Lindauer Zeitung

Die Fernbezieh­ung des Chris Froome

Der langjährig­e Dominator vermisst die Tour de France – und will es noch mal wissen

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(SID) - Auch an der malerische­n Toskanaküs­te ist Chris Froome stets in Gedanken bei seiner großen Liebe, mit der er derzeit eine Fernbezieh­ung führt. „Ich vermisse die Tour, sie fehlt mir“, sagte der Brite der „Gazzetta dello Sport“: „Wenn ich kann, bin ich am Fernseher dabei.“Froome hat die Tour de France viermal gewonnen, zuletzt 2017. Dem fünften Sieg, der ihn auf eine Stufe mit den Rekordsieg­ern Anquetil, Merckx, Hinault und Indurain stellen würde, jagt er hinterher wie Ahab dem weißen Wal. Es ist eine Jagd geworden, die zuletzt nur noch in Froomes Kopf stattfand.

Zum zweiten Mal in Folge fehlt er bei der Großen Schleife. Während diese nun in ihre entscheide­nden Phase tritt, fährt Froome TirrenoAdr­iatico, deren dritten Etappe am Mittwoch vom Badeort Follonica ins hügelige Hinterland startete. „Froomey“gibt den Helfer für Geraint Thomas, auch dieser ein früherer Tour-Champion.

Die beiden großen Rundfahrer, der 35 Jahre alte Froome und der ein Jahr jüngere Thomas, die zusammen große Tour-Schlachten geschlagen haben, hatten es nicht ins Aufgebot ihres Ineos-Teams für die Frankreich-Rundfahrt geschafft. „Das verstehe ich einhundert­prozentig. Ich habe gefühlt, dass ich nicht dort war, wo ich für die Tour de France hätte sein müssen“, sagt Froome. Keine Bitterkeit, keine Enttäuschu­ng. Für ihn ist es schon ein Sieg, überhaupt wieder Rennen fahren zu können, ein Jahr nach seinem fürchterli­chen Sturz bei der Dauphine, der ihn schon im Vorjahr die Tour gekostet hatte. Dauerhaft will sich Froome aber mit dem Status als mitradelnd­er Ex-Patron nicht zufriedeng­eben. Er will zurück nach ganz oben, zurück zur Tour, sie gewinnen, in einem Alter, in dem dies nur dem Belgier Firmin Lambot gelang – 1922. Weil zumindest der Ineos-Rennstall dies Froome offenbar nicht mehr zutraute, fährt jener ab 2021 und für unbestätig­te fünf Jahre für das Team Israel Start-Up Nation. „Wenn ich nicht daran glauben würde, nach der Verletzung wieder 100 Prozent erreichen zu können, hätte ich mich nicht einem so langfristi­gen Projekt verschrieb­en“, sagt Froome.

Für Ineos wird er bei der Vuelta im Spätherbst seinen letzten großen Auftritt haben, Thomas ist als Kapitän für den Giro vorgesehen. Doch

Es wurde gerempelt und um jeden Zentimeter gekämpft, dennoch ist Caleb Ewan zu seinem zweiten Etappensie­g gerast. Der Australier­s gewann auf dem elften Teilstück im Sprint vor Ex-Weltmeiste­r Peter Sagan und Sam Bennett. Doch Sagan erhielt nach einem Rempler die Quittung. Der Superstar wurde anschließe­nd durch die Jury auf Platz 85 strafverse­tzt. Favorit auf den Toursieg bleibt Primoz Roglic, der sein Gelbes Trikot verteidigt­e. Der Ravensburg­er

seinen wichtigste­n Helfer hat er auch verloren. Der Österreich­er Gregor Mühlberger musste nach einem Infekt aufgeben.

auch wenn die beiden Granden sportlich nachvollzi­ehbar nicht im Tour-Team von Ineos stehen, fehlen dem bestimmend­en Rennstall der vergangene­n Dekade seine beiden Superstars derzeit in Frankreich doch merklich.

Ohne die beiden Patrone ist die Strategie zwar auf Titelverte­idiger Egan Bernal ausgericht­et, der als Gesamtzwei­ter gut auf Kurs liegt. Die Hierarchie aber kann der junge Kolumbiane­r nicht bestimmen, das Team wirkt uneins und uneinig, von der gnadenlose­n Dominanz früherer Sky-Jahre ist nichts mehr zu spüren. „Diese Führungsro­lle zu spielen, hat eine Dynamik, die Bernal nie zuvor erlebt hat“, sagte Bradley Wiggins, 2012 erster Toursieger des Teams.

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FOTO: FABIO FERRARI/DPA Chris Froome

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