„Müll auskippen? Einfach unmöglich!“
Isolde Miller kämpft seit Jahren für eine saubere Umwelt – Derzeit trommelt sie mindestens 100 Helfer zusammen
- Plastikflaschen, Coffee-to-go-Becher, leere Müsliriegelverpackungen: Der Müll am Bodenseeufer ist Isolde Miller ein Dorn im Auge. Und weil der Rhein durch den Bodensee fließt, macht sie mit dem Bund Naturschutz am Samstag, 12. September, bei der überregionalen Aktion „Rhine-Cleanup“(„Rheinsäubern“) mit. Mit etlichen freiwilligen Helfern will die 60Jährige, die seit 1996 für den Bund Naturschutz im Landkreis Lindau tätig ist, am Bodenseeufer so richtig aufräumen. Wir haben mit der Gebietsbetreuerin über diese Aktion, wilde Müllkippen und den Verzicht auf Plastik im Alltag gesprochen.
Der Bund Naturschutz sammelt demnächst in großem Stil Müll am Bodenseeufer. Wieso? Isolde Miller:
Es wird dort immer wieder Müll angeschwemmt. Nicht mehr als an Straßen und Wegen – aber es häuft sich und fällt dort auf. Der Müll verunstaltet die Natur. Irgendwann wird Mikroplastik daraus, das über den Rhein in der Nordsee und dann im Atlantik landet. Das wollen wir nicht. Zudem hat die Aktion auch etwas von Umwelterziehung: Wer einmal den Müll der anderen aufsammelt, der überlegt beim nächsten Mal genau, was er mit seinem Abfall macht.
Wie schlimm steht es denn um das Bodenseeufer?
Wir haben dort nicht nur den Müll, sondern auch andere Belastungen wie Treibholz, das nach starkem Regen angeschwemmt wird und für Pflanzen wie das Bodenseevergissmeinnicht zum Problem wird. Wenn es nicht regelmäßig Aktionen wie die Seeputzete geben würde, wäre der Bodensee nicht so gemütlich.
Wie hat sich die Lage in den vergangenen Jahren entwickelt?
Sie hat sich nicht massiv verschlechtert, aber auch nicht verbessert. Obwohl man das meinen sollte, nachdem in den letzten zwei, drei Jahren allgemein der Verpackungsmüll etwas zurückgegangen ist.
Sie trommeln seit etliche Tagen Helfer für die Aktion zusammen. Wie viele Unterstützer sollen es denn werden?
Ich hoffe auf 100 Leute – und diese Zahl werden wir auch erreichen. Es helfen zum Beispiel die Wassersportvereine, weil deren Seeputzete im Frühjahr aufgrund von Corona ausgefallen ist. Auch der Landschaftspflegeverband hat sich eingeklinkt. Und auch eine Lindauer Firma, die ihren Mitarbeitern fürs Mitmachen Überstunden gutschreibt. Das finde ich klasse.
Sitzen auch Gemeinden mit im Boot?
Natürlich. Lindau, Nonnenhorn und Wasserburg unterstützen uns. Die Kommunen stellen Material wie Müllsäcke und auch einen Schwung Handschuhe zur Verfügung. Sie fahren zudem die Säcke hinterher ab und wir bekommen auch noch eine Brotzeit spendiert. Ohne die Unterstützung der Kommunen könnten wir das nicht schultern.
Was erwarten beziehungsweise befürchten Sie denn zu finden?
Vor allem sehr viel Plastikmüll. Plastikflaschen, die weggeworfen wurden, obwohl Pfand drauf ist. Verpackungsmüll wie Müsliriegel oder Brotzeittüten. Aber auch Glasflaschen und Zigarettenkippen werden ein Schwerpunkt sein. Also viel Kleinzeug, das im Alltag leider achtlos weggeworfen wird.
Wie sehr ist die Natur im Landkreis Lindau generell verschmutzt?
