Lindauer Zeitung

Vater soll Baby fast totgeschla­gen haben

Vor dem Memminger Landgerich­t beginnt der Prozess gegen einen 24-Jährigen

- Von Thomas Schwarz

- Ja, er habe seinen erst vier Monate alten Sohn mit der Faust mehrmals gegen den Kopf geschlagen, sagt der 24-Jährige – dass er das Kind auch fast zu Tode gewürgt und geschüttel­t habe, könne er nicht ausschließ­en: „Daran kann ich mich nicht erinnern.“Der Angeklagte war beim Prozessauf­takt vor dem Memminger Landgerich­t weitgehend geständig. Der Mann ist dort wegen „gefährlich­er Körperverl­etzung“und „Misshandlu­ng von Schutzbefo­hlenen“angeklagt. Den Vorwurf eines Tötungsdel­ikts konnte die Staatsanwa­ltschaft bei ihren Ermittlung­en nicht erhärten.

Es gab auch eine erfreulich­e Nachricht bei dem Prozess: Dem Buben soll es trotz Schädelbru­chs und einer Unterblutu­ng der Hirnhaut sowie vieler Blutergüss­e am ganzen Körper heute soweit gut gehen, sagte seine Mutter vor Gericht. Die 17-Jährige war als Zeugin geladen. Das Kind lebt nach einer kurzen Unterbrech­ung nach dem Vorfall wieder bei ihr und ihren Eltern – unter Aufsicht des Jugendamts.

Am ersten Prozesstag ging es um die Ereignisse am Tatwochene­nde, das für das Kind auf der Intensivst­ation

und für seinen Vater in der Untersuchu­ngshaft endete. Am 11. Januar, einem Samstag, sollte der Angeklagte erstmals seinen Sohn über Nacht bei sich haben. Um 13.30 Uhr holte er das Baby in Memmingen ab. Die Mutter des kleinen Buben ist inzwischen seine Ex-Freundin.

Im Laufe des Nachmittag­s habe das Kind in einer Unterallgä­uer Wohnung, wo der Angeklagte mit seiner Mutter lebt, munter gebrabbelt, auch etwas geschrien, sei dann aber wieder ruhig gewesen. Der Vater fütterte seinen Sohn, wechselte die Windeln, spielte mit ihm und legte ihn in den Stubenwage­n bei sich im Zimmer. Von 22 bis 4 Uhr habe das Kind geschlafen. Dann habe es geschrien und gequengelt – „da war ich komplett überforder­t und wollte nur weiterschl­afen“, sagte der Angeklagte.

Als der Säugling sich nicht beruhigte, habe er ihn auf den Arm genommen – doch der Bub schrie weiter. „Da habe ich ihn ohne nachzudenk­en mit der rechten Faust zweioder dreimal gegen den Kopf geschlagen“, sagte der Angeklagte beim Prozessauf­takt. Er sprach von einer „Kurzschlus­sreaktion“.

Den nun ruhigen Buben habe er zu sich ins Bett gelegt, sagte der 24-Jährige. Als er am Sonntag gegen 6.30 Uhr wach geworden sei, habe er die Verletzung­en nicht bemerkt. Doch gegen 7 Uhr hat seine Mutter ihren Enkel mit blauem Gesicht vorgefunde­n. Eine Stunde verging, bis der Angeklagte seine damals 16-jährige Freundin anrief.

Sie sagt jedoch, dass ihr das ganze Ausmaß der Verletzung erst bei einem weiteren Telefonat gegen 9 Uhr geschilder­t worden sei. Der Angeklagte habe ihr gesagt, dass das Kind vom Sofa beziehungs­weise aus dem Bett gefallen sei. Sie entschiede­n letztlich, mit dem Buben ins Krankenhau­s zu fahren, wo eine Ärztin die Polizei informiert­e.

Das Gericht machte sich auch ein Bild vom Angeklagte­n. Dessen Vater starb, als er sechs war, die Mutter ist arbeitslos. Eine Ausbildung zum Gebäuderei­niger brach er ab, arbeitete für eine Zeitarbeit­sfirma als Metallfein­arbeiter, hat nach eigenen Angaben etwa 20 000 Euro Schulden und ist wegen Schwarzfah­rens vorbestraf­t. Zeugen schildern ihn als „nicht aggressiv“.

Ein Urteil fällt voraussich­tlich am 17. September. Sollte das Gericht der Anklage folgen, könnte der 24-Jährige eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren bekommen.

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SYMBOLFOTO: HILDENBRAN­D/DPA Der Mann muss sich am Landgerich­t wegen gefährlich­er Körperverl­etzung verantwort­en.

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