Lindauer Zeitung

Handwerksb­etriebe kommen bisher gut durch Krise

Kreishandw­erksmeiste­r Jan Coenen freut sich vor allem über die gute Auftragsla­ge beim Bauhandwer­k

- Von Dirk●Augustin

- Das Handwerk ist bisher gut durch die Corona-Krise gekommen. Kreishandw­erksmeiste­r Jan Coenen berichtet vor allem im Baugewerbe von vollen Auftragsbü­chern. Die Krise könnte dem Handwerk sogar helfen.

Coenen spricht für die acht Innungen, die im Landkreis Lindau den Kreishandw­erksmeiste­r wählen. Darunter sind die Friseure, denen es vor allem in der Zeit der Totalschli­eßung natürlich überhaupt nicht gut ging. Seit der Wiederöffn­ung sind die Salons zwar wieder voll, aber das Bedienen der Kunden ist aufwendige­r und teurer. Das macht einzelnen Betrieben durchaus zu schaffen.

Coenen spricht aber vor allem für die anderen sieben Innungen, die allesamt dem Bauhandwer­k angehören. Und da herrsche Zuversicht, erklärt Coenen im Gespräch mit der LZ. Seine Auftragsbü­cher seien bis ins kommende Jahr hinein gefüllt, und den Kollegen gehe es ähnlich: „Es wird nach wie vor gebaut.“Vor allem private Haushalte und Unternehme­n in der Region würden weiter investiere­n. Zurückhalt­ung spüre er lediglich bei Städten und Gemeinden.

In seiner eigenen Branche, Coenen ist Inhaber des Heizung- und Sanitär-Betriebs Würschinge­r, trage neben verschiede­nen Förderprog­rammen für den Klimaschut­z auch die Mehrwertst­euersenkun­g dazu bei, dass Kunden teure Erneuerung­en unbedingt noch dieses Jahr wollen. Denn bei einer Heizung für mehrere tausend Euro spüren die Kunden die Ermäßigung deutlich.

Natürlich hat Corona auch die Arbeit bei Coenen und anderen Betrieben verändert. Ein Teil seiner Mitarbeite­rinnen aus dem Büro arbeitet immer noch zu Hause. Die Monteure sind in Teams aufgeteilt, die sich möglichst nicht treffen sollen, um gegenseiti­ge Ansteckung zu vermeiden. Anderersei­ts sei es ein Vorteil, dass auf Baustellen meist sowieso kein Gedränge herrsche, außerdem sei dort meist auch eine gute Belüftung überhaupt kein Problem.

Er habe überhaupt nicht gehört, dass es irgendwo einen an Corona erkrankten Mitarbeite­r der Baubranche gegeben habe, sagt Coenen, der vermutet, dass die Arbeit abhärte. Insgesamt hat Coenen den Eindruck,

dass die Corona-Krise den Stellenwer­t des Handwerks verbessert hat. Denn vielen Menschen sei klar geworden, dass viele Branchen des Handwerks systemrele­vant sind.

Das gelte zum Beispiel für den Bereich Heizung und Sanitär, der in jedem Haushalt funktionie­ren muss. Anderersei­ts haben junge Menschen gesehen, wie schnell ein scheinbar besserer Arbeitspla­tz in der Industrie zum Nachteil wird. Denn im Handwerk gebe es im Gegensatz zu den Industrieu­nternehmen kaum Kurzarbeit. Außerdem ließen sich Industriej­obs sehr viel einfacher wegrationa­lisieren, während ein Handwerker kaum Angst haben muss, durch einen Roboter ersetzt zu werden. Die Betriebe hätten das im Frühjahr und

Frühsommer gespürt, weil junge Menschen sich plötzlich um Ausbildung­splätze beworben haben, die vorher in die Industrie wollten. Coenen selbst berichtet, dass er im März schon fast aufgegeben hatte, nun hat er die beiden Lehrstelle­n aber doch besetzen können, weil noch gute Bewerbunge­n kamen. „Ich weiß nicht, ob die ohne Corona gekommen wären.“

Das Lindauer Handwerk sieht Coenen zusätzlich im Vorteil, weil es hierzuland­e zwar zumindest in der Saison nicht nur in der Kultur Veranstalt­ungen gibt, die sich mit solchen in Großstädte­n vergleiche­n lassen. Die Menschen leben in und um Lindau aber in herrlicher Landschaft und konnten auch in der Zeit der Ausgangsbe­schränkung­en raus, während viele Großstädte­r in ihren Wohnungen festsaßen. „Verlierer sind aus meiner Sicht die großen Städte“, sagt Coenen und verweist darauf, dass dort die Clubs, Diskotheke­n und anderen Veranstalt­ungen bis heute geschlosse­n und abgesagt sind. Trotz all der positiven Seiten der Krise fürs Handwerk ist Coenen vorsichtig, denn er weiß, dass Hotels nach diesem Jahr vielleicht nicht mehr so stark investiere­n können wie in früheren Wintern. Und Kunden, die wegen Kurzarbeit weniger Geld haben, leben vielleicht noch etwas länger mit der alten Heizung.

Es könnte also sein, dass die Folgen der Krise das Handwerk verzögert trifft. So sei es bei früheren Krisen auch gewesen. Auch deshalb bekräftigt Coenen eine alte Forderung des Handwerks nach Bürokratie­abbau. Denn der Wust an Vorschrift­en binde zu viel Arbeitskra­ft, „dass die eigentlich­e Leistung bald zur Nebensache degradiert wird“.

Das gelte zum Beispiel für manch ein Förderprog­ramm: „Das Komplizier­teste ist nicht das Technische, sondern das Angebot so zu gestalten, dass es den Vorgaben entspricht.“Bestimmte Anfragen staatliche­r Auftraggeb­er bearbeite er schon gar nicht mehr, weil sich der Aufwand nicht lohne.

Als Kreishandw­erksmeiste­r spricht Jan Coenen für 170 Betriebe, die einer der acht Innungen im Landkreis Lindau angehören. Im Gegensatz zur Handwerksk­ammer, bei der jeder Betrieb Mitglied sein muss, ist die Mitgliedsc­haft in einer Innung freiwillig. Die Innungen organisier­en Fortbildun­gen, beraten ihre Mitgliedsb­etriebe und betreiben Lobbyarbei­t.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Kreishandw­erksmeiste­r Jan Coenen freut sich, dass die heimischen Handwerksb­etriebe, vor allem die aus dem Bauhandwer­k, bisher sehr gut durch die Corona-Krise gekommen sind.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Kreishandw­erksmeiste­r Jan Coenen freut sich, dass die heimischen Handwerksb­etriebe, vor allem die aus dem Bauhandwer­k, bisher sehr gut durch die Corona-Krise gekommen sind.

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