Er hat verstanden
Die Botschaft ist angekommen. Der Bundeswirtschaftsminister hat einen bemerkenswerten Schritt getan. Peter Altmaier (CDU) erklärte am Freitag, den Klimawandel ernst zu nehmen – so ernst, dass er die Klimaneutralität bis 2050 zum obersten Ziel der Politik befördern würde. Derartiges hat man an dieser Bundesregierung oft vermisst – ein Leitbild, einen Zukunftsentwurf, plausibel, in einfachen Worten, dennoch überzeugend und zwingend. Altmaier übernimmt Verantwortung und zeigt Engagement. Der Wirtschaftsminister ist damit auf der Höhe der Zeit, denn die Mehrheit der Bevölkerung teilt seine Erkenntnis.
Altmaier schlägt vor, bis nächsten Sommer eine Klima-Charta auszuarbeiten – möglichst im gesellschaftlichen Konsens. Diese soll den Weg für die nächsten 30 Jahre beschreiben, etwa für jedes Jahr konkrete Kohlendioxidmengen festlegen, um im Jahr 2050 dann tatsächlich annähernd auf null zu kommen. Diesem Ziel müsse auch jährlich ein Teil der Wirtschaftsleistung gewidmet werden, um die „enormen Kosten“zu finanzieren.
Das kann man einerseits für einen realistischen Ansatz halten. Altmaier hat erkannt, dass die Politik etwas tun muss, um nicht einen großen Teil der Jugend zu verlieren. Ohne den „Fridays for Future“-Sommer von 2019 hätte sich der Minister nicht so bewegt. Außerdem denkt er in Machtoptionen. Die Klima-Charta stellt ein Angebot an die Grünen dar, die nächste Bundesregierung zu bilden. Aber kann der Aufschlag praktisch funktionieren – in Zeiten von Corona und Wirtschaftskrise? Es ist eine gewaltige Anstrengung, Altmaier müsste sich dahinterklemmen.
Und eine große Frage lässt sich heute kaum beantworten. Weniger Treibhausgas-Ausstoß mit immer mehr Wohlstand? Wie soll das klappen? Altmaier will Klimaschutz und Wirtschaftswachstum versöhnen, er stellt das Wachstumsmodell nicht infrage. Doch geraten nicht reiche Industrieländer irgendwann an einen Punkt, hinter dem die ewige Expansion die natürlichen Ressourcen endgültig überfordert? Die Antwort ist umstritten. Diese Botschaft kann noch nicht ankommen.