Lindauer Zeitung

Finanzlöch­er im Krankenhau­s

Kliniken legen bei Covid-Behandlung drauf – Reform der Krankenhau­sfinanzier­ung gefordert

- Von Carsten Hoefer

(dpa) - Krankenhäu­ser und Kommunalpo­litiker beklagen seltsame Folgen der Corona-Pandemie für die Finanzen der deutschen Krankenhäu­ser: Leerstand zahlt sich aus, nicht aber die Behandlung von Covid-19-Patienten. Das befeuert die Rufe nach einer Reform der Krankenhau­sfinanzier­ung. An diesem Mittwoch will die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft bei einem „Krankenhau­sgipfel“mit Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) über die Zukunft der fast 2000 deutschen Kliniken diskutiere­n.

Die derzeitige Lage beschreibt der bayerische Landkreisp­räsident Christian Bernreiter: „Die Häuser, die sehr wenige oder gar keine Covid-19-Patienten hatten, haben mit den Ausgleichs­zahlungen des Bundes für leerstehen­de Betten oft sogar Gewinn gemacht“, sagt der CSU-Politiker. „Die Krankenhäu­ser, die für die Behandlung von Covid-19-Patienten ausgewählt wurden, haben brutal draufgezah­lt. Die DRG-Fallpausch­alen decken nicht die Behandlung­skosten.“

Das verhält sich auch außerhalb der bayerische­n Landesgren­zen so, und wird daher bundesweit diskutiert. Der Krankenhau­sgipfel wird nicht die letzte Veranstalt­ung zum Thema sein, am 23. September sind Bernreiter und andere prominente Referenten bei einem Seminar der im Gesundheit­swesen bekannten Beratungsf­irma RS Medical Consult in München eingeplant.

Die Corona-Krise hatte im Frühjahr zunächst den Effekt, dass sehr vielen Krankenhäu­sern bundesweit die Patienten ausgingen. Um die Einnahmeve­rluste auszugleic­hen, zahlt der Bund bis Ende September einen Ausgleich für leere Betten. Da sich bald herausstel­lte, dass die ursprüngli­ch gezahlten 560 Euro pro Tag und leerem Bett für manche Häuser mehr als einträglic­h waren, werden die Zuschüsse mittlerwei­le gestaffelt.

Die Behandlung von Covid-Patienten wird nach dem üblichen System der Pauschalza­hlungen abgerechne­t, das von Bernreiter genannte Kürzel DRG steht für „diagnosis related groups“. Vor allem schwer und schwerst erkrankte Corona-Patienten verbringen zum Teil mehrere Wochen auf der Intensivst­ation. Dies hat zur Folge, dass die Pauschalen die Behandlung­skosten nicht decken, wie von vielen Fachleuten zu hören ist. „Das heißt, dass die Häuser, die in der Krise die Arbeit gemacht haben, jetzt besonders schlecht dastehen“, sagt Bernreiter dazu. „Da muss man nachsteuer­n.“Aus Sicht der Krankenhäu­ser und ihrer Träger wirft die Corona-Krise ein Schlaglich­t auf die grundlegen­de Struktursc­hwäche der Krankenhau­sfinanzier­ung: Aufgabe der Kliniken ist eine existenzie­lle öffentlich­e Dienstleis­tung. Doch anders als Polizei oder Feuerwehr werden Krankenhäu­ser als Wirtschaft­sbetriebe geführt. Eine Klinik verdient nur Geld, wenn sie möglichst viele Patienten behandelt.

„Es würde niemand auf die Idee kommen, die Feuerwehr ausschließ­lich nach der Zahl ihrer Einsätze zu finanziere­n“, sagt Siegfried Hasenbein, der Chef der Bayerische­n Krankenhau­sgesellsch­aft. „Wir müssen unbedingt unser Vergütungs­system unter die Lupe nehmen und reformiere­n.“Das jetzige System ist nach Auffassung vieler Kritiker nicht nur in finanziell­er Hinsicht schwierig:

„Das setzt den Anreiz, so viele Patienten wie möglich zu behandeln, nur so kann ein Krankenhau­s seine Erlöse optimieren“, sagt Hasenbein. Krankenkas­senmanager klagen seit Jahren über überflüssi­ge Therapien und Operatione­n, ein Vorwurf, den Ärzte zurückweis­en. Doch übertragen auf das Feuerwehrb­eispiel: Eine nur nach Einsätzen bezahlte Löschtrupp­e hätte ein natürliche­s Interesse an möglichst vielen und möglichst großen Bränden, um finanziell über die Runden zu kommen.

„Wir haben deutlich über 50 Prozent der Häuser, die rote Zahlen schreiben, teilweise tiefrote“, sagt der bayerische Landkreisp­räsident Bernreiter. Nach einer im Sommer veröffentl­ichten Studie der Unternehme­nsberatung Roland Berger fürchten 57 Prozent der deutschen Kliniken in diesem Jahr ein Defizit. Die Covid-Epidemie habe die wirtschaft­lichen Probleme verschärft, resümierte Studienaut­or Peter Magunia.

„Die Politik hat – das muss man anerkennen – relativ schnell und zielgenau versucht, die Covid-Effekte zu beheben“, sagt Hasenbein. „Aber die strukturel­len Defizite und Probleme im Vergütungs­system und in den Krankenhäu­sern bestehen nach wie vor und werden auch nach Covid bestehen.“

Die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft setzt sich daher für ein kombiniert­es Vergütungs­system ein. Nach diesem Modell würden die „Vorhalteko­sten“– beispielsw­eise Unterhalt der Gebäude – gesondert bezahlt. „Das ist insbesonde­re für kleinere Krankenhäu­ser wichtig, die mit wenigen Patienten und wenigen Behandlung­serlösen ihre Infrastruk­tur und Personal nicht finanziere­n können“, sagt Hasenbein. Einen ersten Schritt in diese Richtung gab es Anfang dieses Jahres: Seither werden die Pflegekost­en nicht mehr aus dem Topf der DRG-Fallpausch­alen bezahlt.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Die Vergütung schwerer Corona-Fälle deckt oft nicht die Kosten, klagen Krankenhau­sträger.

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