Kein Gran Canaria, kein Gradmesser
Mit welchen Schwierigkeiten die Volleyballer des VfB Friedrichshafen in der Vorbereitung zu kämpfen haben
- Eigentlich wäre beim VfB Friedrichshafen heute schon Kofferpacken angesagt. Am kommenden Montag sollte es zum Trainingslager nach Gran Canaria gehen. Training unter Topbedingungen, sechs Testspiele gegen die hochklassigen Teams aus Palma, Gran Canaria und den Dauerkonkurrenten Berlin. Doch dann kam der vergangene Mittwoch und die Entscheidung, des Auswärtigen Amts, die Kanaren zum Corona-Risikogebiet zu erklären. Nach Rücksprache mit den Verantwortlichen der Berlin Recycling Volleys entschieden die Häfler schweren Herzens, die Reise nach Spanien abzusagen. „Dort war bereits alles organisiert, es gab ein ausgeklügeltes Hygienekonzept“, sagt VfB-Teammanager Matthias Liebhardt. „Wir wären dort wahrscheinlich sicherer gewesen als hier. Aber wir können es nicht riskieren, dass wir zwei Wochen in Quarantäne müssen.“
Auch Trainer Michael Warm ist sichtbar enttäuscht über die Absage. „Das ist richtig deppert für uns. Wir hätten sechs Testspiele auf hohem Niveau gehabt.“Gerade für das neu zusammengestellte Team (sieben Zugänge bei sieben Abgängen) sei das Kräftemessen auf dem Feld ungemein wichtig, um zusammenzufinden und in den Spielrhythmus zu kommen. „Das Ergebnis ist dabei gar nicht so wichtig“, sagt Warm. „Aber Spiele sind ein wichtiger Punkt, um zu sehen, dass man in der Entwicklung weiterkommt.“
Für den Trainer und sein Team beginnt die Suche nach geeigneten Testspielgegnern nun von vorne. Und die ist alles andere als einfach. „Man muss nur mal einen Blick auf die Europakarte werfen. Da scheiden viele Länder von vornherein aus.“Da die Volleyballer in Italien und Polen schon jetzt wieder in den
Wettkampfmodus starten, sind die dortigen Teams bereits auf einem deutlich höheren Level als der VfB. „Das macht wenig Sinn“, sagt Warm. Auch Tests gegen die YoungStars vom Häfler Bundesstützpunkt oder den benachbarten Zweitligisten TSV Mimmenhausen seien für sein Team nicht die richtigen Vorbereitungsgegner, meint der Trainer: „Ohne es abschätzig zu meinen: Aber das ist eine ganz andere Art von Volleyball.“Warm ist deshalb erneut mit den Berlin Volleys in Gesprächen, ob sich nicht doch noch das ein oder andere Testspiel gegeneinander einrichten lässt.
Einen weiteren passenden Gegner hat er schon gefunden: Der französische Erstligist Chaumont kommt für zwei Spiele an diesem Donnerstag und Freitag nach Friedrichshafen. Am 23. und 24. September wird der VfB zu einem Gegenbesuch nach Frankreich reisen, um dort ein Turnier mit vier Teams zu bestreiten – zumindest wenn sich die Infektionslage bis dahin nicht gravierend verändert. Auch wenn Chaumont in keinem Risikogebiet liegt, werden sowohl die Franzosen, als auch die Häfler vor ihrer Reise auf Corona getestet.
Überhaupt: Die Schutzvorkehrungen sind enorm. Vor dem Trainingsauftakt vor drei Wochen wurde bei allen Spielern und Betreuern ein Abstrich genommen, seitdem wird täglich vor jedem Training Fieber gemessen. Für die Spieler gelten strenge Verhaltensregeln in und abseits der Halle. Der VfB will kein Risiko eingehen, um den Saisonstart zu gefährden. Dieser ist nach wie vor auf den 17. Oktober terminiert, wie VfBGeschäftsführer
Thilo Späth-Westerholt betont. „Stand jetzt steht der Saisonstart.“Ob und wie viele Zuschauer zum Auftakt gegen Königs Wusterhausen in die ZF-Arena dürfen, ist hingegen noch offen. Der VfB befindet sich aktuell noch in Verhandlungen mit der Stadt Friedrichshafen und dem örtlichen Gesundheitsamt. Auch wenn der Club im Gegensatz zu anderen Vereinen und Sportarten nicht ganz so stark auf die Zuschauereinnahmen angewiesen ist – laut Späth-Westerholt machen diese beim VfB weniger als 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus – drängen die Häfler Volleyballer auf eine teilweise Rückkehr der Fans. „Sportlich, emotional wäre es ohne Zuschauer einfach nicht das Gleiche. Das hat sonst nur Testspielcharakter“, sagt der Geschäftsführer, der in der vergangenen Saison noch selbst auf dem Feld stand. Er betont: „Aber auch wirtschaftlich ist es für uns wichtig. Ich will es mir ohne Zuschauer gar nicht vorstellen.“
Auch Michael Warm beschäftigt sich nicht mit Was-wäre-wenn-Szenarien. „Wir konzentrieren uns auf die Dinge, die wir selbst beeinflussen können“, sagt der 52-Jährige. „Ich plane darauf hin, dass wir am 17. Oktober voll spielfähig sind.“Nach den ersten Trainingswochen ist er hierfür optimistisch. Auch wenn einige Spieler großen Nachholbedarf in Sachen Kraft und Fitness hatten und teilweise noch haben (Nehemiah Mote etwa konnte in Australien aufgrund der dortigen Ausgangssperre über mehrere Wochen nicht richtig trainieren), ist der Coach mit der bisherigen Vorbereitung zufrieden. „Ich habe das Gefühl, dass sich die Jungs alle sehr wohlfühlen.“Nun freut er sich, die Spieler erstmals im Spiel zu sehen. „Ich bin überzeugt, dass wir tollen, attraktiven Volleyball spielen können.“Es bleibt die Hoffnung, dass sich auch die Fans ab Mitte Oktober davon überzeugen können.