Pokerfreund Kämna hat das beste Blatt
Der Teamkollege von Emanuel Buchmann gewinnt die erste Etappe der Tour-Alpentrilogie
(SID/dpa) - Lennard Kämna fuhr mit einem Freudenschrei über die Ziellinie, dann feierte er den größten Erfolg seines Sportlerlebens mit wilden Fausthieben in die Luft: Nach einer Bilderbuchleistung hat der Radsport-Youngster die 16. Etappe der Tour de France gewonnen und bei der Ouvertüre der Alpentrilogie sein Meisterstück abgeliefert.
„Ich fühle mich großartig, das bedeutet mir so viel“, sagte der 24-Jährige nach dem ersten deutschen Etappensieg bei der 107. Frankreich-Rundfahrt, den er mit einem 20 Kilometer langen Alleingang in der Manier eines großen Champions in Villard-deLans perfekt gemacht hatte: „Es war von Beginn an ein Kampf, ich musste es solo zu Ende fahren. Auf der letzten Kuppe bin ich ,All in‘ gegangen. Ich wusste, dass mich auf der Abfahrt keiner mehr einholt.“
Nur vier Tage nach seinem unglücklichen zweiten Platz am Puy
Mary belohnte sich der unermüdliche Kämpfer für seinen Riesenaufwand und sorgte in seinem gebeutelten Bora-hansgrohe-Team für ein Freudenfest. „Es ist auch für das Team eine große Erleichterung, es hat so hart gearbeitet“, sagte Kämna.
Das Ausnahmetalent aus Wedel triumphierte bei der Bergankunft nach 164 Kilometern oberhalb der 1968er-Olympiastadt Grenoble mit 1:27 Minuten Vorsprung auf den Ecuadorianer Richard Carapaz – den amtierenden Giro-Sieger – und sorgte für den 90. deutschen Tageserfolg in der Geschichte der Frankreich-Rundfahrt. Zuletzt hatte John Degenkolb 2018 in Roubaix gewonnen. Als Fünfter machte Simon Geschke (Berlin) den deutschen Traumtag perfekt.
Die Favoriten um das slowenische Spitzenduo Primoz Roglic und Tadej Pogacar hielten sich weitgehend zurück und erreichten das Ziel in 1152 Metern Höhe mit rund 17 Minuten
Rückstand. Jumbo-Visma-Kapitän Roglic geht in Gelb und mit 40 Sekunden Vorsprung in die hammerharte 17. Etappe am Mittwoch mit dem Kräftemessen am 2304 Meter hohen Alpenriesen Col de la Loze. „Ich kann versichern, dass es höllisch wird“, sagte Tour-Chef Christian Prudhomme mit Blick auf den mörderischen Schlussanstieg dort.
Prudhomme durfte am Dienstag nach überstandener Corona-Infektion wieder seinen Arbeitsplatz im Führungsfahrzeug einnehmen. Der 59-Jährige war am ersten Ruhetag positiv getestet worden und hatte sich in Quarantäne begeben, ein weiterer Test fiel nun negativ aus – so wie bei allen Fahrern und Teammitgliedern, die am zweiten Ruhetag turnusmäßig gecheckt worden sind. Nachdem in der Vorwoche neben Prudhomme Betreuer aus vier Teams positiv getestet worden waren, rollte das Feld somit ohne neue Infektionsausfälle weiter
Richtung Paris, das befürchtete Corona-Chaos ist trotz hoher Fallzahlen in Frankreich ausgeblieben.
Früh nach dem Start der ersten und leichtesten der drei Alpenetappen in Serie hatte sich eine große Spitzengruppe abgesetzt, in ihr der unermüdliche Kämna. Er sei heiß auf das „riesige Pokerspiel“in einer Ausreißergruppe hatte er vorab gesagt – und Kämna pokerte fleißig mit.
Am Col de Porte und der Côte de Revel (2. Kategorie) blieb die Gruppe, die mittlerweile mehr als elf Minuten Vorsprung auf das Feld hatte, zusammen. An der vorletzten, schwierigsten Steigung des Tages zur Montée de Saint-Nizier-du-Moucherotte (1. Kategorie) setzte sich Kämna mit einer Vierergruppe ab, kurz vor der Passhöhe trat er an. Wie am Puy Mary fuhr er als Solist in den Schlussanstieg. Anders als bei der Sprintniederlage gegen den Kolumbianer Daniel Martinez reichte sein Vorsprung. Deutlich.