Ein Sommer, wie ihn sich Älpler wünschen
Gutes Wetter und genügend Niederschläge prägten heuer die Alpsaison
- Eigentlich sollten ab Ende kommender Woche die ersten großen Feste zum Viehscheid stattfinden. Doch der Festbetrieb, der meist in großen Bierzelten über die Bühne geht und Tausende anlockt, ist abgesagt worden. Massenansammlungen passen nicht in Zeiten der Corona-Pandemie.
Viehscheide gibt es aber trotzdem. Die Landwirte, die ihr Jungvieh den Sommer über einer Alpgenossenschaft und deren Hirten anvertraut haben, erhalten nun ihre Tiere zurück. Auch ohne großes Volksfest und Touristen-Rummel.
Der Alpsommer werde teilweise sogar verlängert, berichtet Michael Honisch, Geschäftsführer des Alpwirtschaftlichen Vereins Allgäu (AVA). Wenn die Hirten nicht an festgelegte Viehscheid-Festtermine gebunden sind und das Wetter noch spätsommerlich schön ist, können sie durchaus noch einige Tage oder gar Wochen anhängen. Derzeit sei auf den meisten Wiesen noch genug Futter für die Tiere vorhanden, sagt Honisch.
29 000 Jungrinder, 2500 Kühe, 270 Pferde, 360 Schafe, 200 Ziegen und 500 Schweine haben heuer den Alpsommer am Berg verbracht. Warum Schweine auf Alpen gehalten werden? In erster Linie, weil sie ein guter Verwerter der frischen Molke sind. Molke fällt beim Käsen auf den sogenannten Sennalpen an – 42 gibt es davon im Allgäu.
Wenn spätestens Ende September, Anfang Oktober Schluss ist und es wieder ins Tal geht, dann werden die allermeisten Hirten im Allgäu zufrieden auf den Sommer zurückblicken. Es gab heuer keine extremen Unwetter mit Hagel oder starken Blitzschlägen und auch sommerliche Kälteeinbrüche
blieben aus. Genügend Regen sorgte nach Angaben von Honisch dafür, dass das Gras gut wuchs.
Dabei hatte es im Frühjahr für die Alpwirtschaft gar nicht so gut ausgesehen. Vor allem der April war viel zu trocken und die Bauern befürchteten, dass das Futter nicht so gut wachsen könnte. Doch Mai und Juni brachten dann doch den benötigten Regen. Honisch spricht von „gutem Wuchswetter“.
Wie begehen die Älpler den Viehscheid, wenn nicht im Festzelt gefeiert wird? Honisch sagt, dass hier und da wohl im kleinen Kreis gefeiert werde. Wichtig ist ihm aber etwas anderes: Wenn die Viehscheide ausfallen, werde dem ein oder anderen vielleicht die Bedeutung der Alpwirtschaft
bewusst. Denn es sei wichtig, dass die Arbeit der Hirten und Älpler „wertgeschätzt wird“. Sie seien nicht nur Pfleger der Allgäuer Kulturlandschaft, sondern übernähmen auch große Verantwortung für die Tiere.
Nach wie vor ein wichtiges wirtschaftliches Standbein ist für viele Älpler die Bewirtschaftung von Wanderern und Mountainbikern. Von 696 Betrieben haben etwa 150 eine sogenannte Alpkonzession. Alois Ried, Erster Vorsitzender des Vereins Allgäuer Alpgenuss, berichtet von einem „sehr, sehr guten Sommer“.
Dabei war anfangs vielen nicht ganz klar, wie die Gäste bewirtschaftet werden sollen. Die Älpler hätten dieselben Auflagen wie Gastronomiebetriebe im Tal, sagt Honisch:
Abstände halten, Desinfizieren und die Registrierung der Gäste seien in Corona-Zeiten auch auf Alphütten vorgeschrieben.
Eva Endreß von der Sennalpe Gerstenbrändle im Gunzesrieder Tal (Oberallgäu) berichtet, dass sich Bedienungen und Gäste rasch an die Corona-Regeln gewöhnt hätten. Nur anfangs sei man etwas verunsichert gewesen. Nachdem die Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen kamen, ließen die Gäste nicht lange auf sich warten. Auch wenn das Vieh weg ist, werden auf der Sennalpe Gerstenbrändle Gäste noch bis Ende Oktober bewirtet. Viele andere Alphütten in den Allgäuer Bergen bleiben ebenfalls bis in den Herbst hinein offen.