Altmaier mal grün
Bundeswirtschaftsminister überrascht mit Klimaschutz-Offensive
- Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier will ein großes Bündnis zur Klimarettung schmieden. „Wir gehen seit Jahrzehnten einer ökologischen Katastrophe entgegen“, beklagte er in Berlin. Um die Erderwärmung zu begrenzen, stehe nur noch eine begrenzte Zahl von Jahren zur Verfügung, ist der CDUPolitiker überzeugt. Daher plädiert er für eine „Allianz von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat für Klimaneutralität und Wohlstand“, die Bundestag und Bundesrat noch vor der Bundestagswahl in einem Jahr beschließen, um Stillstand zu verhindern.
Was der 62-jährige Saarländer am Freitag vorstellte, klingt wie das Eingeständnis, in vielen Jahren in der Politik zu wenig bewirkt zu haben. „Wir haben viele Menschen enttäuscht, denen Klimaschutz wichtig ist“, gibt er zu. Immer wieder sei der Klimaschutz tagesaktuellen Problemen von der Einheit bis zu Corona untergeordnet worden. Gerade junge Leute wollten aber wissen, wie die weitgehende Klimaneutralität der EU spätestens 2050 garantiert erreicht werden könne. Die Unternehmen benötigten langfristige Planungssicherheit für große Investitionen. Altmaier will einen parteiübergreifenden
Konsens über klimapolitische Handlungsnotwendigkeiten, an dem sich nicht nur die Parteien im Bundestag beteiligen, sondern auch weite Teile der Klimabewegung, der Wirtschaft und der Kirchen. Er soll Klimaschutz und Wohlstand unter einen Hut bekommen. Dabei will er auch auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen achten und insbesondere den Mittelstand nicht be-, sondern entlasten. Die Produktion solle nicht ins Ausland vertrieben werden.
Der Wirtschaftsminister will nicht nur die Klimaneutralität bis spätestens 2050 festschreiben, sondern jetzt schon konkrete Minderungsziele für jedes einzelne Jahr ab 2022 festlegen. Bund, Länder und Kommunen sollen sich verpflichten, die Klimaneutralität bereits 2035 zu erreichen. Wie bei Forschung und Verteidigung will er einen festen Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts für Klimaschutz und Wirtschaftsförderung festschreiben. Die erreichten Fortschritte soll jeder einsehen können.
Neben einer „Klima-Garantie“soll zur Charta auch eine „WirtschaftsGarantie gehören“: Der Staat solle verpflichtet werden, alle notwendigen und geeigneten Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele und zur Erhaltung der Wirtschaftskraft „zügig zu ergreifen und umzusetzen“. Wettbewerbsrechtlich
relevante Belastungen der Wirtschaft durch Klimaschutz solle er ausgleichen.
Die 20 konkreten Vorschläge Altmaiers enthalten auch den Plan, dass Branchen und Unternehmen, die sich zu einem schnelleren CO2-freiem Arbeiten verpflichten, Unterstützungen und Investitionszuschüsse erhalten. Die EEG-Umlage für Ökostrom soll weiter schrittweise abgesenkt werden. Außerdem hält der Wirtschaftsminister an seinem Ziel fest, die Beiträge zur Sozialversicherung langfristig nicht über 40 Prozent steigen zu lassen.
Altmaier hat seine Vorschläge noch nicht in der Regierung und mit den Parteien abgesprochen. Die Grünen reagierten skeptisch: Bisher arbeite er gegen den Klimaschutz, klagten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Anja Hajduk und Oliver Krischer. Bei vielen Themen wie Kohleausstieg oder erneuerbare Energien wirke er „wie ein Teil des Problems und nicht der Lösung“. Für FDP-Fraktionsvize Michael Theurer ist Altmaiers Vorstoß „der parteipolitische Vorbote von Schwarz-Grün“. Wirtschafts- und klimapolitisch setze der Minister „auf eine quasi CO2Steuer und Verstaatlichungen anstatt auf soziale Marktwirtschaft“.