„Natürlich wirst du angelangt“
Schauspielerin Brigitte Hobmeier über ihre eigenen Erfahrungen als Herzerlverkäuferin auf dem Oktoberfest
(dpa) - Brigitte Hobmeier hat Hochachtung vor der Arbeit von Bedienungen auf dem Münchner Oktoberfest. Seit die Schauspielerin als Studentin auf der Wiesn Lebkuchenherzen verkauft hat, weiß sie, wie anstrengend der Job im Bierzelt ist, vor allem, wenn Männer bei steigendem Alkoholpegel übergriffig werden, erzählt Hobmeier im Interview mit Cordula Dieckmann. Hobmeier spielt in der TV-Serie „Oktoberfest 1900“ein Biermadl.
Sie sind gebürtige Münchnerin und schon als Kinder auf der Wiesn gewesen. Was hat sich seitdem verändert?
Es war früher nicht so, dass sich alle Trachten angezogen haben. Das ist erst in den letzten zehn, 15 Jahren passiert. Die Münchner haben sich schick gemacht fürs Oktoberfest. Sich für 15 Euro ein Billigdirndl oder eine Billiglederhose zu kaufen, das gab es nicht.
Während ihres Studiums haben Sie auch mal auf der Wiesn gearbeitet. Wo war das?
Ich habe als Herzerl-Verkäuferin gearbeitet. Das war einschneidend, die andere Seite dieses bacchantischen Festes kennenzulernen und zu erfahren, wie du als Ware gesehen wirst, als Produkt. Ich hatte zum Glück das Dirndl von meiner Mama an. Die Mädls, die kein Dirndl hatten, hatten so kurze Plastiklederhosen bekommen, da war eine weiße Hand auf dem Hintern drauf.
Wie haben die Männer reagiert?
Natürlich wirst du angelangt, angeflirtet sondergleichen und alle denken, wenn du da arbeitest, hast du darauf Lust. Und je mehr der Alkoholspiegel steigt, desto rabiater und brachialer wird das Ganze. Das war alles andere als lustig, und es haben auch Einige früher aufgehört. Seitdem gehe ich jedes Jahr hin und kaufe dem ersten Herzerlmadl, das ich sehe, ein Herzerl ab.
Ihre Figur der Colina Kandl macht auch so ihre Erfahrungen, erst als Anstandsdame einer reichen, jungen Frau, dann als Biermadl, also als Wiesn-Hilfskellnerin. Was hat Sie an der Rolle fasziniert?
Sie ist eine starke Persönlichkeit.
Als ich die erste Szene gelesen habe, habe ich gedacht, diese Frau will ich spielen. Sie hat eine Frechheit, eine Liebe, sie ist gewitzt und gewieft. Sie weiß, wie sie überleben kann und alles aus der Liebe zu einem Menschen: Sie will ihrem Sohn ein besseres Leben schenken als das, was sie hat. Natürlich will sie auch aus diesem Halbprostituierten-Milieu heraus, was man so als Biermadl mit sich trägt. Sie gräbt sich raus aus den Abhängigkeiten und spürt: Den Augenblick, in dem ich einen Funken Entscheidungsfreiheit habe, den nutze ich.
Was war das Schwierige an der Lage der Biermadl?
Diese Frauen haben nichts verdient. Nur das Trinkgeld war ihrs und dann gab es die Nebenjobs, dass man mal mit einem Herrn rausging in den Schuppen. Die Jobs der Biermadl waren trotzdem heiß begehrt. Aber als der Bierpreis erhöht wurde, haben die Leute den Bedienungen das Trinkgeld gekürzt oder sogar vorenthalten. Dadurch kam es zu Widerstand und einem großen Streik auf dem Oktoberfest.
(44, Foto: dpa) stammt aus dem Raum München. Nach ihrer Schauspielausbildung an der Folkwang Universität der Künste Essen spielte sie in München an den Kammerspielen und am Residenztheater. Von 2013 bis 2015 war sie bei den Salzburger Festspielen die Buhlschaft im „Jedermann“. Auch in Filmen ist sie immer wieder zu sehen, etwa in dem Drama „Ende der Schonzeit“oder in dem ZDFFilm „Die Hebamme –Auf Leben und Tod“, für den sie 2012 den Grimme-Preis erhielt. (dpa)