Lindauer Zeitung

Das letzte Fußballauf­gebot der DDR

Am 12. September 1990 spielte die Auswahl gegen Belgien ihr finales Länderspie­l

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(SID) - Eduard „Ede“Geyer kann sich noch genau an den Schlusspun­kt für die Fußball-Auswahl der DDR erinnern. Am 12. September 1990 in Brüssel fiel der letzte Vorhang für die Mannschaft der Deutschen Demokratis­chen Republik, die nach dem Mauerfall am 9. November 1989 nicht einmal mehr zehn Monate Bestand hatte. Geyer hatte für den letzten Auftritt 36 Spieler eingeladen, aber 22 sagten ab. „Da hätte ich mir gewünscht, dass sich die Spieler etwas charakterf­ester verabschie­det hätten“, sagte Geyer später. Immerhin: Die stark ersatzgesc­hwächte DDR-Auswahl gewann durch zwei Treffer von Kapitän Matthias Sammer mit 2:0 gegen Belgien.

„Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, dass dieser Tag auch eine gewisse historisch­e Bedeutung hatte. Im Vorfeld und an dem Tag selbst ging es nur darum, dass wir gewinnen“, berichtete Geyer später in seinem Buch „Eduard Geyer - Einwürfe“zu diesem speziellen Match.

Zu den Unentwegte­n, die sich entschloss­en, noch einmal das DDR-Trikot überzustre­ifen, gehörten neben Sammer Uwe Rösler, Dariusz Wosz, Heiko Scholz, Heiko Bonan und Torsten Kracht. Besonders angetan war der langjährig­e Coach von Energie Cottbus vom Matchwinne­r Sammer: „Matthias war manchmal nicht ganz leicht, er war ein bisschen komplizier­t, hatte zuweilen völlig andere Ansichten. Grundsätzl­ich machte er sich aber immer Gedanken über Fußball. Mit ihm konntest du stundenlan­g darüber reden und diskutiere­n. Er ist schon ein besonderer Spezi, sonst hätte er es auch nicht so weit gebracht.“In Brüssel traf Sammer in der 74. und 89. Minute für die Geyer-Truppe im Constant-Vanden-Stock-Stadion vor nur 12 000 Zuschauern. Am 19. Dezember 1990 stand Sammer auch im

Wiedervere­inigungs-Länderspie­l in Stuttgart gegen die Schweiz (4:0) als erster DDR-Spieler in der Anfangsfor­mation der Auswahl des DFB; später wurde Andreas Thom als zweiter Kicker aus dem Osten für Sammer eingewechs­elt (74.).

Enttäuscht war Geyer über die Spieler, die ihm für das Spiel einen Korb gegeben hatten. Viele hatten mit der DDRAuswahl abgeschlos­sen. Aber auch die Spieler aus dem Osten, die in Brüssel waren, waren bei den Westclubs heiß begehrt. „Ich weiß noch sehr genau, wie nach dem Spiel plötzlich diverse Spielerber­ater um uns herumturnt­en. Es war beschämend, wie sich einige von denen aufführten“, berichtete Geyer.

Ähnliches hatte sich schon am 15. November 1989 in Österreich zugetragen, als die DDR wenige Tage nach dem Mauerfall noch um das Ticket für die WM 1990 in Italien kämpfte. Aber vergebens, der Traum von der zweiten Teilnahme an einer WM nach 1974 in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d platzte wie eine Seifenblas­e. Dies konnte auch der Fußballleh­rer und Dresdner Meisterspi­eler, der im September 1989 die DDR-Auswahl übernommen hatte, nicht ändern. „Für einen Trainer, der unbedingt mal eine WM miterleben wollte, war es eine Katastroph­e“, meinte Geyer. Vor 55 000 Zuschauern ging sein Team in Wien mit 0:3 unter. „Wenn die Mauer ein paar Wochen später gefallen wäre, hätten wir das Spiel gewonnen“, betonte Geyer später.

„Da hätte ich mir gewünscht, dass sich die Spieler etwas charakterf­ester verabschie­det hätten.“

Eduard „Ede“Geyer

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FOTO: DPA. Hängte sich rein: Matthias Sammer erzielte gegen Belgien zwei Tore,

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