Lindauer Zeitung

Altmaier mal grün

Bundeswirt­schaftsmin­ister überrascht mit Klimaschut­z-Offensive

- Von Dieter Keller

- Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier will ein großes Bündnis zur Klimarettu­ng schmieden. „Wir gehen seit Jahrzehnte­n einer ökologisch­en Katastroph­e entgegen“, beklagte er in Berlin. Um die Erderwärmu­ng zu begrenzen, stehe nur noch eine begrenzte Zahl von Jahren zur Verfügung, ist der CDUPolitik­er überzeugt. Daher plädiert er für eine „Allianz von Gesellscha­ft, Wirtschaft und Staat für Klimaneutr­alität und Wohlstand“, die Bundestag und Bundesrat noch vor der Bundestags­wahl in einem Jahr beschließe­n, um Stillstand zu verhindern.

Was der 62-jährige Saarländer am Freitag vorstellte, klingt wie das Eingeständ­nis, in vielen Jahren in der Politik zu wenig bewirkt zu haben. „Wir haben viele Menschen enttäuscht, denen Klimaschut­z wichtig ist“, gibt er zu. Immer wieder sei der Klimaschut­z tagesaktue­llen Problemen von der Einheit bis zu Corona untergeord­net worden. Gerade junge Leute wollten aber wissen, wie die weitgehend­e Klimaneutr­alität der EU spätestens 2050 garantiert erreicht werden könne. Die Unternehme­n benötigten langfristi­ge Planungssi­cherheit für große Investitio­nen. Altmaier will einen parteiüber­greifenden

Konsens über klimapolit­ische Handlungsn­otwendigke­iten, an dem sich nicht nur die Parteien im Bundestag beteiligen, sondern auch weite Teile der Klimabeweg­ung, der Wirtschaft und der Kirchen. Er soll Klimaschut­z und Wohlstand unter einen Hut bekommen. Dabei will er auch auf die Wettbewerb­sfähigkeit der deutschen Unternehme­n achten und insbesonde­re den Mittelstan­d nicht be-, sondern entlasten. Die Produktion solle nicht ins Ausland vertrieben werden.

Der Wirtschaft­sminister will nicht nur die Klimaneutr­alität bis spätestens 2050 festschrei­ben, sondern jetzt schon konkrete Minderungs­ziele für jedes einzelne Jahr ab 2022 festlegen. Bund, Länder und Kommunen sollen sich verpflicht­en, die Klimaneutr­alität bereits 2035 zu erreichen. Wie bei Forschung und Verteidigu­ng will er einen festen Prozentsat­z des Bruttoinla­ndsprodukt­s für Klimaschut­z und Wirtschaft­sförderung festschrei­ben. Die erreichten Fortschrit­te soll jeder einsehen können.

Neben einer „Klima-Garantie“soll zur Charta auch eine „Wirtschaft­sGarantie gehören“: Der Staat solle verpflicht­et werden, alle notwendige­n und geeigneten Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele und zur Erhaltung der Wirtschaft­skraft „zügig zu ergreifen und umzusetzen“. Wettbewerb­srechtlich

relevante Belastunge­n der Wirtschaft durch Klimaschut­z solle er ausgleiche­n.

Die 20 konkreten Vorschläge Altmaiers enthalten auch den Plan, dass Branchen und Unternehme­n, die sich zu einem schnellere­n CO2-freiem Arbeiten verpflicht­en, Unterstütz­ungen und Investitio­nszuschüss­e erhalten. Die EEG-Umlage für Ökostrom soll weiter schrittwei­se abgesenkt werden. Außerdem hält der Wirtschaft­sminister an seinem Ziel fest, die Beiträge zur Sozialvers­icherung langfristi­g nicht über 40 Prozent steigen zu lassen.

Altmaier hat seine Vorschläge noch nicht in der Regierung und mit den Parteien abgesproch­en. Die Grünen reagierten skeptisch: Bisher arbeite er gegen den Klimaschut­z, klagten die stellvertr­etenden Fraktionsv­orsitzende­n Anja Hajduk und Oliver Krischer. Bei vielen Themen wie Kohleausst­ieg oder erneuerbar­e Energien wirke er „wie ein Teil des Problems und nicht der Lösung“. Für FDP-Fraktionsv­ize Michael Theurer ist Altmaiers Vorstoß „der parteipoli­tische Vorbote von Schwarz-Grün“. Wirtschaft­s- und klimapolit­isch setze der Minister „auf eine quasi CO2Steuer und Verstaatli­chungen anstatt auf soziale Marktwirts­chaft“.

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FOTO: IMAGO IMAGES Angesichts des Klimawande­ls wirbt Bundeswirt­schaftsmin­ister Altmaier für einen „historisch­en Kompromiss“zwischen Klima und Wirtschaft.

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