Das hält sich glücklicherweise gut in Grenzen. Leider liegt aber viel Müll entlang der Straßen. Flaschen, Dosen oder Pommes-Verpackungen werden immer wieder einfach aus dem fahrenden Auto geworfen. Das sieht zum Teil echt wüst aus. Anders auf den Wanderwegen. Wer es schafft, irgendwohin zu laufen, der nimmt seinen Müll meist auch wieder mit. Je unwegsamer das Gelände, desto größer ist hier die Disziplin. Auf der anderen Seite entdecken wir leider immer wieder wilde Müllkippen mitten in der Natur.
Können Sie das näher erklären?
Neulich erst haben wir bei einer Begehung mit dem Waldbesitzer im Rohrach eine solche Müllkippe gefunden. Meist finden sich diese auch in Tobeln oder an Steilhängen. Die Leute kippen einfach ihren Müll aus. Das ist unmöglich. Wir haben hier im Landkreis einen gut funktionierenden Abfallzweckverband und mit die niedrigsten Preise für die Müllentsorgung. Wer da sagt, ich werde meinem Müll nicht Herr, der hat meiner Meinung nach ein ganz anderes Problem...
Was wird dort alles entsorgt?
Viel Bauschutt, aber auch Hausmüll. Wir haben schon Fliesen, Styropor oder einen halben abgebrochenen Schuppen gefunden. Der bestand zwar aus Holz – aber aus behandeltem Material. Ich kann nicht verstehen, wieso das jemand in den Wald kippt. Der Weg ist ja der gleiche, wie wenn ich zum Wertstoffhof fahre. Und davon gibt es im Landkreis schließlich auch genug.
Was kann jeder einzelne tun, um die Umwelt sauber zu halten?
Der erste Schritt ist Müllvermeidung. Zum Einkaufen ein eigenes Gefäß oder einen Stoffbeutel mitnehmen, auf den Wochenmarkt oder in einen Unverpackt-Laden gehen. Und auch mal wegen der Verpackung auf ein Produkt verzichten. Dann nehme ich halt den Reis im Pappkarton anstatt den in der Plastiktüte.
Und unterwegs?
Ich kenne Hundebesitzer, die immer eine Tüte dabei haben, wenn sie ihren Hund laufen lassen – und zum Beispiel am Wäsen Unrat sammeln. Das ist vorbildlich. Und ich spreche auch Leute an, wenn sie vor meinen Augen was einfach so wegschmeißen. Da musste ich mir zwar auch schon dumme Sachen anhören, aber es hilft.
Ich habe den Eindruck, dass in vielen Gemeinde nur wenige Mülleimer stehen – etwa an Wanderwegen, aber auch beispielsweise auf der Lindauer Insel. Hat der Bund Naturschutz da Einfluss?
Leider nicht. Das regelt jede Gemeinde für sich selbst. Die Anzahl der Mülleimer ist auch ein zweischneidiges Schwert. Je mehr davon eine Kommune aufstellt, desto mehr Müll muss eine Gemeinde auch entsorgen. Wenn in den Behältern Platz ist, besteht die Gefahr, dass Bürger ihren Hausmüll dort entsorgen. Auf der anderen Seite sind gerade in Lindau viele Touristen unterwegs, die sich schnell mal was beim Bäcker holen.
Kürzlich gab es eine Aufräumaktion in den Allgäuer Bergen, nun am Bodensee. Wann ist der Bereich dazwischen dran – zum Beispiel das Westallgäu?
Wir hängen uns ja an die Aktion nur an. Aber vielleicht ist es ein gutes Vorbild und eine gute Übung, um so etwas selbst mal zu machen. Ohne die Unterstützung der Gemeinden und der Vereine könnten wir das aber nicht machen. Wir haben beispielsweise das Seeufer in Abschnitte aufgeteilt, die von verschiedenen Paten betreut werden.
Wie viele Kilometer müssen sie abdecken?
Wir haben etwa 16 Kilometer bayerisches Bodenseeufer. Höchstens die Hälfte davon ist öffentlich. Wenn also 100 Leute kommen, muss jeder etwa 80 Meter säubern. Das sollte in den drei Stunden zu schaffen sein.