Laura Siegemund brilliert in New York
Die 32-Jährige aus Metzingen feiert mit der Russin Swonarewa bei den US Open den größten Erfolg ihrer Karriere
(SID/dpa) - Laura Siegemund blickte voller Vorfreude auf den 1,8 Kilo schweren Silberpokal der US Open, doch in den Moment ihres größten Triumphs mischte sich auch eine gehörige Portion Trauer. „Ich möchte den Titel meiner Tante widmen. Sie ist gestorben während das Turnier hier lief. Sie hat bestimmt den besten Platz zum Zuschauen gehabt“, sagte Siegemund.
Doch dann stemmte sie mit einem Strahlen im Gesicht den Pokal zusammen mit Swonarewa in die Höhe – als erste Deutsche seit Claudia KohdeKilsch 1985 hat Siegemund in Flushing Meadows im Doppelwettbewerb der Frauen triumphiert. „Das war nicht geplant, dass wir hier den Titel holen“, sagte Siegemund. Erst kurzfristig vor Turnierbeginn hatten sich die beiden eher zufällig zusammengefunden, es war das erste Turnier der beiden.
Kurz nach dem Matchball zum 6:4, 6:4 in 1:19 Stunden gegen die an Nummer 3 gesetzten Nicole Melichar/Xu Yifan (USA/China) durfte sie auch endlich mit Swonarewa feiern. „Darf ich sie bitte umarmen?“, fragte Siegemund die Stuhlschiedsrichterin artig. Sie durfte.
Siegemund, die mit Swonarewa als ungesetztes Doppel ins Finale stürmte, hatte 2016 bei den US Open schon mit dem Kroaten Mate Pavic im Mixed triumphiert. Nun schaltete sie mit ihrer Partnerin unter anderem die an sieben gesetzten Viktoria Asarenka/ Sofia Kenin (Weißrussland/USA) und die an Position zwei geführten Titelverteidigerinnen Aryna Sabalenka/ Elise Mertens (Weißrussland/Belgien) aus und verdiente sich den Auftritt im Arthur-Ashe-Stadion redlich.
Das deutsch-russische Duo startete hochkonzentriert ins Finale und schaffte ein frühes Break zum 2:1. Anschließend brachte die wild entschlossene Siegemund ihr erstes Aufschlagspiel
sicher durch. Sie und die 36-jährige Swonarewa, die im Doppel bereits 2006 die US Open und 2012 die Australian Open gewann, tauschten sich permanent aus, und Siegemund spielte sich phasenweise in einen Rausch. Nach 41 Minuten war der erste Satz unter Dach und Fach. Siegemund kommentierte dies mit einem durchdringenden „Ja“.
Und Siegemund/Swonarewa legten nach. Die Deutsche, die vor 18 Jahren als Wunderkind und potenzielle Nachfolgerin von Steffi Graf galt, aber erst vor fünf Jahren den Durchbruch in die Weltspitze schaffte, arbeitete unermüdlich am Netz und machte den Punkt zum 1:0 im zweiten Satz – wieder war das schnelle Break da. Als Siegemund kurz später den Ball von einer ihrer Gegnerinnen ins Kreuz bekam, zuckte sie nicht einmal, so sehr war sie im Tunnel. Und am Ende feierte sie den größten Erfolg ihrer Karriere.
Die 56-jährige Kohde-Kilsch hatte Siegemund aus dem fernen Saarbrücken vor dem Finale viel Glück gewünscht. „Ich drücke Laura fest die Daumen, dass sie den Titel wieder nach Deutschland holen kann“, sagte Kohde-Kilsch, die einst mit der Tschechin Helena Sukova triumphierte.
Siegemund suchte zuvor noch einmal Zerstreuung. Die zwei spielfreien Tage vor dem Finale nutzte sie, um vor dem großen Auftritt den Kopf freizubekommen, neue mentale Energie aufzubauen. „Ich war echt platt, da ich jeden Tag gespielt habe“, sagte sie. Die Schwäbin, die einen Bachelorabschluss in Psychologie hat, lebt in ihrem Spiel von ihrem starken Willen, und das spürte man auch im Finale.
Die an Nummer 1 gesetzte französisch-ungarische Kombination Kristina Mladenovic/Timea Babos war vor einer Woche disqualifiziert worden und durfte nicht mehr zur zweiten Runde antreten, weil Mladenovic zu den Kontaktpersonen des positiv auf Covid-19 getesteten Franzosen Benoît Paire zählte und vom Staat New York zur Quarantäne im Hotel verpflichtet worden war.