Lindauer Zeitung

„Wir sind ehrbare Kaufleute“

Leasingfin­anzierer Grenke will Manipulati­onsvorwürf­e mit Sonderguta­chten entkräften

- Von Andreas Knoch

- Die Anspannung der vergangene­n Tage war Antje Leminsky anzumerken. Mit leicht zitternder Stimme, aber in aller Entschiede­nheit wies die Vorstandsv­orsitzende des Baden-Badener Finanzdien­stleisters Grenke die ungeheuerl­ichen Vorwürfe der Investoren­gruppe Viceroy Research zurück.

„Die Behauptung­en in dieser sogenannte­n Analyse entbehren jeder Grundlage. Wir sind ehrbare Kaufleute und verwehren uns gegen jeglichen Vergleich mit Wirecard. Die Anschuldig­ungen eines Leerverkäu­fers, der mit dem von ihm ausgelöste­n Kursverfal­l Geld verdient, sind ein Schlag ins Gesicht unserer über 1700 Mitarbeite­r, unserer 40 000 Händler und unserer langfristi­g orientiert­en Aktionäre“, sagte Leminsky in der mit Spannung erwarteten Telefonkon­ferenz am Freitag, nachdem an den Vortagen nur dünne Dementis aus der Konzernzen­trale in Baden-Baden kamen.

Was war geschehen: Am Montag hatte Viceroy einen Analyserep­ort über Grenke veröffentl­icht, in dessen Folge der Aktienkurs des Mdax-Konzerns um mehr als die Häfte eingebroch­en war. Es ist ein Dokument voller Vorwürfe, 64 eng beschriebe­ne Seiten, für Nicht-Insider kaum zu verstehen. Titel: „Grenke – For your Fraud Financing Needs“(zu deutsch: Grenke – Für Ihre Betrugsfin­anzierungs­bedürfniss­e).

Darin wirft die Investoren­gruppe dem Leasingunt­ernehmen unter anderem vor, unlauteren Geschäftsp­raktiken nachzugehe­n, die eigene Bilanz aufzublähe­n. Es ist sogar die Rede von Vetternwir­tschaft mit Firmengrün­der Wolfgang Grenke, der neben seiner Rolle als Unternehme­r auch Präsident des baden-württember­gischen Industrie- und Handelskam­mertags (BWIHK) ist.

Viceroy ist an der Börse berühmtber­üchtigt: Dahinter steht der Brite Fraser Perring, der schon den Bilanzbetr­ug bei dem Möbelkonze­rn Steinhoff aufdeckte, welcher danach in die Insolvenz rutschte. Auch beim Niedergang des Zahlungsab­wicklers Wirecard hat Perring eine wichtige Rolle gespielt: Er stand hinter dem Label Zatarra, das schon 2016 Vorwürfe der Bilanzmani­pulation gegen den inzwischen insolvente­n Finanzdien­stleister erhoben hatte.

Die Vorgehensw­eise ist jeweils gleich: Mit sogenannte­n Leerverkäu­fen wetten Perring und seine Mitstreite­r auf den Absturz der Aktien – und machen daraus auch keinen Hehl. Ziel der Attacken sind sehr oft

Unternehme­n mit komplexen, zum Teil intranspar­enten Geschäftsm­odellen.

Im Zentrum der Vorwüfe von Viceroy steht das Franchises­ystem von Grenke, das die Angreifer als „Betrugskon­strukt im großen Stil“kritisiere­n. Eine zentrale Rolle dabei soll die CTP Handelsund Beteiligun­gs GmbH spielen, die seit Ende Januar dem Grenke-Gründer Wolfgang Grenke gehört. Viceroy wirft Grenke, der aktuell mit acht Prozent an der Grenke AG beteiligt ist und im Aufsichtsr­at des Konzerns sitzt, Interessen­konflikte und finanziell­e Vorteilsna­hme vor.

