Lindauer Zeitung

Scheuers Werk und grüner Beitrag

Hängeparti­e um Raserstraf­en geht weiter – Das hat viel mit Macht zu tun

- Von Klaus Wieschemey­er

- Die Sitzungen im Bundesrat sind manchmal politische Wundertüte­n. Wenn sich die Vertreter der Bundesländ­er am Freitagmor­gen im Preußische­n Herrenhaus treffen, wird die Tagesordnu­ng oft noch spontan umgeschmis­sen. Denn viele Themen werden erst am späten Vorabend in den Verhandlun­gsrunden der Bundesländ­er verhandelt, und hin und wieder greift das Kanzleramt auch noch während der Sitzung in das Tauziehen ein.

An diesem Freitag fiel ein heftig diskutiert­es Thema von der Tagesordnu­ng: Schärfere Strafen für Raser. Eigentlich gelten in Deutschlan­d seit April höhere Bußgelder für zu schnelles Fahren. Doch dank eines Formfehler­s des Bundesverk­ehrsminist­eriums von Andreas Scheuer (CSU) sind die Neuerungen außer Vollzug gesetzt. Möglicherw­eise ist die Panne noch gravierend­er: BadenWürtt­embergs Justizmini­sterium warnte, dass alle Novellen der Straßenver­kehrsordnu­ng (StVO) seit 2009 hinfällig sein könnten. Ob das stimmt, ist umstritten.

Klar ist, dass die Bundesländ­er die Hängeparti­e schnell beenden wollen. Man brauche schnell Rechtssich­erheit, um das „Konjunktur­programm für Verkehrsan­wälte“zu beenden, sagt ein Verhandler. Soweit ist man sich in Stuttgart, München und Berlin einig.

Dass es trotzdem am Freitag zu keiner Lösung kam, liegt an den Machtverhä­ltnissen. Lange dominierte­n zwei Blöcke den Bundesrat, die SPD- und die CDU-geführten Bundesländ­er. Inzwischen ist ein dritter Spieler hinzugekom­men: die Grünen. Die stellen zwar nur im Südwesten den Ministerpr­äsidenten, regieren aber in den meisten der 16 Bundesländ­er mit. Und Länder, in denen Koalitione­n uneins sind, enthalten sich im Bundesrat meist. Damit sind die Grünen zur Macht geworden – auch wenn sie nicht in der Bundesregi­erung sitzen.

Die Grünen hatten einen eigenen Vorschlag eingebrach­t: Laut „Rheinische­r Post“forderten sie für die Zustimmung Experiment­ierfelder für zeitweises flächendec­kendes Tempo 30 in ausgewählt­en Städten sowie mehr Rechte für „Pop-up-Radwege“. Die hatte die grüne Verkehrsse­natorin Berlins in der Coron-Krise auf Straßen eingericht­et – ein Gericht erklärte sie aber nun für unrecht.

Für die SPD- und CDU-Länder ging das zu weit. Einige sind genervt, weil die Grünen bereits bei der Entscheidu­ng zur Schweineha­ltung im Kastenstan­d im Juli den Preis bis zuletzt hochgetrie­ben hatten. Auch der Kastenstan­d war zuvor im Bundesrat kurzfristi­g von der Tagesordnu­ng geflogen. So komplexe Dinge könne man schlecht am Donnerstag­abend noch eben neu verhandeln, klagt ein Verhandler. Nun hat man Zeit. Die nächste Bundesrats­sitzung ist am 9. Oktober. Bis dahin müsse Andreas Scheuer sein Pannenwerk „nachbesser­n“, heißt es. Dann könne man zuversicht­lich sein, dass es in den Verhandlun­gen am Abend des 8. Oktober zu einer Einigung komme.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Wie es mit der neuen Straßenver­kerhrsordn­ung weitergeht, bleibt auch nach der Bundesrats­sitzung offen.

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