Das Kitz Gottes
Lisa Eckharts „Omama“ist ein langer Roman mit vielen Pointen und einem Rehbratenrezept
Wenn die Lisa kommt, dann kommen wir nicht!“Diese Drohung auf dem Niveau von bockigen Vierjährigen im Vorfeld des Harbour Front Literatur Festivals in Hamburg hat Lisa Eckhart kostenlose Werbung beschert. Die Trefferquote bei Google ist seitdem beim Namen „Eckhart, Lisa, Kabarettistin“nach oben geschnellt. Davon profitiert nun auch ihr Roman „Omama“. Auf dem Cover prangt bereits der Button „Spiegel Bestseller“. Dumm gelaufen für die vermeintlich politisch korrekten Autonomen, die ihr Antisemitismus vorwerfen. Dabei hat sie als Kabarettistin das gemacht, was das Wesen der Satire ist: Klischees überspitzt, um sie als solche kenntlich zu machen und zu entlarven.
Geschmackvoll ist das nie. Für das einzig Geschmackvolle an dieser Kunstfigur Lisa Eckhart, die mit richtigem Namen
Lisa Lasselsberger heißt und vor 28 Jahren im steirischen Leoben geboren wurde, mögen Fans ihre Versace-Kleider halten. An der Person, die da auf der Bühne steht, ist alles von ausgesuchtester Künstlichkeit – von der Haartracht bis in die Spitzen ihrer wirklich beeindruckend langen falschen Nägel, die sie bei Auftritten wie spitze Pfeile in Richtung Publikum stößt.
Dass Eckhart/Lasselsberger – Master in Germanistik, Englisch, Französisch, Russisch fließend, Honoratiorenösterreichisch perfekt – eine Meisterin der Sprache ist, das stellt sie mit ihren Kabarettprogrammen unter Beweis. Nun also ein Roman. „Omama“hat 383 Seiten, beginnt mit einem Prolog, endet mit einem Epilog, einem Nachruf und einem Rezept für Rehbraten („Das Kitz Gottes“). Die Erzählerin berichtet aus dem Leben der Großmutter, der Omama Helga, bei der sie aufgewachsen ist. Es geht zurück ins Nachkriegsösterreich. Die Russen kommen, und weil ihnen ein gewisser Ruf vorauseilt, wird die Inge, Helgas schöne Schwester, unterm Bett versteckt. Helga ist das nicht unrecht, rechnet sie sich doch fortan größere sexuelle Chancen bei den Besatzern aus.
Ist schon dieses Setting eine Zumutung, so reiht die Autorin munter eine Unverschämtheit und Ungeheuerlichkeit an die andere bis zu Omamas Butterfahrten nach Ungarn in den 1980er-Jahren und den gemeinsamen Seereisen mit der Enkelin nach der Jahrtausendwende. Alles sprachlich höchst artifiziell ausziseliert, versteht sich.
Übertreibung, Übertreibung schreit’s aus jeder Zeile, bloß kein platter Realismus. In den besten Momenten wirkt der Text wie eine Karikatur auf die Textflächen einer Elfriede Jelinek oder die Tiraden eines Thomas Bernhard. Apropos, der bekommt gleich am Anfang sein Fett weg: „Selbst Thomas Bernhard, der Großmarketenderin des Schimpfes, zerfließt beim Suhlen in Großvaters Spuren das Ressentiment zum Sentiment“, schreibt Eckhart. Sie bleibt beim Ressentiment.
Tatsächlich glaubt man, sie zu hören, wenn man das Buch liest, bei dem man viel über die österreichische Sprache lernen kann. Wörter wie „Pantscherl“und Popscherl“und „Zumpferl“muss man sich einfach in diesem näselnden Graf-Bobby-Ton vorstellen. Das Hörbuch wird gewiss nicht lange auf sich warten lassen. Dann kann man sich die Lektüre dieses trotz aller Pointen doch auch über weite Strecken langatmigen Textes ersparen.