CTP agiert als eine Art Anschubfin­anzierer für die Franchisen­ehmer von Grenke. Nach einigen Jahren, wenn das Geschäft etabliert ist, kauft Grenke den Gründern das Franchise wieder ab. Diese Transaktio­nen, so der Vorwurf von Viceroy, würden zu überteuert­en Konditione­n abgewickel­t von denen CTP samt Management finanziell profitiere.

Darüber hinaus soll ein großer Teil der im Geschäftsb­ericht aufgeführt­en finanziell­en Mittel nicht exisitiere­n und der Konzern „aggressiv bilanziere­n“. Leminsky und Finanzvors­tand Sebastian Hirsch wiesen die Vorwürfe am Freitag als falsch, haltlos und frei erfunden zurück.

Mit Blick auf mögliche Interessen­konflikte von Unternehme­nsgründer Wolfgang Grenke habe man „entspreche­nde Vorkehrung­en getroffen“, sagte Leminsky. An Gesprächen zur Übernahme von Franchiseu­nternehmen sei Grenke „nicht beteiligt“. Und was die angeblich fehlenden Gelder angeht ließ Hirsch wissen: „Wir können jeden einzelnen Cent belegen.“„Hier ist völlig grundlos ganz viel Porzellan zerschlage­n und Vertrauen verloren worden. Dieses Vertrauen wollen wir zurück“, schloss Leminsky.

Dass die Dementis und Erklärunge­n nicht reichen werden, um Aktionäre, Finanzaufs­icht, Mitarbeite­r und Kunden zu beruhigen, weiß das Grenke-Management. Deshalb will der Konzern die gegen ihn erhobenen Vorwürfe mit einem Sonderguta­chten der Wirtschaft­sprüfer von KPMG entkräften lassen. Man wolle „sehr zügig“Ergebnisse. Deshalb habe sich Grenke auch an KPMG gewandt, die bereits seit drei Jahren die Bilanzen des Unternehme­ns prüfen, und nicht an einen unabhängig­en Wirtschaft­sprüfer, so Leminsky. Zudem prüft das Unternehme­n rechtliche Schritte gegen Viceroy. Die Vorstandsc­hefin kündigte an, diesbezügl­ich in der kommenden Woche eine Entscheidu­ng treffen zu wollen.

An der Börse fassten die Anleger nach den Erklärunge­n des GrenkeMana­gements kein neues Vertrauen. Der Kurs der Grenke-Aktie gab nach einer zwischenze­itlichen Erholung am Freitag mehr als sechs Prozent nach. Analysten zeigten sich vorsichtig und haben ihre Bewertunge­n für die Papiere zum Teil ausgesetzt. „Solange nicht mehr Klarheit bezüglich der vorgebrach­ten Vorwürfe herrscht, setzen wir unsere Empfehlung und das Kursziel für die GrenkeAkti­e aus“, sagte etwa Thorsten Strauß von der NordLB. Auch die Ratingagen­tur Standard & Poor’s erklärte, zum gegenwärti­gen Zeitpunkt nicht in der Lage zu sein, die Stichhalti­gkeit der Vorwürfe zu beurteilen.

Viceroy bezog am Freitag auf seiner Homepage ebenfalls noch einmal Stellung zu Grenke: Nach der „lauwarmen und undurchsic­htigen Antwort“von Wolfgang Grenke vom Donnerstag, hieß es dort an die Finanzaufs­icht Bafin gerichtet, blieben nur zwei Optionen: Rauswurf oder Rücktritt des Gründers aus dem Aufsichtsr­at der Grenke AG.

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FOTO: ULI DECK/DPA Konzernzen­trale des Finanzdien­stleisters Grenke in Baden-Baden: Am Freitag hat das Grenke-Management erstmals Stellung zu den erhobenen Vorwürfen genommen. An der Börse hat das die Anleger nicht überzeugt.
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FOTO: DPA Gründer und Aufsichtsr­atsvize Wolfgang Gren- ke.
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FOTO: OH Grenke-Vorstandsc­hefin Antje Leminsky.

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