Scheuers Werk und grüner Beitrag
Hängepartie um Raserstrafen geht weiter – Das hat viel mit Macht zu tun
- Die Sitzungen im Bundesrat sind manchmal politische Wundertüten. Wenn sich die Vertreter der Bundesländer am Freitagmorgen im Preußischen Herrenhaus treffen, wird die Tagesordnung oft noch spontan umgeschmissen. Denn viele Themen werden erst am späten Vorabend in den Verhandlungsrunden der Bundesländer verhandelt, und hin und wieder greift das Kanzleramt auch noch während der Sitzung in das Tauziehen ein.
An diesem Freitag fiel ein heftig diskutiertes Thema von der Tagesordnung: Schärfere Strafen für Raser. Eigentlich gelten in Deutschland seit April höhere Bußgelder für zu schnelles Fahren. Doch dank eines Formfehlers des Bundesverkehrsministeriums von Andreas Scheuer (CSU) sind die Neuerungen außer Vollzug gesetzt. Möglicherweise ist die Panne noch gravierender: BadenWürttembergs Justizministerium warnte, dass alle Novellen der Straßenverkehrsordnung (StVO) seit 2009 hinfällig sein könnten. Ob das stimmt, ist umstritten.
Klar ist, dass die Bundesländer die Hängepartie schnell beenden wollen. Man brauche schnell Rechtssicherheit, um das „Konjunkturprogramm für Verkehrsanwälte“zu beenden, sagt ein Verhandler. Soweit ist man sich in Stuttgart, München und Berlin einig.
Dass es trotzdem am Freitag zu keiner Lösung kam, liegt an den Machtverhältnissen. Lange dominierten zwei Blöcke den Bundesrat, die SPD- und die CDU-geführten Bundesländer. Inzwischen ist ein dritter Spieler hinzugekommen: die Grünen. Die stellen zwar nur im Südwesten den Ministerpräsidenten, regieren aber in den meisten der 16 Bundesländer mit. Und Länder, in denen Koalitionen uneins sind, enthalten sich im Bundesrat meist. Damit sind die Grünen zur Macht geworden – auch wenn sie nicht in der Bundesregierung sitzen.
Die Grünen hatten einen eigenen Vorschlag eingebracht: Laut „Rheinischer Post“forderten sie für die Zustimmung Experimentierfelder für zeitweises flächendeckendes Tempo 30 in ausgewählten Städten sowie mehr Rechte für „Pop-up-Radwege“. Die hatte die grüne Verkehrssenatorin Berlins in der Coron-Krise auf Straßen eingerichtet – ein Gericht erklärte sie aber nun für unrecht.
Für die SPD- und CDU-Länder ging das zu weit. Einige sind genervt, weil die Grünen bereits bei der Entscheidung zur Schweinehaltung im Kastenstand im Juli den Preis bis zuletzt hochgetrieben hatten. Auch der Kastenstand war zuvor im Bundesrat kurzfristig von der Tagesordnung geflogen. So komplexe Dinge könne man schlecht am Donnerstagabend noch eben neu verhandeln, klagt ein Verhandler. Nun hat man Zeit. Die nächste Bundesratssitzung ist am 9. Oktober. Bis dahin müsse Andreas Scheuer sein Pannenwerk „nachbessern“, heißt es. Dann könne man zuversichtlich sein, dass es in den Verhandlungen am Abend des 8. Oktober zu einer Einigung komme.