„Wir sind ehrbare Kaufleute“
Leasingfinanzierer Grenke will Manipulationsvorwürfe mit Sondergutachten entkräften
- Die Anspannung der vergangenen Tage war Antje Leminsky anzumerken. Mit leicht zitternder Stimme, aber in aller Entschiedenheit wies die Vorstandsvorsitzende des Baden-Badener Finanzdienstleisters Grenke die ungeheuerlichen Vorwürfe der Investorengruppe Viceroy Research zurück.
„Die Behauptungen in dieser sogenannten Analyse entbehren jeder Grundlage. Wir sind ehrbare Kaufleute und verwehren uns gegen jeglichen Vergleich mit Wirecard. Die Anschuldigungen eines Leerverkäufers, der mit dem von ihm ausgelösten Kursverfall Geld verdient, sind ein Schlag ins Gesicht unserer über 1700 Mitarbeiter, unserer 40 000 Händler und unserer langfristig orientierten Aktionäre“, sagte Leminsky in der mit Spannung erwarteten Telefonkonferenz am Freitag, nachdem an den Vortagen nur dünne Dementis aus der Konzernzentrale in Baden-Baden kamen.
Was war geschehen: Am Montag hatte Viceroy einen Analysereport über Grenke veröffentlicht, in dessen Folge der Aktienkurs des Mdax-Konzerns um mehr als die Häfte eingebrochen war. Es ist ein Dokument voller Vorwürfe, 64 eng beschriebene Seiten, für Nicht-Insider kaum zu verstehen. Titel: „Grenke – For your Fraud Financing Needs“(zu deutsch: Grenke – Für Ihre Betrugsfinanzierungsbedürfnisse).
Darin wirft die Investorengruppe dem Leasingunternehmen unter anderem vor, unlauteren Geschäftspraktiken nachzugehen, die eigene Bilanz aufzublähen. Es ist sogar die Rede von Vetternwirtschaft mit Firmengründer Wolfgang Grenke, der neben seiner Rolle als Unternehmer auch Präsident des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) ist.
Viceroy ist an der Börse berühmtberüchtigt: Dahinter steht der Brite Fraser Perring, der schon den Bilanzbetrug bei dem Möbelkonzern Steinhoff aufdeckte, welcher danach in die Insolvenz rutschte. Auch beim Niedergang des Zahlungsabwicklers Wirecard hat Perring eine wichtige Rolle gespielt: Er stand hinter dem Label Zatarra, das schon 2016 Vorwürfe der Bilanzmanipulation gegen den inzwischen insolventen Finanzdienstleister erhoben hatte.
Die Vorgehensweise ist jeweils gleich: Mit sogenannten Leerverkäufen wetten Perring und seine Mitstreiter auf den Absturz der Aktien – und machen daraus auch keinen Hehl. Ziel der Attacken sind sehr oft
Unternehmen mit komplexen, zum Teil intransparenten Geschäftsmodellen.
Im Zentrum der Vorwüfe von Viceroy steht das Franchisesystem von Grenke, das die Angreifer als „Betrugskonstrukt im großen Stil“kritisieren. Eine zentrale Rolle dabei soll die CTP Handelsund Beteiligungs GmbH spielen, die seit Ende Januar dem Grenke-Gründer Wolfgang Grenke gehört. Viceroy wirft Grenke, der aktuell mit acht Prozent an der Grenke AG beteiligt ist und im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt, Interessenkonflikte und finanzielle Vorteilsnahme vor.
CTP agiert als eine Art Anschubfinanzierer für die Franchisenehmer von Grenke. Nach einigen Jahren, wenn das Geschäft etabliert ist, kauft Grenke den Gründern das Franchise wieder ab. Diese Transaktionen, so der Vorwurf von Viceroy, würden zu überteuerten Konditionen abgewickelt von denen CTP samt Management finanziell profitiere.
Darüber hinaus soll ein großer Teil der im Geschäftsbericht aufgeführten finanziellen Mittel nicht exisitieren und der Konzern „aggressiv bilanzieren“. Leminsky und Finanzvorstand Sebastian Hirsch wiesen die Vorwürfe am Freitag als falsch, haltlos und frei erfunden zurück.
Mit Blick auf mögliche Interessenkonflikte von Unternehmensgründer Wolfgang Grenke habe man „entsprechende Vorkehrungen getroffen“, sagte Leminsky. An Gesprächen zur Übernahme von Franchiseunternehmen sei Grenke „nicht beteiligt“. Und was die angeblich fehlenden Gelder angeht ließ Hirsch wissen: „Wir können jeden einzelnen Cent belegen.“„Hier ist völlig grundlos ganz viel Porzellan zerschlagen und Vertrauen verloren worden. Dieses Vertrauen wollen wir zurück“, schloss Leminsky.
Dass die Dementis und Erklärungen nicht reichen werden, um Aktionäre, Finanzaufsicht, Mitarbeiter und Kunden zu beruhigen, weiß das Grenke-Management. Deshalb will der Konzern die gegen ihn erhobenen Vorwürfe mit einem Sondergutachten der Wirtschaftsprüfer von KPMG entkräften lassen. Man wolle „sehr zügig“Ergebnisse. Deshalb habe sich Grenke auch an KPMG gewandt, die bereits seit drei Jahren die Bilanzen des Unternehmens prüfen, und nicht an einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer, so Leminsky. Zudem prüft das Unternehmen rechtliche Schritte gegen Viceroy. Die Vorstandschefin kündigte an, diesbezüglich in der kommenden Woche eine Entscheidung treffen zu wollen.
An der Börse fassten die Anleger nach den Erklärungen des GrenkeManagements kein neues Vertrauen. Der Kurs der Grenke-Aktie gab nach einer zwischenzeitlichen Erholung am Freitag mehr als sechs Prozent nach. Analysten zeigten sich vorsichtig und haben ihre Bewertungen für die Papiere zum Teil ausgesetzt. „Solange nicht mehr Klarheit bezüglich der vorgebrachten Vorwürfe herrscht, setzen wir unsere Empfehlung und das Kursziel für die GrenkeAktie aus“, sagte etwa Thorsten Strauß von der NordLB. Auch die Ratingagentur Standard & Poor’s erklärte, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in der Lage zu sein, die Stichhaltigkeit der Vorwürfe zu beurteilen.
Viceroy bezog am Freitag auf seiner Homepage ebenfalls noch einmal Stellung zu Grenke: Nach der „lauwarmen und undurchsichtigen Antwort“von Wolfgang Grenke vom Donnerstag, hieß es dort an die Finanzaufsicht Bafin gerichtet, blieben nur zwei Optionen: Rauswurf oder Rücktritt des Gründers aus dem Aufsichtsrat der Grenke AG.