Von wegen Zwischenlösung
In fünf Jahren als Vorstandschef hat Siegfried Goll viel bewegt – Am Sonntag wird das ZF-Urgestein 80
- Nicht immer trifft er wirklich zu, der Begriff Urgestein, wenn von der langjährigen Verbindung einer Persönlichkeit mit einem Unternehmen die Rede ist. Siegfried Goll, der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Friedrichshafener Autozulieferers ZF, hat diesen Ehrentitel aber zweifellos verdient. Am Sonntag wird das ZF-Urgestein 80 Jahre alt.
Der gebürtige Vorarlberger begann 1963, unmittelbar nach dem Maschinenbaustudium, seine Tätigkeit bei ZF, zunächst als Versuchsingenieur, und blieb bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2006 in den Diensten des Traditionsunternehmens vom Bodensee. Schon mit dieser langen Betriebszugehörigkeit, in wechselnder, immer höherer Verantwortung, schrieb Siegfried Goll ein besonderes Kapitel der ZF-Geschichte, denn fast alle seine Vorgänger und Nachfolger an der Spitze des Unternehmens hatten zuvor ein Berufsleben anderswo und einige auch ein solches danach. Und noch etwas ist außergewöhnlich an Golls beruflicher Vita. Bei seiner Berufung zum ZFKonzernchef im Juli 2001 war er schon knapp 61 Jahre alt und damit zwei Monate älter als sein Vorgänger Klaus Bleyer, der kurz zuvor das Unternehmen in Richtung Ruhestand verlassen hatte.
Gewiss, Goll war bereits seit Mai 1999 Stellvertreter des Vorstandsvorsitzenden Bleyer. Trotzdem vermuteten nicht wenige ZF-Mitarbeiter und externe Beobachter, dass seine Amtszeit nur eine Art Zwischenlösung sein würde, von der keine großen Impulse erwartet werden könnten, auch wenn seine bisherigen Funktionen als Chef der ZF Getriebe GmbH in Saarbrücken und verantwortlicher Vorstand für die Zentrale Forschung und Entwicklung der ZF seine hervorragenden Qualifikationen als Techniker und Manager überzeugend belegten. Es waren Golls schon fortgeschrittenes Alter und die Aussicht auf nur eine Amtsperiode, welche die Erwartungen an seine Rolle als oberster Chef der ZF dämpften. Aber es kam ganz anders. In den fünf Jahren als Vorstandsvorsitzender erwies sich Siegfried Goll keineswegs nur als Verwalter seines hohen Amtes, sondern als ausgesprochen tatkräftiger Gestalter der Geschicke des Friedrichshafener Weltunternehmens.
Unter Golls Leitung wurde der Internationalisierungsprozess des Stiftungsunternehmens, vor allem in Asien, konsequent fortgesetzt, die Produktpalette erheblich erweitert und ergänzt. Auch die schnelle und erfolgreiche Integration der Mannesmann Sachs AG in den ZF-Konzern, eine in jeder Hinsicht gewaltige Aufgabe, bleibt mit seinem Namen verbunden. Siegfried Goll hatte aber auch den Mut zu schwierigen Korrekturen. Dafür steht etwa der Rückzug aus den Gemeinschaftsunternehmen mit Ford und Meritor in Amerika, die sich nicht so entwickelt hatten, wie man dies erhofft hatte.
Es war sicher nicht nur seine zupackende, manche Mitarbeiter sprachen auch von ungeduldiger Art, die das Arbeits- und Entscheidungstempo des ZF-Chefs Siegfried Goll prägte. Das Bewusstsein, an eine Vertragsverlängerung nicht denken zu müssen, dürfte ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Möglicherweise auch bei diesem Vorgang: 2003 hatte sich der ZF-Aufsichtsrat zu einer zwar überfälligen, bis dahin aber kaum vorstellbaren Entscheidung durchgerungen. Er machte Schluss mit der Tradition, dass der jeweilige Friedrichshafener Oberbürgermeister den Aufsichtsratsvorsitz beim Stiftungsunternehmen ZF für sich reservierte. Dass dies nicht ohne Golls aktives Zutun oder zumindest unterstützende Begleitung geschehen ist, darf man unterstellen, auch wenn das wohl nirgendwo dokumentiert worden ist. Auf jeden Fall war das aber eine bedeutende Weichenstellung in der Ära Siegfried Goll und vielleicht sogar die mit der nachhaltigsten Wirkung. Hartmut Prellwitz, der ehemalige Chef des Maschinenund Anlagenbauers IWKA, war der erste Industrielle, der den ZF-Aufsichtsrat leitete, und bis heute sind ihm ausschließlich erfahrene Persönlichkeiten der Wirtschaft in dieser wichtigen Funktion gefolgt.