Gemeinde sichert sich Chance auf Jahrhundertprojekt
Grundstückskauf schafft Grundlage für eine Unterführungstrasse mit vielen Vorteilen
- Plötzlich ist sie wieder da: die Chance auf eine Beseitigung des Bahnübergangs in Schlachters durch eine Unterführung. Denn über das Vorkaufsrecht, das sich die Gemeinde schon im Jahr 1987 gesichert hat, stehen nun zwei entscheidende Flurstücke für eine bereits totgeglaubte Trassenvariante zur Verfügung. „Damit ist die Tür ganz weit aufgestoßen für ein Jahrhundertprojekt“, sagte Bürgermeister Jörg Agthe hoffnungsfroh in der Sitzung des Sigmarszeller Gemeinderats am Donnerstag. Denn nun wäre eine Unterführung möglich, die nicht beim jetzigen Bahnübergang unter den Gleisen durchstößt, sondern erst hinter dem Gewerbepark Edelweiß.
Möglich wird dies, weil das Kremsmüller-Areal neben dem Bahnübergang an einen Investor verkauft wird. Die Gemeinde Sigmarszell könnte deshalb ihr Vorkaufsrecht wahrnehmen, das sie sich schon 1987 gesichert hatte. Dieses Recht muss sie jetzt aber gar nicht nutzen, weil sie sich stattdessen auf dem Verhandlungsweg mit dem künftigen Eigentümer geeinigt hat und zwei Teilflächen in der Größe von 990 und 360 Quadratmetern kauft.
Diesen Grunderwerb hat der Gemeinderat vor Kurzem in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und jetzt noch einmal aus Gründen der Rechtssicherheit in öffentlicher Sitzung bekräftigt. „Es ist ein tolles Projekt und wird die Gemeinde Sigmarszell, insbesondere den Ortsteil Schlachters, nachhaltig verändern“, sagte Agthe. „Wenn wir diese Chance vertan hätten, dann hätten wir uns an den nachfolgenden Generationen versündigt.“
Zuvor hatte Agthe darauf verwiesen, dass laut einer Verkehrszählung aus dem Jahr 2015 täglich mehr als 4000 Fahrzeuge über den Bahnübergang in Schlachters fahren. Wegen dieses hohen Verkehrsaufkommens besteht seit vielen Jahren der Wunsch, diesen Bahnübergang zu beseitigen. Verstärkt wird dieses Ansinnen nun durch den Bahnhalt, den Schlachters im Jahr 2024 bekommen soll. Diese Zusage gelte nach wie vor, berichtete der Bürgermeister. Die
Folge sei aber, dass sich die Schrankenschließzeiten am Bahnübergang auf etwa fünf Minuten verlängern würden.
Denn die Schranken müssten geschlossen sein, wenn der Zug einfährt, am Haltepunkt steht und wieder ausfährt. „In diesem Moment wird die Unterführung relevant“, erläuterte er die Zusammenhänge.
Zu teuer und zu kompliziert wäre es laut Agthe jedoch, die Hauptstraße unter dem jetzigen Bahnübergang durchzuführen. Denn die Straße müsste dazu acht Meter abgesenkt werden. Sie müsste also schon ab der Weiherstraße eingetieft und mit Spundwänden und Bohrpfählen verbaut werden. Auch auf der anderen Seite der Gleise wäre eine massive Verbauung nötig.
Zudem wäre die Anbindung von Gewerbepark, angrenzenden Anwesen und Verbindungsstraßen mit Komplikationen verbunden. Deshalb
werde diese Variante von den zuständigen Stellen nicht weiterverfolgt. Viel Charme habe hingegen eine andere Variante, die durch den Grundstückskauf jetzt möglich wird: Demnach würde die Hauptstraße – vom Ortskern aus gesehen – nicht mehr zum Bahnübergang hin abbiegen, sondern fast geradeaus südlich des Kremsmüller-Areals weitergeführt werden. Sie würde dann zwischen der Photovoltaikanlage der Gemeinde Weißensberg und der Autobahn einschwenken, dort die Gleise unterqueren, an der Autobahn entlangführen und über einen neuen Kreisverkehr in die Straße nach Eggenwatt einfädeln.
„Diese Variante bietet unglaublich viele Vorteile“, sagte Agthe. Das Gelände falle hier ohnehin ab, im betroffenen Waldstück gebe es bereits eine Rückegasse, und die Bäume seien hiebreif.
Die Photovoltaikanlage der Gemeinde Weißensberg würde nur an ihren Eckpunkten berührt werden. Und die Anbindung des Radwegs sei relativ einfach möglich.
Gute Chancen habe das Projekt auch deswegen, weil alle Akteure öffentliche Stellen seien: der Landkreis Lindau wegen der Straße, die Bayerischen Staatsforsten wegen des Waldstücks, die Autobahndirektion Südbayern wegen der Nähe zur Autobahn, die Gemeinde Weißensberg wegen der Photovoltaikanlage und die Gemeinde Sigmarszell selbst. Vorteile habe diese Lösung auch für den künftigen Eigentümer des
Bürgermeister Jörg Agthe
Kremsmüller-Areals. Denn er könne mit Teilen des Grundstücks ohnehin nicht viel anfangen, da er unter anderem Waldabstandsflächen einhalten müsste. Agthe bezeichnete deshalb den hier erzielten Kompromiss als eine „faire Lösung“.
Auch hinsichtlich der Finanzierung gibt es „viel Grund zur Hoffnung“, sagte der Bürgermeister. Er habe vom Staatlichen Bauamt Kempten die Auskunft erhalten, dass aufgrund einer Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes der Bund in diesem Fall 50 Prozent der Baukosten tragen müsste, der Freistaat ein Drittel und die DB Netz AG den Rest. Der Landkreis Lindau und die Gemeinde Sigmarszell müssten demnach nur noch den begleitenden Geh- und Radweg finanzieren. „Jetzt liegt der Ball auf dem Elfmeterpunkt“, folgerte Agthe aus all dem. Der Elfmeter aufs freie Tor müsse nun nur noch verwandelt werden.
„Diese Variante bietet unglaublich viele Vorteile.“