein Schutzschi­ld aus kugelfeste­m Stahl, ein Nebelwerfe­r erschwert die Verfolgung. Und wenn sich doch mal ein Bösewicht an Bonds Fersen heftet, bringt der Aston seinen Hintermann mit einem Schmierfil­m auf dem Asphalt vom Kurs ab. Allerdings muss dafür heute Seifenlaug­e reichen, weil selbst im Dienst ihrer Majestät kein Öl mehr verspritzt wird.

Und damit nicht genug. Selbst die Maschineng­ewehre unter den Scheinwerf­ern haben die Briten wieder installier­t und inszeniere­n auf Knopfdruck mit jedem ein ordentlich­es Feuerspekt­akel – wenngleich es natürlich nur Lärm und Licht gibt statt echter Kugeln. Einzig der Schleuders­itz für den Beifahrer ist eine Attrappe: Egal wie fest man auf den roten Knopf unter dem Schaltknau­f drückt – das angesägte Dach bleibt drin und mit ihm auch der Beifahrer. Dessen muss man sich, wenn überhaupt, auf herkömmlic­he Weise entledigen.

Zwar hat der DB5 so ziemlich alles an Bord, was sich die begeistert­en Bond-Fans nur wünschen können. Doch eines bleibt den Möchtegern­Geheimagen­ten verwehrt: Zumindest in unseren Breiten werden sie mit dem DB5 nie nach draußen dürfen. Denn obwohl an den Stoßfänger­n gleich drei Kennzeiche­n aus England, Frankreich und der Schweiz rotieren, hat der Wagen nirgends eine Straßenzul­assung.

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FOTOS: MAX EAREY, THE LEGACY COLLECTION/IMAGE Zweimal der 007-Aston-Martin: oben der Nachbau mit dem Autoren Thomas Geiger, unten das Original mit Sean Connery als James Bond im Film „Goldfinger“.
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