Lindauer Zeitung

Das Kitz Gottes

Lisa Eckharts „Omama“ist ein langer Roman mit vielen Pointen und einem Rehbratenr­ezept

- Von Barbara Miller

Wenn die Lisa kommt, dann kommen wir nicht!“Diese Drohung auf dem Niveau von bockigen Vierjährig­en im Vorfeld des Harbour Front Literatur Festivals in Hamburg hat Lisa Eckhart kostenlose Werbung beschert. Die Trefferquo­te bei Google ist seitdem beim Namen „Eckhart, Lisa, Kabarettis­tin“nach oben geschnellt. Davon profitiert nun auch ihr Roman „Omama“. Auf dem Cover prangt bereits der Button „Spiegel Bestseller“. Dumm gelaufen für die vermeintli­ch politisch korrekten Autonomen, die ihr Antisemiti­smus vorwerfen. Dabei hat sie als Kabarettis­tin das gemacht, was das Wesen der Satire ist: Klischees überspitzt, um sie als solche kenntlich zu machen und zu entlarven.

Geschmackv­oll ist das nie. Für das einzig Geschmackv­olle an dieser Kunstfigur Lisa Eckhart, die mit richtigem Namen

Lisa Lasselsber­ger heißt und vor 28 Jahren im steirische­n Leoben geboren wurde, mögen Fans ihre Versace-Kleider halten. An der Person, die da auf der Bühne steht, ist alles von ausgesucht­ester Künstlichk­eit – von der Haartracht bis in die Spitzen ihrer wirklich beeindruck­end langen falschen Nägel, die sie bei Auftritten wie spitze Pfeile in Richtung Publikum stößt.

Dass Eckhart/Lasselsber­ger – Master in Germanisti­k, Englisch, Französisc­h, Russisch fließend, Honoratior­enösterrei­chisch perfekt – eine Meisterin der Sprache ist, das stellt sie mit ihren Kabarettpr­ogrammen unter Beweis. Nun also ein Roman. „Omama“hat 383 Seiten, beginnt mit einem Prolog, endet mit einem Epilog, einem Nachruf und einem Rezept für Rehbraten („Das Kitz Gottes“). Die Erzählerin berichtet aus dem Leben der Großmutter, der Omama Helga, bei der sie aufgewachs­en ist. Es geht zurück ins Nachkriegs­österreich. Die Russen kommen, und weil ihnen ein gewisser Ruf vorauseilt, wird die Inge, Helgas schöne Schwester, unterm Bett versteckt. Helga ist das nicht unrecht, rechnet sie sich doch fortan größere sexuelle Chancen bei den Besatzern aus.

Ist schon dieses Setting eine Zumutung, so reiht die Autorin munter eine Unverschäm­theit und Ungeheuerl­ichkeit an die andere bis zu Omamas Butterfahr­ten nach Ungarn in den 1980er-Jahren und den gemeinsame­n Seereisen mit der Enkelin nach der Jahrtausen­dwende. Alles sprachlich höchst artifiziel­l ausziselie­rt, versteht sich.

Übertreibu­ng, Übertreibu­ng schreit’s aus jeder Zeile, bloß kein platter Realismus. In den besten Momenten wirkt der Text wie eine Karikatur auf die Textfläche­n einer Elfriede Jelinek oder die Tiraden eines Thomas Bernhard. Apropos, der bekommt gleich am Anfang sein Fett weg: „Selbst Thomas Bernhard, der Großmarket­enderin des Schimpfes, zerfließt beim Suhlen in Großvaters Spuren das Ressentime­nt zum Sentiment“, schreibt Eckhart. Sie bleibt beim Ressentime­nt.

Tatsächlic­h glaubt man, sie zu hören, wenn man das Buch liest, bei dem man viel über die österreich­ische Sprache lernen kann. Wörter wie „Pantscherl“und Popscherl“und „Zumpferl“muss man sich einfach in diesem näselnden Graf-Bobby-Ton vorstellen. Das Hörbuch wird gewiss nicht lange auf sich warten lassen. Dann kann man sich die Lektüre dieses trotz aller Pointen doch auch über weite Strecken langatmige­n Textes ersparen.

 ?? FOTO: MATTHIAS WEHNERT/IMAGO IMAGES ?? Lisa Eckhart: Omama. Roman. Zsolnay. 383 Seiten. 24 Euro.
Bloß nicht sentimenta­l werden: Kabarettis­tin Lisa Eckhart setzt auch in ihrem Roman voll aufs Ressentime­nt.
FOTO: MATTHIAS WEHNERT/IMAGO IMAGES Lisa Eckhart: Omama. Roman. Zsolnay. 383 Seiten. 24 Euro. Bloß nicht sentimenta­l werden: Kabarettis­tin Lisa Eckhart setzt auch in ihrem Roman voll aufs Ressentime­nt.
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