Landrat warnt: „Corona ist nicht vorbei“
Im Kreis Lindau aktuell 17 Infizierte und gut 60 Menschen in Quarantäne – Fast 1400 Tests im neuen Zentrum
- Die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie mit Lockdown, Kurzarbeit, Auftrags- und Stellenverlusten bringen so manche Gemeinde im Landkreis Lindau ins Grübeln. Zwar kommt der Kreis selbst glimpflich davon. Dennoch bleibt Corona für Landrat Elmar Stegmann ein brennend-wichtiges Thema. Auch und gerade, weil immer häufiger Masken nur unterm Kinn hängen, Abstände schwinden – und die Infektionszahlen spürbar steigen. Im Kreisausschuss spricht der Lindauer Landrat in seinem Bericht zur Corona-Krise deshalb eine klare Warnung aus: „Corona ist nicht vorbei.“
Für Landrat und Mitarbeiter des Staatlichen Landratsamtes begann die Corona-Krise schon Wochen vor dem Katastrophenfall und Lockdown in Bayern: In seinem Rückblick erinnerte Stegmann im Kreisausschuss daran, dass der Krisenstab in Lindau bereits Ende Februar seine Arbeit startete. Denn es sei klar gewesen: „Das ist eine Sicherheitsfrage.“Bis heute und auch weiterhin sei das Gremium mit Stegmann und den beiden Juristen Erik Jahn und Tobias Walch an der Spitze rund um die Uhr in Einsatzbereitschaft. Teilweise seien im Landratsamt über 70 Mitarbeiter und Freiwillige im Kampf gegen die Corona-Pandemie im Einsatz gewesen, blickte Stegmann zurück.
Während der Landrat in der öffentlichen Sitzung das hohe Engagement dieser Kräfte und die Unterstützung durch niedergelassene Ärzte lobte, brachte Kreisrat Friedrich Haag Kritik an. Denn der Lindenberger Mediziner versteht nicht, wieso Stegmann das Gesundheitsnetz
Westallgäu und die Lindenberger Rotkreuzklinik nicht explizit hervorhebt – schließlich hätten diese beiden im Westallgäu im März den Kampf gegen Corona aufgenommen.
Das allerdings löste bei Landrat sowie Jurist Walch Unmut aus. Denn die Westallgäuer hätten das Landratsamt über ihren Einsatz erst später informiert. „Deshalb ist das an uns damals vorbeigegangen“, wie Walch sagte. Unmut aber auch deswegen, weil sich heute die Situation im Westallgäu mit Blick auf die Corona-Gefahr ganz anders darstelle:
Während nach Stegmanns Worten im Raum Lindau acht bis zehn Arztpraxen regelmäßig Tests anbieten, sei dieses Engagement im Westallgäu deutlich geringer, wo meist nur ein Mediziner als Ansprechpartner fungiere.
Auch deshalb ist es in den Augen des Lindauer Landrats wichtig, dass es nun im Areal der Müllumladestation an der Bösenreutiner Steig bei Lindau ein Corona-Testzentrum gibt, das an drei Nachmittagen in der Woche sowie sonntagmittags geöffnet ist und die Möglichkeit zum unkomplizierten Corona-Tests biete. Gerade die Sonntage seien für Urlaubsrückkehrer wichtig, stellte Stegmann fest. Das umzäunte und video-überwachte Areal des Abfallzweckverbands ist nach seiner Ansicht auch deshalb ein guter Standort, weil dort keine Nachbarn gebe, die sich gestört fühlen könnten. Fast 1400 Menschen haben
Landrat Elmar Stegmann das Testzentrum seit der Eröffnung Ende August angefahren. Zwar wurden dabei nur sieben Infizierte festgestellt. „Aber das sind sieben Bürger, die in Quarantäne kamen und nicht noch andere angesteckt haben“, so Stegmann im Kreisausschuss.
Den Dienstleister, der dort die Tests mache, hat der Landkreis zwar nicht über eine Ausschreibung ausgewählt. Vielmehr sei man über das Labor, das die Tests aus dem Kreis Lindau untersuche, auf diesen aufmerksam geworden und habe dann direkt mit dem Dienstleister verhandelt, wie Walch auf Nachfrage von Kreisrätin Petra Seidl schilderte. Der Vorteil sei, dass dieser Dienstleister „gute Personalkapazitäten hat“und bei erhöhtem Testbedarf die Öffnungszeiten kurzfristig ausweiten könne. Die Freiwilligen von THW, BRK und anderen will Stegmann hingegen als Reserve für den Fall drastisch steigender Corona-Zahlen in der Hinterhand haben.
Wichtig ist dem Landrat, dass die Landkreisbürger ihre Testergebnisse über das Zentrum sehr zeitnah erhalten: „Das liegt in der Regel nach 24 Stunden vor“, sagte Stegmann, es könne dann übers Smartphone abgerufen werden. Denn in Lindau werde nicht auf Papier, sondern bei allen Schritten digital gearbeitet. Bei positiven Tests – zum Zeitpunkt der Sitzung hat es laut Landrat im Kreis Lindau 17 mit Covid-19-Infizierte gegeben – würden die Betroffenen ohnehin sofort vom Gesundheitsamt verständigt.
Diese Behörde bereitet Stegmann allerdings hörbar Sorgen. Zum einen, weil die vom Freistaat angekündigten zusätzlichen Stellen im Gesundheitsamt gar nicht besetzt werden könnten. Vor allem aber, weil es in Lindau derzeit keinen Amtsarzt gibt: Eine Stelle sei seit März offen, der zweite Amtsarzt gehe Ende September in Ruhestand. Nur zweimal in der Woche unterstütze derzeit ein pensionierte ehemaliger Amtsarzt die Arbeit. „Das ist eine äußerst angespannte Situation“, stellte der Landrat fest. Angesichts der fortdauernden Corona-Krise ist er dabei froh über „viel Unterstützung von niedergelassenen Ärzten“.
Die Verwaltung leistet nach Stegmanns Worten „seit Monaten Herausragendes“. So müssten, wenn ein neues positives Covid 19-Ergebnis vorliege, immer auch Mitarbeiter der Kreisverwaltung einspringen, um möglichst viele Kontakte der Erkrankten zu ermitteln. Hunderte von Überstunden seien deshalb bereits angefallen. Und das könnten im Herbst noch deutlich mehr werden: Der Landrat geht davon aus, dass die Zahl der mit Covid 19 Infizierten im Kreis Lindau weiter steigt.
„Corona ist nicht vorbei“, warnte Stegmann. Und sieht ein weiteres Problem: Es gebe jetzt Mitte September bereits zusätzlich erste Fälle von echter Influenza im Kreis Lindau.
„Das ist eine äußerst angespannte Situation.“
Das Corona-Testzentrum in Lindau an der Bösenreutiner Steig ist montags, mittwochs und freitags jeweils von 17.30 bis 19.30 Uhr geöffnet sowie sonntags von 10 bis 13 Uhr.